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28.04.08 - Sinntal

Scharfe Kritik an verspäteter Alarmierung beim ICE-Unfall: 125 Helfer "überflüssig"?

Was für die Einsatzkräfte im Main-Kinzig Kreis im Oktober 2003 eine großangelegte Übung im längsten Eisenbahntunnel in Deutschland, dem Landrückentunnel, war, wurde in der Nacht zum vergangenen Sonntag fast zur Realität. Am Nordportal, im Bereich des Tunnels Nahe Mittelkalbach, kollidierte der ICE-Zug mit einer Schafherde, daraufhin entgleisten 10 der 12 Waggons und die beiden Triebköpfe etwa ein Kilometer in der Röhre des zirka elf Kilometer langen Tunnels. Die Rettung erfolgte, nachdem es zu dem Unglück gegen 21:05 Uhr am Samstagabend kam, auf der Seite des Landkreises Fulda.

Scharfe Kritik kommt jetzt aus dem Nachbarkreis. Sinntals Gemeindebrandinspektor Thomas Beier bemängelt, dass die Kräfte aus dem Main-Kinzig Kreis erst um 23.29 Uhr, demnach zweieinhalb Stunden später, mit dem Einsatzstichwort „Zugunglück Weichersbach, Landrückentunnel Südportal“ alarmiert wurden. Im Bereitstellungsraum in Mottgers (rund um das Feuerwehrgerätehaus und den Sportplatz) fanden sich Einsatzkräfte von Feuerwehren, Rettungsdienst und Deutschem Roten Kreuz ein, um auf weitere Anweisung und Einsatzaufnahme zu warten. Nach der Bildung einer Technischen Einsatzleitung (TEL), die den Einsatz koordinierte, wurden die beiden Rettungsstollen des Landrückentunnels in der Gemarkung von Sinntal-Weichersbach sowie das Südportal von Feuerwehrkräften besetzt und ausgeleuchtet. Die Überlegung war, dass sich möglicherweise Zuginsassen in Richtung Süden (Fahrrichtung Würzburg) gerettet hätten, wobei dies aber auch als "eher unwahrscheinlich" galt, da es im Tunnel eine Fluchtwegkennzeichnung gibt.

Allerdings, nachdem die etwa 150 Fahrgäste sowie drei Schwer- und 19 Leichtverletzte alle aus dem Nordportal bei Mittelkalbach von den dortigen Einsatzkräften aufgenommen wurden, war klar, dass auf der Sinntaler Seite keine Person aus dem Tunnel kommen könnten. Zur Bestätigung, dass sich niemand in Richtung Süden gerettet hatte, kam der Rettungszug der Deutschen Bahn aus Würzburg, der später in den Tunnel einfuhr.

Unmut und Kritik herrschte auf der Seite in Sinntal, wie Beier sagte, weil die Kräfte erst zweieinhalb Stunden später alarmiert wurden. Dabei sei ja schon vorauszusehen gewesen, dass alle Zuginsassen gegen 22.45 Uhr aus dem Zug evakuiert worden waren und den Tunnel am Nordportal verlassen hatten. Mit einem Telefonanruf über die Leitstelle Main-Kinzig in Gelnhausen hätte man zur Kontrolle der Rettungsstollen und des Südportales weniger Rettungsmittel und Personal schicken können.

Lange "Stillstand-Zeit" gab es für die dann in großer Anzahl gerufenen Rettungskräfte, weil sie auf den Rettungszug aus Würzburg in Sinntal warteten. Die Feuerwehren durften schließlich nach Vorschrift vorher nicht den Tunnel beziehungsweise die Stollen betreten. Die Rettungsstollen sind von außen verschlossen, können allerdings von innen per Hand, da es sich um sogenannten Pankitüren handelt, geöffnet werden. Die Feuerwehren in Sinntal hatten bereits schon immer und erst recht nach der Übung in 2003 einen Schlüssel gefordert - jetzt mussten sie wieder warten und konnten nicht selbstständig handeln.

Nachdem der Rettungszug aus Würzburg vor dem Tunnelportal stand, kam dann die Frage auf, ob der Zug überhaupt noch in den Tunnel einfahren müsste. Letztendlich fuhr er dann doch ein und erreichte drei Stunden (!) nach der Alarmierung die Unglücksstelle im Landrückentunnel. Festzuhalten ist aus Sicht der Feuerwehren, dass der Zug eine Stunde vor dem Tunnel stand, bis er einfuhr. Auf dem Weg zur Unglücksstelle wurde der Tunnel auf weitere Passagiere untersucht und die Rettungsstollen abgelaufen. Keine Personen wurden ausfindig gemacht, sodass das Einsatzende für die "südlichen" Rettungskräfte gegen 3.30 Uhr war - die Rettungsdienste am Nordportal und am Bürgerhaus in Mittelkalbach hatten bereits um 02.30 Uhr Einsatzende. Letztendlich waren die Kräfte in Sinntal froh, dass das große Unglück nur geringfügige Auswirkungen auf die Reisenden hatte.

Thomas Beier findet es schade, dass die Missstände seit der Übung vor drei Jahren auch Forderungen in unzähligen Besprechungen nicht abgestellt wurden. Es gab einen großen Zeitverlust durch das Warten auf den Rettungszug. So könne man bei solch einem Notfall erst nicht viel tun. Deshalb komme nun die Forderung nach Anschaffung eines Hilfeleistungsfahrzeuges-Schiene für die Feuerwehren in Betracht - und weiterhin sollten die Schlüssel für die Rettungsstollen bereitgestellt werden. Abschließend nannte und zählte Beier die gesamten Einsatzkräfte, die vor Ort waren, auf und betonte, dass wegen einer eigentlichen „Kontrollfahrt“ des Rettungszuges keine 125 freiwillige und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer benötigt wurden.

Hierbei nannte Gemeindebrandinspektor Thomas Beier, der zusammen mit seinem Stellvertreter Heiko Kress und weiteren Führungskräften die Technische Einsatzleitung bildete, die Feuerwehren aus Mottgers, Sterbfritz, Weichersbach, Altengronau, Oberzell, Weiperz, Sannerz, Bellings und Schlüchtern, die Schnelle Einsatzgruppe (SEG) des Deutschen Roten Kreuzes, die Kräfte der SEG Schlüchtern/Steinau und der SEG Sinntal sowie die SEG-Betreuung aus Gelnhausen in Bereitstellung. Diese unterstanden der Zugführung des 4. Sanitätszuges des Main-Kinzig Kreises mit dem Zugführer Oliver Habekost und dem Zugtruppführer Stephen Gold.

Desweiteren die Technische Einsatzleitung-Rettungsdienst durch den leitenden Notarzt Dr. Michael Jacob, den Organisatorischen Leiter des Rettungsdienstes Matthias Scholl und Eugen Metzler, drei Rettungswagen (Burgjoss, Steinau, Schlüchtern) zwei Notarzteinsatzfahrzeuge (Salmünster, Bad Brückenau), Notfallseelsorger sowie die Kreisbrandmeister Volker Achtert (Gelnhausen), Michael Lossow (Steinau), Winfried Kirchner (Bad-Soden Salmünster) sowie Sinntals Bürgermeister Carsten Ullrich. Verschiedene Rettungsmittel wurden schon recht frühzeitig aus dem Einsatz in Sinntal entlassen, vor allem der Rettungsdienst, hierfür blieb ein Rettungswagen bis Einsatzende in Bereitstellung. +++

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