"Skandalstück" völlig harmlos: "Nase, Bauch und Po" trotz Boykott erfolgreich

Das Theaterstück "animiere Kinder zu sexuellen Spielen und Selbstbefriedigung", wetterte der Aktionskreis Fulda der "Aktion Leben", eine "einseitige Ausrichtung der Sexualität auf körperliche Zusammenhänge, wie sie bei diesem Aufklärungstheater gelehrt wird, findet meine entschiedene Missbilligung", erklärte Bischof Heinz Josef Algermissen und auch Renate Schuch, 1. Vorsitzende des Diözesanverbandes der Katholischen Elternschaft Deutschland (KED), wähnte die Kinder mit "primitiver sexueller Aufklärung" konfrontiert. Alle Kritiker haben zweierlei gemeinsam: Sie sind entsetzt über das Theaterstück "Nase, Bauch und Po" - aber keiner hat es selbst gesehen.

Die Möglichkeit dazu hätten sie heute gleich zweimal gehabt, am Vormittag im Künzeller Gemeindezentrum.

Obwohl Bischof Algermissen alle katholisch geführten Kindergärten zum Boykott der Veranstaltung aufrief und ein lokales Printmedium mutmaßte, das Stück werde wohl vor einem halbleeren Saal gezeigt, ließen sich nicht viele jedoch abschrecken: 450 Kinder und Erzieherinnen aus Kindergärten und Grundschulen waren gekommen. "Da war nichts anstößiges dabei, die Informationen waren gut verpackt und den Kindern hat es Spaß gemacht. Die Reaktionen im Vorfeld waren völlig überzogen", sagte eine der Teilnehmerinnen, die Erzieherin Andrea Seeber.

Eckhard Schroll, als Leiter der Abteilung Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung der "Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung" (BZgA) hauptverantwortlich für das Theaterstück, reiste wegen des enormen Medienechos zu einer Pressekonferenz extra aus Köln ins Künzeller Gemeindezentrum. "Die Reaktion ist gänzlich neu für uns. In keiner der 57 Städte, wo wir Station gemacht haben, ist uns etwas ähnliches untergekommen". Schroll, selbst katholischer Theologe, bedauerte, dass auch niemand von den kritikübenden Organisationen kam, um sich ein eigenes Bild von dem Musiktheater-Stück zu machen.

Gerade mit dem Theaterstück wolle er Kinder schützen, sagte Schroll. Mit Aufklärung müsse man früh beginnen - mit 13 oder 14 sei dies schon zu spät. Seiner Ansicht nach seien Kinder von Geburt an sexuelle Wesen, die bereits im Kindergartenalter Fragen wie "Woher kommen die Babys?" stellen würden. Man könne die Kinder nicht mit Antworten wie "die Kinder bringt der Storch" abspeisen. Die Antworten im Theaterstück seien kindgerecht von führenden Wissenschaftlern erarbeitet worden. Außerdem: neben sexueller Aufklärung - die sensibel auf die Kinder ab vier Jahren abgestimmt worden sei - gehe es vor allem um Liebe, Freundschaft, Streit und moralische Werte.

Seit Oktober 2003 tourt das Projekt "Kinderliedertour" - das auch schon mit einem Themenkreis zu Ernährung und Bewegung erfolgreich unterwegs war - durch die Bundesrepublik. Die Resonanz sei bei den etwa 116 vorhergehenden Veranstaltung sehr gut gewesen. "Die Erzieher sind dankbar, dass kindgerechte Mittel zur Sexualaufklärung bereitgestellt werden", sagte die Diplom-Theologin Margit Hartmann, die Vorsitzende des Regionalverbandes Osthessen "donum vitae" ist, der als Mitveranstalter der Liederkonzerte fungierte. Dass man hier in Fulda hier einer so gut konzipierten Veranstaltung so ablehnend gegenüber stehe, habe sie "sehr traurig gemacht." Umfragen in Kindergärten hätten ergeben, dass gerade hier im Raum Fulda ein "enormer Bedarf an Aufklärungsarbeit" nötig sei.

Trotz intensivster Bemühungen unserer Redaktion um eine differenziertere Stellungnahme von Bischof Algermissen oder eines anderen Bistumsvertreters wollte sich heute kein einziger katholischer Repräsentant zu dem Stück und den kirchlichen Vorbehalten äußern.(jd)+++