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REGION WIELOCHS WIRRE WELT (47):

„Besitzbare Gemeinde“: Petersbergs Bürger brauchen ein ganz dickes Fell

03.10.14 - Professor Bernhard Meyer kann sich seit Tagen ein Dauergrinsen nicht verkneifen: Die Wette mit seinem Nachbarn hat er gewonnen, zudem die Gemeinde Petersberg um 50.000 Euro erleichtert. Seit Jahren lagerte der Prof. jede Menge Gerümpel in seinem Schuppen, unter anderem bergeweise ausrangierte Poller, die Autofahrer gerne übersehen, einen alten Katzen-Kratzbaum und Getränkekisten. In der Silvesternacht hatte Meyer mit seinem Kumpel aus einer Bierlaune heraus gewettet, dass der Plunder bei ihm kostenlos abgeholt wird. Was er damals noch nicht ahnen konnte: Ein nicht zurechnungsfähiger Zeitgenosse sollte in den Sperrmüll sogar eine hohe fünfstellige Summe investieren.

Bei Ebay wollte die Straßenpoller niemand haben. Auf Zeitungsanzeigen reagierte ebenfalls kein Mensch. Der Bauhof winkte dankbar ab. Während einer Kaffeefahrt lernte der Professor dann zufällig Petersbergs Bürgermeister Karl-Josef Schwiddessen kennen. Der redete permanent davon, sich auch bei den älteren Einwohnern seiner Gemeinde ein Denkmal setzen zu wollen, nachdem er dem Nachwuchs einen Luxus-Kindergarten geschenkt hatte. Meyer reagierte prompt: „Besitzbare Gemeinde“, schlug er dem Rathauschef vor, weil man ihm gerade einen faltbaren Campinghocker andrehen wollte. „Sitzplätze für Senioren, egal, ob die sitzen können, wollen oder nicht“, konkretisierte er sein zwischen Heizdecke-, Wasserkocher- und Vitaminpräparat-Präsentation binnen zwei Sekunden erdachtes Konzept. Schwiddessen schlug sich vor Begeisterung auf die Schenkel, zückte einen Scheck, trug 50.000 Euro ein und gab dem Professor grünes Licht.

In den vergangenen Wochen waren Mitarbeiter der Gemeinde rund um die Uhr damit beschäftigt, Meyers Schuppen-Schätze auf dem Gemeindegebiet einzubetonieren und als Sitzmöglichkeit anzupreisen. Sitzkomfort auf den Pollern: Schieben Sie sich ein Nudelholz aus Beton in den Hintern, dann kennen Sie das Gefühl bzw. Gestühl. „Da muss man schon ein verdammt dickes Fell haben, um seinen Hintern darauf platt zu sitzen“, erklärte ein Petersberger Rentner. Viele fühlen sich nach einer Sitzprobe „verarscht“.

Trotz aller Kritik aus der Bevölkerung: Der Bürgermeister findet das neue Mobiliar spitze. Den schrottreifen Katzen-Kratzbaum, vom Professor unter dem Slogan „Senior-Climbing“ angepriesen, hält Schwiddessen für ein „ästhetisches Kunstwerk, das mehreren Senioren gleichzeitig die Möglichkeit gibt, auf unterschiedlichen – auch intellektuellen – Ebenen ihre kletterischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und sitzend, hängend und liegend in den Dialog zu treten“.

Gegenüber dem Hessischen Rundfunk hatte der Rathauschef diese Woche erklärt: „In erster Linie geht es ja nicht um das Sitzen, sondern um das Verschnaufen.“ Das wiederum beruhigt viele Bürger der Gemeinde, die nicht zuletzt beim Anblick der in Höhe der Liobakirche einbetonierten Satelliten-Schüssel-Halterung atemlos sind, die der Professor ebenfalls ausrangiert hatte.

Ganz vorne im persönlichen Bürgermeister-Ranking liegt jedoch der „Cubism Seat“. Kosten pro Einzelstück: 1.500 Euro. „Konsequente Leichtbauweise, zeitlos, abgerundete Kanten, Hochglanz-Lackierung, gelungene Symbiose aus Sportlichkeit und Eleganz“, nennt Schwiddessen nur einige wenige Vorzüge des Sitz-Quaders. Was ihm im Gegensatz zur Bevölkerung nicht aufgefallen ist: Es handelt sich um eine stinknormale handelsübliche 12 x 0,75-Liter-Getränkekiste. Vielleicht liegt’s daran, dass die Flaschen fehlen. In der Kiste, nicht im Rathaus… (Jochen Wieloch)

HINTERGRUND:

„Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 47. Freitag in Folge bei OSTHESSEN|NEWS. Jochen Wieloch (38) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 38-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor. +++


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