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Orangen tragen ist für die EInheimischen eine leichte Übung. Ich bin noch Neuling -

HAUNETAL / AFRIKA SIEBTE ETAPPE WETZLOS-KAPSTADT

Afrika-Tour: JOSHUA (23) mit dem Bike in Kamerun - "Wir sind alle Menschen"

ÜBER JOSHUA UND SEINE TOUR DURCH AFRIKA:Joshua Steinberg ist 23 Jahre alt und lebt in Wetzlos, einem Ortsteil von Haunetal im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Er ist bereits seit mehreren Monaten mit seiner 26 Jahre alten Enduro auf großer Tour durch Afrika und setzt sich als DRK-Botschafter ein. Regelmäßig schickt Joshua Text und Bilder von unterwegs und bietet so den O|N-Leser einen fantastischen Eindruck seiner Reise. Die Berichte zu den Etappen eins bis fünf gibt es unter Mehr zum Thema. Details gibt es außerdem hier: Internetseite von Joshua hier klicken

19.04.15 - "Wir biegen von der traumhaften Asphaltstraße am Fuße der Obudu Mountains in eine unscheinbare Piste ein. Die ersten Kilometer lassen sich entspannt durch kleinere Wäldchen und Orte rollen. Im ersten etwas größeren Ort stoppt uns die Youth Miliz relativ aggressiv nachdem wir zuvor ihre “Halt” Rufe ignoriert haben. Sie knöpfen uns eine kleine Gebühr für die angebliche Straßeninstandhaltung ab. Tatsächlich wird die Piste von der Regierung nicht gefördert und muss zum Schmuggeln von Waren und für Verwandtenbesuche von den Einheimischen, meist beschäftigungslosen Jugendlichen, instandgehalten werden.

Vor der Grenze werden wir von ein paar auf einem Baumstamm sitzenden älteren Herren zum Halten aufgefordert. Auf den zweiten Blick erst sind sie anhand der sehr kleinen Marke auf ihrer Alltagskleidung als Polizisten zu erkennen. Sie stempeln die Pässe ordnungsgemäß ab und wir halten noch ein kleines Schwätzchen. Die Route wird jetzt zwischen den beiden Ländern deutlich schlechter und Gerd hat mit seiner schweren GS Probleme die Gräben und Steine zu umzirkeln. Es kommt zu zahlreichen Stürzen die letztendlich zu einem Leck in der hydraulischen Kupplungsleitung führen. Wir schlagen bereits gegen Mittag unweit der Unfallstelle unser Lager an einem schönen Fluss auf.

Wir lernen viele nette Schmuggler kennen, die alle möglichen günstigen Waren mit ihren kleinen Bikes von einem Land ins andere transportieren. Ohne Zoll versteht sich. Viele gehen auch von Kamerun aus nach Nigeria um zu arbeiten, da dort angeblich besser bezahlt wird. Man trifft auch viele Frauen die ihre geschätzten 15 Kilogramm schweren Säcke mit Orangen und Bananen auf die Märkte in die nächsten größeren Orten tragen, teilweise 20 Kilometer weit. Nach kurzer Zeit sind wir bereits auf der ganzen Route bekannt. Ich schwinge mich nochmal auf die XT, um in Akwaya, der ersten Stadt in Kamerun einige Lebensmittel für das Abendessen einzukaufen.

Unglücklicherweise säuft die XT direkt bei der ersten Flussfahrt ab. Folglich schwinge ich mich aufs nächste Motorradtaxi. In Anbetracht der untergehenden Sonne wird ein zügiges Tempo an den Tag gelegt. Der junge Fahrer kennt jeden Stein, jede Rinne und jede Kurve auf “seiner” Piste. An der Grenze zeigt der nette Polizist Verständnis für unsere Situation und lässt mich problemlos ohne offiziellen Papierkram passieren. Bei meiner Rückkehr ist schon für Feuerholz gesorgt. Wir kochen ein paar Spaghetti, setzen uns ans Feuer und reden die halbe Nacht. Morgen ist schließlich nicht allzu früh mit dem jungen Biker zu rechnen, der uns Hydraulikflüssigkeit vorbeibringen möchte.

