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- Fotos: Hans-Hubertus Braune

09.11.09 - POINT ALPHA

"Das war ein schöner Tag heute. Es ist sehr interessant aus erste Quelle zu erfahren, wie es damals war", sagte eine Schülerin aus Petersberg am Nachmittag, nachdem sie zusammen mit ihrer Schulklasse den ehemaligen US-Beobachtungsposten Point Alpha zwischen Rasdorf und Geisa besucht hatte. Auf dem Programm stand nicht nur die Besichtung und Führung am ehemals heißesten Punkt zwischen NATO und Warschauer Pakt sondern der Kontakt zu zahlreichen Zeitzeugen. Rund 700 Schüler aus Hessen und Thüringen zeigten sich beeindruckt von den Berichten etwa des Flüchtlings Bernhard Fey. Nahe des Point Alpha wagte er 1975 die Flucht aus der damaligen DDR in den Westen. Beim ersten Versuch zunächst in einer 16-köpfigen Gruppe bereits im Sperrgebiet erwischt, wurde er im zweiten Versuch von Grenzern angeschossen und anschließend ins Gefängnis gebracht. "Man musste höllisch aufpassen, was man sagte", erklärte Fey den Schülern und beschrieb seine damaligen Erlebnisse. "Eine eigene Meinung bilden zu können, ist das Wichtigste in der Freiheit.

Ich bin froh, wenn ich meinen Teil zur Aufklärung beitragen kann", ist Fey gerne in Schulen und berichtet von seinen schwierigen Situationen, von Verfolgung und der sozialistischen Macht. Und er beobachtet, dass die jungen Menschen sich intensiv mit der Geschichte beschäftigen. "Anhand der vielen Fragen merke ich, wie groß das Interesse bei den Schülern ist", sagte Fey.

Die Point Alpha Stiftung hatte zum zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls erstmals einen Projekttag für Schüler veranstaltet und dazu elf Zeitzeugen zu Themen wie „Grenzregime“, „Flucht und Widerstand“, „Zwangsaussiedlung“, „US-Army“ und „ErinnerungsKUNST“ eingeladen, unter ihnen auch den Leipziger Bürgerrechtler Gunther Weißgerber, den ehemals auf Point Alpha stationierten Soldaten und heutigen Verbindungsoffizier der US-Army, Steven Steininger und den aus der DDR stammenden Bildhauer Ulrich Barnickel, der das Skulpturenprojekt „Weg der Hoffnung“ am ehemaligen Todesstreifen für die Stiftung gestaltet. Für Steininger ist das eine wichtige Arbeit: „Diese Schüler sind alle nach der Wende geboren. Hier lernen sie zu verstehen, dass diese Zeit eine Wirkung für ihre Zukunft hat."

Die Pädagogin der Point Alpha Stiftung, Gabriele Hörschelmann, bilanziert: „Die Theorie von der Politikverdrossenheit haben wir heute ad absurdum geführt – die junge Generation ist durchaus für Politik und Geschichte zu begeistern, man muss es nur tun!“ Hörschelmann hatte den Projekttag organisiert. An der Finanzierung beteiligten sich mit der thüringischen Maschinenbaufirma Deguma Schütz aus Geisa und dem hessischen Hersteller von Sommerrodelbahnen und Wasserrutschbahnen Wiegand mit Sitz in Rasdorf zwei Sponsoren aus der Region. Dadurch konnte die Gedenkstätte den Eintritt für die Schüler kostenfrei ermöglichen. Die Computer für die Zeitungsarbeit stellte das IT-Unternehmen comp.jus aus Dermbach zur Verfügung.

Stiftungsdirektorin Uta Thofern will den Schülerprojekttag auf jeden Fall im nächsten Jahr wiederholen. Und sie wünscht sich, dass die Lehrpläne den Schülerinnen und Schülern bis dahin mehr Raum für die Vorbereitung lassen. „Nach wie vor kommen die Themen deutsche Teilung und Friedliche Revolution viel zu kurz, weil der Geschichtsunterricht chronologisch erfolgt und die Zeitgeschichte grundsätzlich zum Schluss kommt. Dabei ist unsere jüngste Vergangenheit, selbstverständlich einschließlich der Geschichte der NS-Diktatur, viel wichtiger um demokratische Handlungskompetenz zu vermitteln.“

"Die Bundesrepublik war für mich etwas Furchtbares", bekannte David Altheide, der Augenzeuge war, als der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher am Abend des 30. September 1989 vom Balkon des Palais in der Prager Botschaft zu den 6.000 Flüchtlingen sprach: "Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist". Als damals zehnjähriger Junge war er - geprägt von der sozialistischen Propaganda - mit seiner damals nicht einmal 30 Jahre alten Mutter Alexandra Altheide geflüchtet. "Ich habe damals in Prag nicht gejubelt, weil ich ja noch klein war. Die Bundesrepublik hat mich erstmals überzeugt, als ich im Botschaftskeller gemerkt habe, dass es Joghurt mit Früchten drin gibt und der nicht nur wässerlich schmeckt", sagte Altheide zu den Schülern und ließ sie teilhaben an den realen Erlebnisse der Menschen, die damals unmittelbar betroffen waren. Und damit können die Projekttage - etwa auf Point Alpha - mehr leisten als irgendein noch so gutes Geschichtsbuch. (Hans-Hubertus Braune/red) +++





Die Schüler stellten viele Fragen an die Zeitzeugen - etwa zum Thema Zwangsaussiedlung.
















War damals zehn Jahre als er zusammen mit seiner Mutter über Prag in den Westen flüchtete: David Altheide.






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