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400 Bürger informierte sich über die geplanten Flüchtlingsunterkünfte in Neuhof. - Fotos: Christian P. Stadtfeld

NEUHOF "Unsere Gemeinde ist weltoffen"

Hitzige Diskussion um Flüchtlings-Unterkünfte - 400 Bürger wollen Informationen

18.03.15 - Sie kommen nach Deutschland und haben große Angst vor der Ungewissheit, Angst vor dem Verhungern, sie fürchten um ihr Leben. „Die Flüchtlinge sind ganz normale Menschen. Wir müssen gut miteinander umgehen und aufeinander zugehen“, rief die evangelische Pfarrerin Annika Wölfel den fast 400 Bürgern im Neuhofer Gemeindezentrum (südlicher Kreis Fulda) zu. Der kleine Festsaal platzte am Dienstagabend aus allen Nähten. Kommune, Landkreis und Caritas hatten zu einer Informationsveranstaltung eingeladen um über die geplanten Flüchtlingsunterkünfte in der Schachtstraße zu berichten. Fast zwei Stunden wurde intensiv informiert und scharf diskutiert. Der Saal bebte: Befürworter und Gegner, darunter auch Anhänger der rechten Szene, gaben sich das Wort. Wildes Durcheinanderbrüllen beendete Erster Beigeordneter und Moderator Franz-Josef Adam mit den Worten: „Das lasse ich nicht zu.“

Bürgermeisterin Maria Schultheis (CDU) machte unmissverständlich klar: „Unsere Gemeinde ist weltoffen. Diese Menschen kommen aus Kriegsländern. Wir müssen ihnen unsere Hilfe anbieten.“ Nochmals verurteilte die Rathauschefin auch die im Ort kursierenden Hetz-Flugblätter. Schultheis erhielt kurz vor der Versammlung sogar eine anonyme E-Mail: „Der Inhalt ist unter der Menschenwürde und zieht einem den Boden unter den Füßen weg.“ Man müsse sich fragen, ob der Absender kriminell sei. Neuhof wehrt sich dagegen, denn die Gemeinde sei mit 240 ausländischen Bürgern aus 42 Nationen bunt.

Die Stühle im Saal reichten nicht aus.

Ansturm auf das Gemeindzentrum.

Bürgermeisterin Maria Schultheis.

Vertrag mit Pflichten – Was passiert mit Mieterin Anetta B.?

Die bis zu 70 Asylbewerber werden ab Mai / Juni drei Wohnblocks mit insgesamt 18 Wohnungen (jeweils 60 Quadratmeter) in der Neuhofer Schachtstraße beziehen. „Wo sie genau herkommen, wissen wir noch nicht. Es sind Familien und Alleinstehende“, sagte Jürgen Stock, Fachdienstleiter vom Amt für Arbeit und Soziales beim Landkreis Fulda. Der Investor aus Petersberg, der bereits drei weitere Unterkünfte in den Landkreisen Fulda und Vogelsberg betreibt, renoviert die Häuser derzeit. Sie müssen bestimmte Kriterien erfüllen: Toiletten, Duschen, Gemeinschaftsküchen, Betten, Schränke, Sitzplätze, Handtücher, Bettwäsche und Geschirr. „Der Eigentümer hat die notwenige Erfahrung. Wir haben mit ihm im Februar einen entsprechenden Vertrag gemacht, der ihn auch an Pflichten wie die Einstellung eines Hausmeisters bindet.“

Am Dienstagabend war der Investor nicht anwesend. Er sei krank, hieß es. Und deshalb konnte das begründete Anliegen von Anetta B. nicht geklärt werden: „Was ist mit mir? Ich wohne einem der Häuser und habe aus der Rundschau erfahren, dass hier eine Asylunterkunft entstehen soll. Ob ich als Deutsche noch hier wohnen kann, weiß ich nicht.“ Die Offiziellen am Podium wussten davon nichts und kündigten an, mit dem Eigentümer zu sprechen und sich um die Sorgen der Dame zu kümmern. „Zwangsräumung“ rief währenddessen eine Stimme aus dem Publikum.

