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Für ein Foto ist gerade noch Zeit, dann muss sie zurück zur Probe in die Stadthalle -

BAD HERSFELD Festspiel-Stars im Portrait (2)

Musical „Cabaret“ mit historischer Besetzung: Judy WINTER überzeugt in jeder Rolle

HintergrundIn dieser Reihe stellt OSTHESSEN|NEWS wöchentlich einen oder mehrere Festspiel-Stars der Spielzeit 2015 im Portrait vor. Wir haben die Darsteller in der Festspielstadt besucht und mit ihnen über ihre Rollen, Bad Hersfeld und andere Highlights gesprochen.

22.05.15 - "Ich kann wirklich nur schwärmen“, beschreibt Judy Winter die harmonische wie auch kreative Zusammenarbeit mit Regisseur Gil Mehmert - „ich bewundere seine Augen, seine Ohren- überhaupt seine hohe Sensibilität“ - und dem ganzen hochkarätig besetzten Ensemble, in dessen Mitte sich die vielseitige Künstlerin offensichtlich sehr wohl fühlt. Judy Winter spielt und singt im Musical „Cabaret“, das bei den Bad Hersfelder Festspielen am Freitag, 19. Juni 2015, um 21.00 Uhr Premiere feiert, die Pensionswirtin Fräulein Schneider.

Co-Regisseur Erik Petersen ist bei dem Pressegespräch an ihrer Seite und äußert sich ganz begeistert über die „historische Besetzung“ aller Rollen, nach der er gemeinsam mit Gil Mehmert lange gesucht und die sie beide „Gott sei Dank“ gefunden haben.

Judy Winter und Co-Regisseur Erik Petersen auf einer Wellenlänge Fotos: Gudrun Schmidl

Judy Winter war für die Regisseure von Anfang an die Traumbesetzung für Fräulein Schneider, aber es war laut Erik Petersen ein langer Kampf, „Judy über die Agentur Verena de la Berg zu kriegen“. Weil es letztendlich klappte, konnten sie auch Dieter Wedel einen lang gehegten Wunsch erfüllen, der als Regisseur schon immer mit Judy Winter arbeiten wollte und es auch mehrfach versucht hat“. „Es hat sich wegen anderer Engagements nie ergeben“, bestätigt die viel beschäftigte Künstlerin. Als Intendant schätzt sich Wedel über die Verpflichtung der großen Schauspielerin glücklich: „Ich glaube, in Deutschland gibt es keinen Film-, Fernseh- und Theaterzuschauer, der Judy Winter nicht kennt“, äußerte er sich schon bei der Vorstellung des namhaften Ensembles.

Anfang Mai ist Judy Winter aus ihrer Heimatstadt Berlin in die kleine hessische Provinzstadt gekommen, die sie ganz entzückend findet. Ihr Zuhause auf Zeit ist direkt am Kurpark gelegen, wenige Schritte entfernt von der Stadthalle, wo aktuell geprobt wird. Ihre Rolle als Fräulein Schneider, die sie nach Aussage von Erik Petersen schon nach wenigen Tagen mit einer entscheidenden Natürlichkeit spielt, hat sie vorher noch nie besetzt. In Kürze setzt sich die Probenarbeit in der Stiftsruine fort, die sie bei erster Betrachtung als umwerfend empfand, aber auch ein bisschen Angst vor der Herausforderung auf der riesigen Bühne schwingt mit. „Ich habe noch nie Freilichttheater gespielt“, benennt sie das ehrfurchtsvolle Gefühl, freut sich aber, dass sie durch die neue, erstmals zum Einsatz kommende Soundtechnik „gar nicht mehr so brüllen muss, wie ich befürchtet hatte“.

Ihre Freude ist groß, dass sie sich als Fräulein Schneider bei jeder Vorstellung erneut in Herrn Schultz vergucken kann. Gemüsehändler Herr Schultz alias Helmut Baumann, langjähriger Intendant des Theater des Westens in Berlin und eine Musical-Legende, arbeitete als Musical-Regisseur auch mit Judy Winter zusammen, die seinerzeit die Rolle der Velma Kelly in „Chicago“ am Thalia Theater in Hamburg sowie am Theater an der Wien übernommen hatte. „Wir sind sehr vertraut miteinander“, freut sie sich auf die erneute Zusammenarbeit.

