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REGION Nach dem Doch-Nicht-Rekordstreik

KOMMENTAR: Lasst die Lokführer in Ruhe! Den Ärger verdienen Bahn & Staat

HINTERGRUND:Die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) ist eine Gewerkschaft für das Fahrpersonal der Eisenbahnunternehmen. Seit Monaten rangelt sie mit der Bahn um mehr Geld, weniger Wochenarbeitszeit und vor allem um separate Tarifverträge der GDL für das gesamte Zugpersonal. Neben der GDL gibt es die EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft). Die Bahn lehnt konkurrierende Verhandlungen mit beiden Gewerkschaften ab. Im Sommer will die Bundesregierung ein Tarifeinheitsgesetz beschließen. Der GDL droht dann das Aus, da die EVG mehr Mitglieder hat. Eine verzwickte Situation. Nun sollen die Schlichter Bodo Ramelow und Matthias Platzeck den Knoten lösen. (hb)

22.05.15 - Nun war es doch nicht die Steigerung des Rekordstreiks von Anfang Mai. Die GDL hat den Ausstand im Personenverkehr nach guten 40 Stunden beendet - die Bahn ist auf ein Schlichtungsangebot eingegangen. Pendler und Bahnfahrer wird’s freuen. Die Wenigsten hatten noch Verständnis für die neunte Runde der stehenden Züge - ob in den Medien, beim Stammtisch oder an der Wursttheke - (fast) alle äußerten sich contra GDL (Gewerkschaft der Lokomotivführer).

Aber warum Kritik, wenn jemand mit seinen Arbeitsbedingungen nicht zufrieden ist und daher von einem Grundrecht Gebrauch macht? Wer den KiTa-Streik aktuell mitverfolgt, wird sagen, dass zwischen 2.500 und 3.200 Euro brutto nun mal gar nicht so wenig sind für Zug lenken und Fahrkarten kontrollieren. So etwas darf man jedoch nicht vermischen, denn schließlich hat jede Branche das Recht, ihre tariflichen Vorstellungen auszuhandeln.

Im Falle der Bahn liegt die Schuld für die verhärteten Fronten im Tarifstreit nicht bei einem machtgierigen Gewerkschaftsboss Weselsky, sondern viel mehr beim Umstand „Privatisierung“. Post, Kommunikation, Energie, Wasser, Müll und eben auch die öffentlichen Verkehrsmittel sind bereits oder werden noch weiter privatisiert, werden nicht mehr als staatliche Aufgabe gemanagt. Der Buchautor Thomas Wieczorek hat es treffend formuliert: „Kein Investor würde je ein Zuschussunternehmen kaufen. (…) Schreibt ein ehemaliger Staatsbetrieb plötzlich schwarze Zahlen, hängt das oft weniger mit Innovation, als mit Rationalisierung und/oder mit der Verschlechterung/Verteuerung des Angebots zusammen.“ Heißt: Höhere Preise für den Kunden und/oder geringere Löhne für die Mitarbeiter. Kein Wunder, dass dann ehemals verbeamtete Bahnmitarbeiter um Hilfe schreien.

„Rationalisiert“ ein Mittelständler zwei seiner 18 Mitarbeiter weg oder kürzt sämtliche Löhne und fährt eine Woche später einen neuen Sportwagen, so ist sein Ruf in seiner Region futsch. Machen das Konzernmanager mit "anonymen" zehntausenden von Mitarbeitern, freuen sich die Anleger, denn sie erwarten schließlich Rendite. 2.100.000.000 Euro hat die Deutsche Bahn AG im letzten Jahr Gewinn gemacht - ja, es sind wirklich so viele Nullen. Für die Manager gab es über 7 Millionen Euro an Bonuszahlungen. Und dann sollen fünf Prozent Lohnerhöhung (Weselsky: "Die Anerkennung für die Belastungen") ein Ding der Unmöglichkeit sein?

GDL-Chef Claus Weselsky hat den bisher durch acht Streiks entstandenen Konzernschaden auf rund 300.000.000 Euro beziffert - ganz zu schweigen vom sonstigen volkswirtschaftlichen Schaden. Geht es der Bahn wirklich um die 300 Euro mehr, die sich Lokführer X wünscht? Oder wollen die Herren Grube und Co. das Tarifeinheitsgesetz - koste es was es wolle - abwarten? Schließlich ist die Bundesrepublik Deutschland alleiniger Anteilseigner des privatrechtlich organisierten Staatsunternehmens und bringt nun ein Gesetz auf den Weg, das der (kleineren) GDL die Macht nehmen wird. Deshalb: Lasst die Lokführer in Ruhe! Für mich sollte der Adressat des Ärgers aller Pendler und Reisenden Bahn AG und deren Besitzer, der Staat heißen.

Natürlich lässt sich auch über das Auftreten und das Machtverhalten des Herren Weselsky streiten, aber er fordert nichts anderes als ein Grundrecht ein. Es kann noch so viel geschimpft werden und Autovermieter Sixt kann ihn noch so oft zum Mitarbeiter des Monats küren: lieber Streiks, die wehtun und akzeptable Tarife ermöglichen, als handzahme Gewerkschaften, die an ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich Arbeitnehmerrechte zu vertreten, vorbeiarbeiten. Ich möchte die Strapazen, den Ärger und das Chaos vieler Bahnreisender nicht klein reden. Klar nervt der Streik, klar kotzt es den Einzelnen an, dass die Reise nach Berlin ausfällt. Es ist aber  unverzichtbar und wichtig, dass es Gewerkschaften gibt, die wirklich für das Recht des "kleinen Mannes" kämpfen! (Julius Böhm) +++


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