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REGION WIELOCHS WIRRE WELT (45)

A66-Freigabe: Politiker buddeln die Straße kaputt – der junge Husky als Vorbild

19.09.14 - Oh weia, diese Nachricht ist richtig bitter: Jahrzehnte hat es gedauert, bis die Autobahn A66 zwischen Fulda und Frankfurt durchgängig befahrbar ist. Vor wenigen Tagen wurde die lang ersehnte Unterfahrung bei Neuhof freigegeben. Und jetzt das: Die Straße in diesem Autobahnabschnitt ist nicht breit genug, zudem weist die Asphaltdecke bereits tiefe Risse und Löcher auf. Anschaulich vor Augen geführt wird diese konzeptionelle Fehlplanung in Form von gefährlicher Drängelei und egoistischem Verhalten am Tag der feierlichen Inbetriebnahme. So viele Politiker, Redner, Nichtredner und Phrasendrescher, Offizielle und Inoffizielle, Mandats-, Würden- und Schirmträger, Wichtige, Unwichtige und Überflüssige sowie Staatsmänner und Staatsfrauen wollen hier beim traditionellen Zerschneiden des Bandes mit aufs Pressefoto, dass die Fahrbahn ruckzuck an ihre Kapazitätsgrenze stößt. Sie ist zu schmal. Schnell wird von Seiten der Politik der Ruf nach einem sechs- oder gar achtspurigen Ausbau laut. Doch das könne Jahrzehnte dauern.

Losgelassen zum Aufstellen für den unvergesslichen Schnappschuss hinter dem Band hechtet die Horde los wie eine Gruppe Erstklässler, der man eine Kiste Wassereis auf den Tisch stellt. Schieben, beißen, rempeln, rammen, festhalten, klammern und in den Graben schubsen, alles ist erlaubt. Denn jetzt zählt nur eine Maxime: „Wer in der Mitte steht, kann auf dem Foto später nicht abgeschnitten werden.“ Dann folgt Stufe zwei im jahrelang einstudierten Politiker-Einweihungs-ABC: Grinsen auf Knopfdruck. Nicht nur für Sekunden, sondern notfalls minuten- oder gar stundenlang, bis auch der letzte Presse-Depp endlich eine leere Speicherkarte in seine Digitalkamera eingelegt hat. Der Plutonium-Brotaufstrich am Morgen garantiert ein strahlendes Lächeln ein Politiker-Leben lang.

Während oben gegrinst wird, als hätte man beim Samstags-Lotto den Jackpot geknackt, bearbeiten sich die politischen Widersacher dezent, dafür aber vehement, am Boden und hinter dem Rücken. Nicht nur die Schere des Gegners im Kreuz, auch ein Damenabsatz auf den eigenen Zehen kann höllische Schmerzen verursachen. Und diese lassen erst nach, wenn der Kollege die Zusage für die Fördergelder aus Wiesbaden oder Berlin oder die Unterstützung für den angestrebten Karrieresprung zugesagt hat.

Kaum ist auf der neuen A66 das Band zerschnitten, rennen die Volksvertreter so aufgedreht zu ihren Autos wie junge Huskys zu ihren Schlitten. Kofferraum auf, Gummistiefel an, Spaten raus und zurück auf die Fahrbahn. Bei einer offiziellen Einweihungszeremonie gehört Buddeln dazu. Politiker mit Spaten, das kommt im Fernsehen und auf Fotos richtig klasse rüber. Problem: Die Autobahn und der Tunnel sind fertig, hier gibt es kein weiches Erdreich, in das man den Spaten medienwirksam reinhauen könnte. Den Protagonisten ist das egal. Im Sekundentakt knallen sie die Metallschaufeln auf die Fahrbahnoberfläche, bis der Asphalt spritzt. Die persönlichen Referenten heben am Straßenrand den Daumen: „Das machst du toll!“ Nicht nur Huskys brauchen Lob. Und dann kommt das Zeichen: „Grinsen, das Grinsen nicht vergessen!“

Nach einer halben Stunde ist diese Disziplin im strömenden Regen beendet. Wie beim Husky sind auch beim Politiker die Kraftreserven nicht unendlich. Glücklich steht jeder Volksvertreter in seiner ausgehobenen Grube wie ein Kleinkind im Sand am Nordseestrand und triumphiert: „Meine ist tiefer!“ Bei den Besten ragt nur noch der Kopf heraus. Im Internet kann man lesen: „Diese Rasse buddelt sehr gerne. Das kommt vom Instinkt, kann aber auch ein Zeichen von Langeweile sein.“ Beim Husky. Beim Politiker aber auch.


HINTERGRUND:

„Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 45. Freitag in Folge bei OSTHESSEN|NEWS. Jochen Wieloch (38) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 38-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor. +++


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