Gerd-und ich auf der Cattle Ranch Road

Joseph

Route nach Bamenda

Nachdem das Leck geflickt ist haben wir ohne Entlüften auf wundersame Weise wieder einen Druckpunkt und auch die XT läuft wieder einwandfrei nach ihrem kleinen Bad. Wir kommen heute ganze 10 Kilometer weit, bevor sich der Lenkkopf der BMW verzieht und neu eingestellt werden muss. Nachdem das mit meinen unpassenden Werkzeugen nach einiger Zeit geschehen ist, lohnt es sich nicht mehr weiter zu fahren und wir schlagen wieder unser Lager auf, diesmal bei einer kleinen Tischlerei. In 2 Tagen haben wir ca. 25 Kilometer zurückgelegt. Unsere Rücklagen der lokalen Währung schwinden, als ich wieder nach Akwaya fahre, um Wasser zu kaufen.

Die Möglichkeit Geld zu tauschen gibt es erst in dem 120 Kilometer entfernten Bamenda. Die Familie der Tischlerei lebt in einfachen Verhältnissen, doch reicht es, um uns etwas Reis mit Bohnen und Holz fürs Feuer zu geben. Wir gehen früh schlafen. Morgen sollten wir die nahe Grenze schaffen. Es scheint nun endgültig jeder mitbekommen zu haben, dass wir auf der Route unterwegs sind. An jeder Engstelle hat irgendein Anwohner eine Schaufel und ein paar Äste als Schranke auf die Straße geschmissen und möchte etwas Geld für die Straßenerhaltung haben. Nach ein wenig Diskussion dürfen wir jedoch immer gratis passieren.

Balanceakt

Die Strecke zieht sich und nach drei Stunden stehen wir ziemlich geschafft an der Grenze. Nichts ahnend, dass wir noch etwas länger stehen werden. Der nette Polizist der beiden vorherigen Tagen ist verschwunden und an seiner statt hat der Chef persönlich den Posten eingenommen. Er scheint zu glauben, dass er etwas Geld für den Stempel und das Öffnen der Schranke abgreifen kann. 500 Dollar hätte er gerne. Ich bringe ihm schonend bei, dass das hier keine Verhandlung wird und er nicht einen Dollar bekommt. Außerdem werde ich jetzt seinen Vorgesetzten suchen. Warum mit Hänschen reden, wenn man Hans kennt.

Gerd bleibt mit den Bikes an der Grenze. Hans ist in diesem Fall der Stadtmagistrat von Akwaya, zu dessen Haus mich eine nette Bananenverkäuferin, welche ich am Vortag kennenlernte, führt. Man lernt sich nach etwas Händeschütteln schnell kennen. Ich habe die Sympathie nun auf meiner Seite. Der Assistent des Magistrats wird sogleich mit mir geschickt um für Ordnung im kleinen Städtchen zu sorgen. Nach 30 Minuten Spaziergang wird an der Grenze verhandelt. Alle Ausreden des Polizisten helfen nichts und wir passieren die Grenze nach kurzer Zeit mit offiziellem Stempel und ohne einen Cent zu bezahlen. Die Sonne schickt sich schon wieder an hinter den Hügeln zu versinken. Wir schaffen noch ein paar Kilometer und schlagen unser Lager direkt an einem größeren Fluss auf.

Ich springe mit den Einheimischen von den naheliegenden Felsen in die Becken des Flusses. Mit den ersten Mücken entzünden wir in der Dämmerung ein Feuer, um die Plagen fern zu halten. Die Jungs vom Klippenspringen bringen uns eine Papaya zum Abendbrot. Mit Kopfschmerzen und etwas Übelkeit lege ich mich früh auf die Matte. Mit der Hoffnung auf eine Besserung der Pistenverhältnisse sind wir optimistisch heute etwas schneller voranzukommen. Nach den ersten schönen Kilometern allerdings wird es immer steiler und felsiger. Wir machen 10 Kilometer gut, als sich der der schlauchlose Reifen der BMW von der Felge schiebt. Völlig luftleer ist das Heck der BMW nicht mehr unter Kontrolle zu bringen und ein Sturz vorprogrammiert.

Die netten Grenzhelfer

Der Kupplungshebel bricht, der Lenker verstellt sich und den Tubeless Reifen bekommt man ohne anständigen Kompressor auf keinen Fall wieder ins Felgenbett gedrückt. Gerd quartiert sich in der nächsten kleinen Siedlung ein. Unterdessen versuche ich Bamenda zu erreichen um einen Truck für die BMW und Geld für die Verpflegung zu organisieren. Nach kurzer Zeit geht mir zu allem Überfluss noch der Saft und die Kraft aus und ich stehe mitten in der Pampa. Mein Bewusstsein verlässt mich für kurze Zeit. Zwei einheimische Biker halten an und füllen etwas von ihrem Sprit in meinen Tank. Ich erklimme die XT und nehme alle Kraft zusammen. Sie wacht zuverlässig wie immer auf und mit dem Sound des Motors läuft auch der Kreislauf wieder einigermaßen.

