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Wer ermordete vor 21 Jahren die beiden Mädchen?

War es wirklich die Mutter - hier im zweiten Prozess in Gießen

15.10.07 - Philippsthal

"Wer ermordete Melanie und Karola?" - MORDFALL WEIMAR heute in ARD

Wer heute Abend um 21.00 Uhr die ARD einschaltet, wird mit einem der mysteriösesten Mordfälle Deutschlands konfrontiert. Über 21 Jahre nach dem Doppelmord an den beiden Schwestern Carola und Melanie Weimar, mehreren aufsehenerregenden Prozessen, einem Freispruch, Gutachter-Streitereien und dem "Lebenslänglich"-Urteil des Landgerichtes Fulda, das aufgehoben und nach Jahren bestätigt wurde, nach unzähligen Fernsehberichten, nach Buch-Veröffentlichungen von der Verurteilten und über sie, rollt nun der neue Film noch einmal den Mordfall auf und erinnert an die Vorgänge, die manche schon längst vergessen haben.

In der 45-minütigen Dokumentation des Hessischen Rundfunks - im Rahmen der Sendereihe "Die großen Kriminalfälle" - rekonstruieren die Autoren Erika Kimmel und Bernd Isecke noch einmal den viel diskutierten Fall Weimar. Ermittler, Richter und die Staatsanwaltschaft sprechen über die vielen Details, Lügen und Ungereimtheiten, die den wahren Hergang des Mordes noch heute so rätselhaft erscheinen lassen wie vor 21 Jahren. Die Autoren gehen der Frage nach, was damals passierte und wer die beiden Mädchen tötete.

Zunächst waren die beiden Kinder als vermisst gemeldet worden - das Ehepaar Weimar ließ sich sogar gemeinsam von einer großen deutschen Boulevard-Zeitung auf einem Spielplatz fotografieren - die Öffentlichkeit ging von einer Entführung aus. Tage später dann die furchtbare Gewissheit: am 7. August 1986 findet ein Busfahrer die Leiche der siebenjährigen Melanie Weimar in einem Brennnesselgebüsch auf einem Parkplatz, nur wenige Kilometer von ihrem Wohnort im osthessischen Philippsthal entfernt. Ihre kleine Schwester, die fünfjährige Karola, wird wenig später auf einem anderen Parkplatz entdeckt – auch sie ist tot.

Ein Doppelmord, spektakulär und aufwühlend. 20 Jahre lang wird er die Justiz beschäftigen, länger noch die Öffentlichkeit. Ist Monika Weimar, die Mutter der beiden Mädchen, die Mörderin ihrer Kinder? Die damals 28-jährige hat ein Verhältnis mit einem 24-jährigen amerikanischen Soldaten. Dieser Liebesbeziehung könnten die Kinder im Wege gestanden haben, vermuten viele Menschen in Philippsthal-Röhrigshof, dem kleinen Dorf in Nordhessen, direkt an der Grenze zur damaligen DDR. Aber auch Reinhard Weimar, der von der Affäre seiner Frau wusste, hatte ein Motiv: Eifersucht.

Den Beamten der Sonderkommission wird schnell zugetragen, dass die Ehe der Weimars nur noch auf dem Papier existiert. Beide Eltern geraten in Verdacht. Aber Monika Weimar verwickelt sich in den wochenlangen Vernehmungen immer mehr in Widersprüche. Da macht sie eine neue Aussage, die ihren damals 33-jährigen Mann schwer belastet. Aber gegen diese neue Tatversion sprechen Gutachten und Zeugenaussagen.

Monika Weimar wird verhaftet. Eines der längsten und spektakulärsten Indizienverfahren der deutschen Rechtsgeschichte beginnt. In ihrem drei Minuten dauernden "letzten Wort" am 21. Dezember 1987 erklärte sie wörtlich: "Ich habe viele Fehler gemacht, ich hätte mich früher scheiden lassen sollen. Ich bin im Knast nicht zur Ruhe gekommen und habe mir immer wieder vorgeworfen: Die Kinder würden noch leben, wenn ich meinen Mann in der Nacht nicht mit ihnen allein gelassen hätte. Ich habe einen hohen Preis bezahlt und stehe vor dem Nichts. Nur die Hoffnung, daß bei dem Prozess meine Unschuld erwiesen wird, hat mich die Tatsache ertragen lassen, dass mein Mann draußen als Mörder frei herumläuft".

