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Reentko Dirks, Giora Feidman, Guido Jäger und Ben Becker nehmen den begeisterten Schlussapplaus entgegen. - Fotos: Gudrun Schmidl

BAD HERSFELD Hommage an Paul CELAN

Ben BECKER und Giora FEIDMAN begeistern „Zweistimmig“ in der Schildehalle

24.11.14 - Beide gelten sie als Meister ihres Fachs. Giora Feidman, der Magier mit der Klarinette, ist eine Bühnenpersönlichkeit mit glaubwürdiger Botschaft. Nach Jahren als Mitglied im Israel Philharmonic Orchestra entdeckte er den Klezmer, die Musik der osteuropäischen Juden. Der von ihm geprägte „Jewish Soul!“ machte ihn weltweit bekannt. Der bekannte Schauspieler, Regisseur, Autor, Sänger und Erzähler Ben Becker hat sich selbst zu einer etablierten, eigenständigen und unverwechselbaren Marke entwickelt. Die beiden Ausnahmetalente kennen sich seit Jahren. Schon lange trugen die zwei, die vom Alter her Vater und Sohn sein könnten, die Idee eines gemeinsamen Programms mit sich herum, die nun Wirklichkeit wurde.

Unter dem Titel „Zweistimmig“ präsentierte die Agentur „talentopia“ am Samstag gemeinsam mit der „Gesellschaft der Freunde der Stiftsruine“ und der „Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit“ in der Schildehalle in Bad Hersfeld Ben Becker und Giora Feidman mit ihrer Hommage an den Schriftsteller Paul Celan. Nach Angaben des Veranstalters lauschten rund 400 Besucher der „Gedichtkunst in schmerzlich schöner Sprache“, die von Beckers atemberaubender, markanter Bass-Stimme zum Leben erweckt wird.

Paul Celan wurde in Deutschland bekannt durch den Gedichtband „Mohn und Gedächtnis“, der als eine der bedeutendsten Gedichtsammlungen der deutschen Nachkriegslyrik bewertet wird. Der Zugang zu den Gedichten ist, nicht zuletzt aufgrund der metapherreichen Sprache, schwer. Ein einzelnes Beispiel dafür ist die in ihrer Kühnheit bekannt gewordene Metapher, mit der sein bekanntestes Gedicht „Todesfuge“ einsetzt. „Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends/Wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts (…)“. In diesem Gedicht, das als eines der Schlüsselgedichte des 20. Jahrhunderts gilt, erhebt Paul Celan eine Klage über die unmenschliche Verfolgung und die grausame Tötung der Juden im Deutschland des Nationalsozialismus, die sich im Verlauf des Gedichts immer mehr zur Anklage verdichtet, in dem er mit der mehrmals wiederholten Aussage „der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ den Verursacher, den Schuldigen nennt.

Helgo Hahn, Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde der Stiftsruine, im Gespräch ...

Paul Celan, der am 23. November 1920 als Paul Antschel in Czernowitz als einziger Sohn einer deutschsprachigen jüdischen Familie geboren wurde, machte schon in frühen Jahren Bekanntschaft mit dem europäischen Antisemitismus, der ihn bis zu seinem Tod nicht mehr losließ und prägend für sein Werk und seine Lebensweise wurde. Vor allem die Deportation und der Tod seiner Eltern hinterließen tiefe Spuren. Ben Becker trug Celans Gedichte akzentuiert, raunend, jedoch mit theatralischen Gesten, vor. Die Stimme ist so dunkel wie der Raum. Die Zuhörer spüren eine beklemmende Atmosphäre, die jeden mit eisernen Klauen zu umgreifen scheint. Giora Feidmans Klarinette und die Instrumente seiner kongenialen Begleiter -Reentko Dirks an der Gitarre und Guido Jäger am Kontrabass – verstärken diesen Eindruck, in dem sie unglaublich beeindruckend in einen musikalischen Dialog treten. Durch diese Zweistimmigkeit von Wort und Musik entsteht eine neue Einheit.

Ben Becker hauchte nicht nur Celans Gedichten, in denen sich bittere Kritik mit sehnsüchtiger Utopie verbinden, Leben ein, sondern ließ auch das Leben von Paul Celan Revue passieren, bediente sich dabei des Briefwechsels zwischen dem Dichter und seiner Ehefrau Giséle, seinem Sohn Eric und seiner langjährigen Geliebten Ingeborg Bachmann. Während seines Aufenthaltes in einer psychiatrischen Klinik am Stadtrand von Paris entstehen Gedichte, die Bilder enthalten wie „Eiskummerfeder“, „flutender Mop“ oder „Bewusstseins-Schotter“, die für sich sprechen. Vermutlich am 20. April 1970 springt Celan von einer Brücke in Paris und ertrinkt – obwohl er ein guter Schwimmer war – in der Seine. Zuhause auf seinem Arbeitstisch findet man eine aufgeschlagene Hölderlin-Biographie mit der unterstrichenen Stelle: „Manchmal wird dieser Genius dunkel und versinkt in den bitteren Brunnen seines Herzens“. Den Rest des Satzes markiert Celan nicht: „Meistens aber glänzet sein apokalyptischer Stern Wermut wunderbar“.

Stehende Ovationen für die Protagonisten auf der Bühne, die mit einem einzigartigen Programm berührten und begeisterten.(Gudrun Schmidl) +++


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