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10.05.11 - REGION
Tagebuch der "wüsten Sanitäter" (4) - Motorprobleme und türkische Plumpsklos
Seit dem 30. April sind sie unterwegs, die "wüsten Sanitäter" - auf dem Weg in die jordanische Hauptstadt Amman. Mensch und Maschine müssen nun zwei Wochen lang beweisen, dass sie dem Abenteuer "Allgäu-Orient-Rallye" gewachsen sind. osthessen-news präsentiert das offizielle Tagebuch der sechs Abenteurer, das von Teamsprecher Hans-Peter Chilian geschrieben wird. Der Bericht über den Hintergrund der Rallye und das zum Teil osthessische Team findet sich unter: http://osthessen-news.de/beitrag.php?id=1196892 .
Mittwoch, 4.5.2011
"Erster Gedanke – wo gibt es eine Toilette ? Der Platz vor der HAGIA SOPHIA ist überfüllt mit Rallye Fahrzeugen und Besatzungen, die alle das gleiche Bedürfnis haben. Ich gehe eine Strasse ca. 150 Meter weg vom Platz und finde ein "BEST WESTERN" Hotel in dem ich Frühstücke – vorher kommen aber die morgendlichen Geschäfte. Es regnet immer noch und trotz Nebensaison und diesem miserablen Wetter sind unzählige Touristen unterwegs. Wir verbringen weitgehend den Tag im Hotel und erledigen unsere Internet Verpflichtungen. Um 16 Uhr ist dann der offizielle Start der Rallye im asiatischen Teil und vom Bürgermeister der Stadt Istanbul, einem Sultan und mehreren anderen wichtigen Persönlichkeiten (auch Wilfried vom Organisationskommittee) werden Reden mit schmeichelnden Phrasen gehalten. Vor der grossen BLAUEN MOSCHEE wird die gesamte Rallye „Meute“ inklusiv Steinen fotografiert, dann geht es zurück zu den Fahrzeugen, um mit der Fähre über den Bosporus den asiatischen Teil der Türkei zu erreichen. Mit einem wilden Gehupe und Geschrei brettert die losgelassene Horde im Polizeikonvoi auf.
Das Fußballspiel einer türkischen Mannschaft gegen die Helfershelfer der Formel1 (am folgenden Tag ist das Formel1 Rennen in Istanbul) verlassen wir vorzeitig, um den vorgeschlagenen Nachtplatz in der Marina zu suchen. Nach längerem Suchen finden wir die Marina, aber die Mehrheit des Teams will weiter fahren. So verlassen wir die ruhig gelegene Marina mit hübschen Restaurants Richtung Ankara. Die Fahrt durch den abendlichen Verkehr ist mühsam, und nach einer kurzen Pause fürs Abendessen landen wir direkt an der Schnellstrasse nach Ankara, um die Nacht dort zu verbringen. Die Girls sowie Heiko und Ingo schlafen im Hotel – der Rest im Auto. Es regnet immer wieder heftig, und ich finde schwer in den Schlaf, aufgrund heftiger, ungewohnter Geräusche. Warum nicht in der Marina?"
Donnerstag, 5.5.2011
"Um etwa 7:45 Uhr wache ich "halb tot“ auf, nachdem die Nacht kalt und von vielen Wachphasen unterbrochen war. Es regnet. In dem Hotel, in dem die Girls geschlafen haben, versuche ich die Zimmer von Heiko oder den Girls ausfindig zu machen, was mir aber nicht gelingt. Frühstück wird in diesem Hotel NICHT serviert. Also mache ich mich auf die Suche nach einer Toilette und Dusche im Hotel und werde im 5.Stock fündig. Der gesamte Stock ist nicht belegt und ich kann mir die Gangdusche und Toilette aussuchen. Allerdings gibt es kein Toilettenpapier und keine Toilettenschüssel – der Traum eines jeden Toilettenlesers.
Die warme Dusche bringt mich zurück zu den Lebenden. Das Frühstück wird in einer Kneipe nahe dem „Hotel“ eingenommen, in Form von türkischen Tee und einer scharfen Suppe ( die gut schmeckt und wie sich hinterher herausstellt verträglich ist). So gerüstet für den Tag machen wir uns auf den Weg. Die Motorprobleme vom Fahrzeug HBN-WS 94 verschärfen sich, und es wird alles getauscht, was als Fehlerursache möglich sein könnte – es hilft alles nichts. Das Auto läuft, bleibt aber am Berg kraftlos zurück. Endlich wird Mittags dann echte, türkische Kost verspeist, in allerlei Form von Gemüse und Hackfleischbällchen. In Ankara wird es dann doch wieder schwierig, die Burg zu finden, und nach viel Fragen, Karten deuten und Grossstadtverkehr Stress sind wir am Spätnachmittag auf der Burg um die Rallyeaufgabe zu lösen. Nun zum Hypodrom, wo die Nacht verbracht wird. Die Rallyemasse ist bereits vor Ort; der gleicht einem mittelalterlichen Heerlager, nur mit moderneren Fortbewegungsmitteln. Die sanitären Umstände sind jedoch jeglichem antiken Heerlager vollkommen ebenbürtig. Abendessen gibt es in einem basarähnlichen Zelt, diesmal Döner mit dem obligatorischen Tee. Die Nacht ist bitter kalt, und ich ziehe alles an, was ich zur Verfügung habe.