Und trotzdem - am 4. Januar 1988 fällt das Landgericht Fulda sein Urteil: Lebenslängliche Haft wegen Mordes. Zehn Jahre nach der Tat kann Monika Weimars Verteidiger Gerhard Strate ein Wiederaufnahmeverfahren erwirken. Fast eine juristische Sensation nach einer rechtskräftigen Verurteilung. Begründung: neue Gutachten und neue Zeugen, denen Reinhard Weimar den Mord gestanden haben soll. Im April 1997 spricht das Landgericht Gießen Monika Weimar frei - aus Mangel an Beweisen. Doch im November 1998 ordnet der Bundesgerichtshof einen dritten Prozess an. Das Landsgericht Frankfurt verurteilt Monika Böttcher, die mittlerweile von Reinhard Weimar geschieden ist und ihren Mädchennamen wieder angenommen hat, erneut zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

Fast genau 20 Jahre nach dem Tod ihrer beiden Töchter hat Monika Böttcher ihre Strafe verbüßt. 15 Jahre saß sie im Gefängnis. Noch heute beteuert sie ihre Unschuld. Seit 2006 ist sie wieder auf freiem Fuß. Und Hauptkommissar Rolf Becker, der damalige Leiter der "SOKO Weimar", hält den Fall zwar für juristisch abgeschlossen. Kriminalistisch "ausermittelt" sei er aber keineswegs.

Hermann Kaufmann, der als Mitglied der "SOKO Weimar" an dem Fall arbeitete, hat beispielsweise eine eigene Vermutung, die vor Gericht nie eine Rolle spielte. Möglicherweise habe die Mutter der einen Tochter versehentlich das Zungenbein gebrochen und das andere Kind getötet, um den Unfall zu vertuschen. Ob die Wahrheit jemals ans Licht kommt, ist zweifelhaft. Denn juristisch ist der Fall abgeschlossen. Jedoch nicht für die Beteiligten: "Es gibt kaum einen Tag, an dem ich nicht daran denke oder mit meiner Frau darüber spreche", resümiert Polizist Kaufmann.

Für den Film wurden zahlreichen Zeitzeugen interviewt - Beamte der Ermittlungsbehörden ebenso wie Journalisten, darunter der Fuldaer hr-Fernsehkorrespondent Martin Angelstein, der damals die Zeitspanne von den Suchaktionen bis hin zum Mordprozess und den tumultartigen Szenen vor dem Fuldaer Landgericht miterlebte und darüber berichtete.

Der Film erzählt den Kindermord von Philippsthal und geht den verschiedenen widersprüchlichen Tatversionen nach. Erstmals äußern sich die Ermittler der SOKO Weimar detailliert vor der Kamera. Und Vater Reinhard Weimar - von nicht wenigen wird er als der Täter vermutet - schildert sein Leben nach dem Tod der Kinder. Dieses Interview wird unwiderruflich sein letzter Auftritt in der Öffentlichkeit sein, erklärt er dem Autorenteam. Neue Fakten kann der Film über den längsten Indizienprozess in der deutschen Rechtsgeschichte - in dem es deshalb nur nach Ermittlungsergebnissen und Spuren ging, weil es kein Geständnis gab - nicht liefern, wohl aber neue Fragen - und vielleicht auch noch einmal Diskussionen über die Frage "Wer war's". (hr / ma / gw) +++


Immer im Mittelpunkt der Medien...

Wie war die Stimmung damals? Autorin Erika Kimmel im Interview mit hr-Fernsehkorrespondent Martin Angelstein vor einigen Wochen ....


....Interview im Fuldaer Studio, stehend Autor Bernd Isecke...

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