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- Fotos: Konstantin Müller

MINI-SERIE (2/2) Auf einen Kaffee in der Ex-Knacki-WG:

„Mit fast 50 Jahren auf dem Buckel, hast du keine Wünsche mehr“

23.01.15 - „Döner ist der Klassiker. Jeder will wieder Döner essen, wenn er aus dem Knast kommt. Viele träumen sogar davon. Bei mir war das anders. Als ich entlassen wurde, bin ich zur Tankstelle und wollte ,richtige‘ Zigaretten rauchen. Nix Gedrehtes. Also habe ich mir eine Packung John Players gekauft, im Knast gibt’s nur Camel, Marlboro und West – das sind keine Zigaretten für mich. Als ich also an der frischen Luft war und meine John Player geraucht habe, wusste ich: Ich bin ein freier Mann.“

Für viele Inhaftierte gebe es nur ein Ziel im Gefängnis: Die Zeit bis zur Entlassung stupide absitzen. Lukasz hat sich stets bemüht, das Beste aus seiner Situation zu machen. Am 25. November 2014 hatte er schließlich seine drei Monate Haftzeit hinter sich gebracht und wurde in die Freiheit entlassen: Die JVA Hünfeld unterstützte Lukasz, sie ist an dem Projekt Übergangswohnen für Haftentlassene beteiligt. „Direkt am Tag meiner Entlassung habe ich die Ehre gehabt, von einem Sozialpädagogen der Caritas abgeholt zu werden. Danach fuhren wir direkt in meine neue Bleibe am Fuldaer Aschenberg.“

Diese Freiheit blieb Lukasz drei Monate verwehrt: Der Blick von seinem Balkon ...

Hier hat Lukasz alles was er braucht: Die Küche ist groß und mit Waschmaschine, Mikrowelle und einem Backofen ausgestattet. Toilette und Bad sind separat voneinander getrennt. Die zwei weiteren Zimmer sind noch verschlossen. Der Ex-Häftling wünscht sich vor seinem Auszug noch einen weiteren Mitbewohner. Er ist nicht gern alleine. In seinem Zimmer schläft er nur, tagsüber ist er viel unterwegs, am Wochenende besucht er seine Schwester in Schlüchtern. Zu ihr hat er ein gutes Verhältnis. Seine zuständige Betreuerin Anja Hemken besucht Lukasz regelmäßig, sie unterstützt ihn bei Wohnungs- und Jobsuche. „Das ist auch gut so“, sagt der Ex-Häftling, „bei uns in Oberschlesien damals waren Frauen immer die Bestimmer, die Finanzminister. Ich bin arbeiten gegangen und meine Frau hat sich damals um alles andere gekümmert. Als ich mich 2004 von meiner Frau getrennt habe, musste ich erstmal alleine klar kommen. Jetzt habe ich Anja, sie hilft mir.“

Auf die Frage hin, was sich Lukasz von der Zukunft erhofft, reagiert der Ex-Häftling nüchtern. „Ich würde alles machen, ganz egal was. Ob Schnee schieben oder Straße kehren - Hauptsache Geld verdienen und weg von dem ganzen Scheiß. Mit fast 50 Jahren auf dem Buckel hast du keine Wünsche mehr.“ 35 Bewerbungen hat er bereits verschickt – bisher ohne Aussicht auf einen Job. „Heute ist alles anders. Vor 20 Jahren habe ich einfach gefragt, ob ich mitarbeiten kann, dann ging das in Ordnung. Heute muss man ja alles von sich preisgeben, sich nackig machen wie Heidi Klum!“ Hilfe bekam er von seinem 26-jährigen Neffen. „Der hat meine Bewerbungen so schön gemacht… die kann man fast als Gemälde verkaufen.“

Lukasz „Ding“ ist es, einfach morgens um sechs Uhr aufzustehen und „zu machen“, Papierkram liege ihm nicht. Mit seiner Vergangenheit hat er keine Probleme, der Ex-Häftling geht offen mit seinem Schicksal um. Jetzt gilt es, bis zum 24. Mai so gut es geht auf eigenen Beinen zu stehen. „Wenn es schwierig wurde, habe ich alles stehen und liegen lassen und bin geflüchtet, das mache ich heute nicht mehr.“(Konstantin Müller)+++


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