Geboren wurde Judy Winter am 4. Januar 1944 als Beate Richard im oberschlesischen Friedland. „In Arolsen bin ich groß geworden, damals noch ohne Bad vor dem Ortsnamen“, merkt sie an. Die Tochter eines Offiziers und einer Tänzerin will eigentlich selbst Tänzerin werden, dafür ist sie aber zu groß – „1,96 auf Zehenspitzen!“ Ihrem Plan B folgend wurde sie an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart ausgebildet und als 17-Jährige von Theaterregisseur Peter Zadek entdeckt. Sie erhielt ein Engagement am Stadttheater Ulm und folgte 1962 Zadek nach Bremen. Zeitgleich nahm sie ihren Künstlernamen Judy Winter an, eine Hommage an ihre musikalischen Vorbilder Judy Garland und Shelley Winters. Sie machte Karriere als Theaterdarstellerin und wurde 1968 auch für das Musical entdeckt.

Das Musical wird oftmals unterschätzt, ist sie sich mit Co-Regisseur Erik Petersen einig. Als sie anfing, Musicals zu machen, wurde sie mehrfach mit der abschätzigen Frage: „Frau Winter, singen sie jetzt nur noch?“ konfrontiert. „Musical ist harte Arbeit“, versichert die Künstlerin, die große Erfolge mit „My Fair Lady“, „Hello Dolly“ und „Schwere Jungs – leichte Mädchen“ feierte. Ob in Simmel-Verfilmungen, im Kult-Tatort „Reifezeugnis“ oder wie jüngst in der anarchischen Komödie „Mutter muss weg“ an der Seite von Bastian Pastewka, Judy Winter ist überzeugend in jeder Rolle. Ungebrochen ist ihre Liebe zum Theater.

Als „Marlene“ feierte sie in mehr als 550 Vorstellungen von 1998 bis heute Triumphe am Renaissance-Theater in Berlin und auf Tournee. Sie wird für ihre Darstellung vielfach ausgezeichnet und noch immer als Erste gefeiert, die der Legende gerecht wird. Marlene Dietrich fühlt sie sich nah, besonders weil diese ein gradliniger politischer Mensch war. Auch Judy Winter folgt ihrem Leitmotiv: „Du bist, was du denkst“. Sie mahnt eindringlich, sich gegen rechtsextreme Tendenzen im ganzen Land zu wehren. „Es ballt sich zusammen wie eine Lawine“, äußert sie sich besorgt und sieht dabei auch eine Verbindung zu den Figuren in „Cabaret“. „Sie stehen an einer Zeitenwende, müssen sich ihr stellen. Heute dagegen kann man sagen, was man denkt und kommt nicht in ein Konzentrationslager“.


Großes soziales Engagement

Judy Winter hat zahlreiche CDs veröffentlicht, darunter auch Lesungen. Ihre aktuelle CD heißt „Judy Winter singt Knef – Das Glück kennt nur Minuten“. Judy Winter engagiert sich, seit sie denken kann, für Aidskranke, für Forschung und gegen Ausgrenzung und Diskriminierung ein und wurde für ihr großes Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Sie hat außerdem eine CD mit dem Titel „Mutter Erde“ zugunsten von Kindern in Not veröffentlicht.

Wer glaubt, Judy Winter erholt sich von diesem Pensum im Schaukelstuhl, täuscht sich. In den ersten Tagen hat sie schon passende Schaukeln auf Bad Hersfelder Spielplätzen entdeckt, die ihr die Gelegenheit geben, abzuheben. Trotz ihrer großen Erfolge ist die charismatische Künstlerin privat wie beruflich keinesfalls abgehoben. Sie kann Diven spielen, ist aber selbst keine. „Dafür bin ich viel zu normal“. Sie ist sich zudem sehr wohl bewusst, dass Abbau in jeder Beziehung zum Altern gehört. Soweit ist sie aber noch lange nicht: „Alter ist für mich erst ein Thema, wenn ich aufhöre, neugierig zu sein. Ich bin aber immer noch sehr neugierig“. Wer Judy Winter auf der Bühne erleben will, kann sich unter www.bad-hersfelder-festspiele.de informieren und Tickets erwerben. (Gudrun Schmidl)+++


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