Jürgen Stock, Fachdienstleiter vom Amt für Arbeit und Soziales beim Landkreis Fulda. ...

„Wenn es Probleme gibt, werden sie gelöst.“

Viele kritisierten die mangelnde Politik der Verantwortlichen. Der Durst nach Informationen war bei den Bürgern groß, teilweise aber auch unterirdisch: Wer finanziert die Wohnungen? Was muss der Landkreis bezahlen? Und wo werden die Ausgaben eingespart? Ein Flüchtling koste pro Monat zwischen 750 und 850 Euro, 600 Euro davon kommen vom Land. „Die Differenz hängt beim Landkreis. Aber es werden keine Projekte deshalb vernachlässigt“, beruhigte Jürgen Stock. Weitere Fragen: Wie ist das mit der Verpflegung? Wie viel Geld verdient der Besitzer an dem Haus? Wer ist Ansprechpartner wenn es Probleme gibt? Dann fielen die Stichwörter Kriminalität und Angst. „Wenn man die Menschen als Menschen sieht, gibt es keine Probleme“, so die jahrelangen Erfahrungen von Sozialarbeiterin Najiba Kohestani. Und Stock ergänzte: „Wenn es Probleme gibt, werden sie gelöst.“

Caritas-Geschäftsführer Christian Reuter kam mit seinen Kollegen Werner Althaus und David Rübsam nach Neuhof. Er sprach von einer „schwierigen Thematik“, aber alle Erfahrungen bisher seien positiv. Sein Team sei breit aufgestellt und er versicherte, dass ein Sozialpädagoge in Neuhof eingesetzt werde. „Wir kümmern uns zwar um die Flüchtlinge, aber es ist auch eine Gemeinschaftsaufgabe.“ Einige Bürger haben bereits das erkannt: sie wollen den Flüchtlingen helfen, sich zu integrieren, ihnen Hilfe und soziale Kontakte anbieten. Grünen-Fraktionschef Josef Benkner rief auf: „Es ist Zeit ein deutliches Zeichen zu setzen. Ich stelle mir vor, die Menschen hier in Neuhof herzlich willkommen zu heißen und ein Fest zu veranstalten.“

Caritas-Geschäftsführer Christian Reuter

Werner Althaus vom Caritas-Verband und für die Betreuung von Flüchtlingen zuständig. ...

Aktuelle Situation von Flüchtlingen in der Region Fulda

„Wir müssen die Asylbewerber nicht nur aufnehmen, sondern uns auch um sie kümmern“, erklärte Stock. Bundesweit habe man 2014 über 200.000 neue Flüchtlinge registriert. „Sie werden nach Einwohnerzahl und Steuereinnahmen auf die einzelnen Bundesländer verteilt.“ Man spreche vom „Königssteiner Schlüssel“. Für Hessen bedeute das konkret: 7,3 Prozent alle Flüchtlinge in der Bundesrepublik kommen nach Hessen. Über die Erstannahmestelle in Gießen, ein ehemaliges Kasernen-Gelände, werden sie verteilt.

Das Aufnahmesoll im Kreis Fulda für das erste Quartal 2015 wiederum: 4,35 Prozent, also 261 Personen. „Mittwochs ist Zuweisungstag. Wir bekommen jede Woche 20 bis 30 Flüchtlinge. Eine Herausforderung ist dann die Unterbringung, denn erst kurz vorher erfahren wir, ob es sich um Familien oder Alleinstehende handelt.“ Stock wagte eine Prognose und berichtete von etwa 1.200 Asylbewerbern im Jahr 2015. Die Hälfte komme aus Eritrea, Syrien und Somalia. Wichtige Partner für die Betreuung sind die sozialen Organisationen AWO, Caritas, Grümel und Deutsches Rotes Kreuz. (Christian P. Stadtfeld). +++

Das Neuhofer Gemeindezentrum am Dienstagabend.

Jürgen Stock vom Landkreis Fulda.

Kreisbeigeordneter Alfred Gesang mit Pfarrer Dr. Dagobert Vonderau und Pfarrerin Annika Wölfel. ...

Erster Beigeordneter Franz-Josef Adam (li.) und Grünen-Fraktionschef Josef Benkner. ...


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