Freitag, 6.5.2011
"Schon in der Nacht zuvor verbreiten sich die Gerüchte, dass nun eine Fähre gefunden sei. Der Preis pro Person -330 Euro - sei in bar abzuliefern. Um 8:08 Uhr ist der Le Mans Start vorgesehen. Natürlich verspätet sich der Start, da doch einige Aufklärungsarbeit von Wilfried (OK) geleistet werden muss bezüglich des zukünftigen Rallye Verlaufes. O-Ton Wilfried: <
Unsere mitgebrachten Geschenke für einen türkischen Minister gibt unser Teamchef Heiko persönlich ab. Ich frage mich, was mit den ganzen Geschenken passiert ? Der Brief von Füssens Bürgermeister Iacob inklusiv Bildband ist auch dabei. Viel Presse und Fernsehen. Nun steht aber der Le Mans Start an, wobei wir samt unserer schweren Steine, die auf den Krankentragen von uns transportiert werden, den Spurt zu den Autos machen. Natürlich machen wir aufgrund unserer Lasten das ganze gemächlicher und starten bewusst am Schluss. Die wilde Jagd beginnt also mit einer ca. ein Kilometer langen Runde um das Hypodrom und das Bild ist unbeschreiblich wenn diese Meute mit ca. 300 Fahrzeugen vorbei donnert (wir sehen diesen Massenstart zufällig am gleichen Abend im türkischen Fernsehen).
Die Fahrt von Ankara bis Mersin ist unsäglich lang und nicht besonders attraktiv. Erst als wir das Küstengebirge erreichen, wird es landschaftlich reizvoller, und schneebedeckte Berge begleiten die Fahrt. Der Wagen von Werner + Ingo hat immer noch seine Durchzugsschwächen und die anderen beiden Fahrzeuge müssen sich nach dem Langsamsten richten. Während der Fahrt wird durch Mehrheitsbeschluss festgelegt, dass wir nicht zuerst in die Osttürkei (Mardin/Midyat) fahren, da es keinen Sinn macht dies ca. 900 Kilometer zu fahren um ein Foto zu schießen). Heiko wird die Fahrt dorthin trotzdem durchführen und Manu ist die „Unglückliche“ die sich freiwillig meldet. Wir finden direkt in der Innenstadt von Mersin ein einfaches Hotel, konform der Regelvorschriften. Ein gutes türkisches Abendessen und eine wundervoll erholsame Nacht bringen die Energie zurück. "
Samstag, 7.5.2011
"Am Morgen „Büro Arbeiten“ in Form von ROADBOOK-Aufbereitungen bis ca. mittags. Dann an den Strand von Mersin, kein Badestrand aufgrund der Hafennähe. Ein kleiner Yachthafen mit vielen Restaurants auf Schiffen – Fischdüfte ziehen appetitanregend durch die warme Luft. Da einige keinen Fisch essen, trennen sich unsere kulinarischen Wege, und Gabi und ich gönnen uns Seebarsch – köstlich. Beim Bummeln an der Uferpromenade treffen wir auf Rallyeteams aus dem Allgäu und die Mädels und Jungs sind wirklich gut drauf. Natürlich wird erzählt, was alles den eigenen Teams und anderen Teams passiert ist und die Fahrzeuge mit ihren kleinen oder grösseren Pannen sind das Lieblingsthema.
Anscheinend war vor zwei Jahren eine Aufgabe, Heu für das Kamel in Jordanien mitzubringen. Als ein Team an der Bulgarischen Grenze vom Zöllner gefragt wurde, für was diese Heu transportiert wird, hat der Fahrer wahrheitsgemäß „für das Kamel in Jordanien“ gesagt. Der Ärmste wurde für einen Tag weggesperrt, da die Beamten sich veräppelt fühlten. Erst mit Hilfe des OK wurde er dann entlassen. Wir bummeln noch durch einen Gemüsemarkt und Kleidermarkt und werden freudig per Handschlag begrüsst. Das Geschrei zum Anpreisen der eigenen Waren nimmt deutlich zu wenn die Kamera von Gabi (Bayer. Rundfunk) bemerkt wird. Abends wieder köstliches Essen und erstmals türkischer Rotwein, der sehr gut schmeckt."
Sonntag, 8.5.2011
"Am Morgen habe ich das ROADBOOK dann auf den aktuellen Stand gebracht, alle Fotos eingeklebt und auch die schriftlichen Zusätze. Manu und Heiko kommen aus MALDYN zurück – eine Reise über ca. 700 Kilometer - einfache Strecke. Es sollte laut ROADBOOK Aufgabe eine 1.200 Jahre alte Kirche fotografiert werden. Bereits am frühen Nachmittag sammeln sich die ersten Rallyefahrzeuge am Hafen von Mersin und keines der Teams weiß, wo nun die Fähren nach Zypern abgehen sollen. Es gibt immer wieder neue Parolen über die Abfahrtsorte und gegen etwa 17 Uhr verteilt das OK Handzettel, auf denen bekannt gegeben wird, dass wir am nächsten Tag um 15 Uhr von SILFIKE (ca. 115 Kilometer von MERSIN entfernt in westlicher Richtung) nach Zypern auslaufen werden. Wir fahren direkt nach SILFIKE um dort eine Pension zwecks Übernachtung zu finden. Die gesamten 115 Kilometer fahren wir praktisch durch Siedlungen mit 10 bis 15-stöckigen grossen Wohnblöcken die offensichtlich vor kurzem neu gebaut wurden. Also sicher Einwohnerzahlen von weit über 100.000 – aber wo arbeiten diese Menschen ? Weit und breit keine Anzeichen von Industrie.
In SILFIKE finden wir per Zufall eine kleine, nette Pension direkt am Yachthafen und der Besitzer arbeitet seit 40 Jahren in Deutschland. Er führt diese Pension im Sommer wenn die Touristen kommen – im Winter arbeitet er in Deutschland. Ein sehr sympathischer Mann mit gutem Deutsch. Am Hafen bekommen wir auch unser Abendessen – inzwischen sitzen wir im Freien, da die Temperaturen sich immer mehr unseren Vorstellungen von der südlichen Türkei annähern". +++