Mit Eskorte geht es in den nächsten Ort zum einzigen "Hotel". Das Zimmer ist kostenlos. Eine Zelle mit vier Quadratmetern, ohne Licht oder Fenster, geschweige denn ein Moskitonetz. 300 Meter zur nächsten Toilette und kein Wasser. Internet oder eine Telefonverbindung ist hier nicht verfügbar. Dafür aber jede Menge Mücken und Schaben. Die Nacht wird hart. Da ich aus den Symptomen nicht schlau werde, kann ich mich schwerlich selbst behandeln. Ohne ausgewogene Ernährung und sauberes Wasser ist eine Besserung meines Zustandes kaum zu erwarten. Am nächsten Morgen kann ich den Hotelbesitzer überzeugen mit seinem alten Toyota Landrover Gerd zu suchen. Auf halbem Weg versagt der Motor und wir müssen in der Hitze zurücklaufen.

Gerd fliegt durch die Serpentinen

Ob die Brücke das aushält?

Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen sind die Folge. Der Appetit ist völlig verschwunden und ich drücke mir mit Mühe einen Teller Reis rein. Es hat sich rumgesprochen, dass ich Hilfe brauche und es kommt mich einer der lokalen Moppedtaxifahrer in meinem Zimmer besuchen. Er bietet sich an Gerd zu suchen und zu mir zu bringen. Gegen Nachmittag kommen beide tatsächlich an, der Transport der GS ist auch schon organisiert. Da es hier keine medizinische Versorgung gibt, ist die Mission klar. Wir müssen nach Bamenda. Ich bin heilfroh jemanden bei mir zu haben  der die Situation versteht und, wie Gerd mir später erklärt, zur Not einen Helikopter organisiert hätte um mich dort hinaus zu fliegen.

Unter Einsatz aller meiner Reserven, ein paar Bananen und etwas Schmerzmittel wird die Maschine getankt und angeworfen. Sie trägt mich in fünf Stunden tatsächlich über 100 Kilometer  bis nach Bamenda. Dicht gefolgt von Gerd auf dem Mototaxi. Gerd gibt mir ein Hotel aus und die nächsten Tage wird geschlemmt um die 5 Kilogramm Gewichtsverlust der letzten Tage auszugleichen. Mit Hilfe des in Deutschland ausgebildeten Hotelmanagers Josef, finden wir eine sehr gute Klinik in Bamenda. Ein in Heidelberg ausgebildeter Arzt nimmt sich meiner an und hört sich erstmal alle meine Symptome an. Die Behandlung übernimmt dann Mafu Foma, eine sehr kompetente einheimische Ärztin, die in Amerika studiert hat.

Helfer fanden uns überall

Ich bekomme schnell die Erklärung für meine gesundheitlichen Probleme. Malaria, Typhus und eine akute Bronchitis habe ich mir durch das dreckige Wasser und die mangelnde Hygiene in Nigeria eingefangen. Eigentlich sollte man damit kein Motorrad mehr fahren, teilt mir die Ärztin mit. Nach ein paar Antibiotika Injektionen und jede Menge Tabletten, sowie ausgewogener Ernährung und viel Schlaf ,kehrt die Kraft bereits nach den ersten Tagen in Bamenda wieder zurück.

Einer unserer Schlafplätze im Busch

Ohne die Hilfsbereitschaft der Menschen hier hätte die Situation wesentlich brenzliger werden können. Die vielen Papayas, die uns gebracht wurden, als unser Essen knapp wurde. Die Verpflegung die Gerd in dem kleinen Ort nach dem Defekt seiner GS genießen durfte. Das nahezu kostenlose "Hotel“ und die vielen Helfer die mich dort mit Obst und Reis versorgt haben. Die beiden Biker, die ihren Sprit mit mir teilten und mich zum Hotel eskortierten. Der Taxifahrer, der Gerd gefunden hat und die Piste bis nach Bamenda zu zweit auf dem kleinen China Bike gefahren ist. Josef, der mich den Ärzten vorgestellt und zur Untersuchung und Apotheke chauffiert hat. Und all das war nie eine Frage des Geldes. Wenn ich hier frage warum man uns hilft, bekomme ich erklärt: "Nous sommes tous l`hommes", Wir sind alle Menschen. +++

Grenze- Am anderen Ufer beginnt Kamerun


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