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FULDA KRAL, König der Bettler

10 Euro Stundenlohn im Durchschnitt - Organisierte Banden in der Innenstadt

31.03.16 - Er sitzt in einer Ecke des Universitätsplatzes in Fulda, es ist Ostermontag. Ein wenig ungepflegt wirkt der Mann, der sich eine Decke als Schutz vor Nässe und Kälte untergelegt hat. Vor ihm steht ein aus Pappe gebasteltes Schild, auf dem die Worte prangen: „Ich habe Hunger, bitte um kleine Spende. DANKE.“ Im leeren Kaffeebecher, der als Spendendose dient, liegt ein bisschen Kleingeld. An diesem Feiertag sei die Bereitschaft, etwas zu geben, groß, sagt er. Viele Leute gehen an uns vorbei, einige blicken neugierig.

Der Mann, der mir seinen Namen nicht verraten möchte, lebt als Bettler. Ob er dies tun müsse, frage ich ihn und er verneint. Aber es sei eine einfache Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, sagt er. „Außerdem bin ich gerne draußen.“ Auf der Straße lebt der Bittsteller nicht, er erzählt mir von einem kleinen Appartement in Innenstadtnähe, die Kosten dafür würde das Amt für Soziales übernehmen. Weitere Lebensunterhaltskosten bekommt er pünktlich zu jedem Monatsanfang auf sein Bankkonto überwiesen. Ein schlechtes Gewissen hat der Mann, dessen Alter ich nur schwer schätzen kann, nicht. „Jeder tut doch, was er kann, um an ein bisschen Geld zu kommen.“ Auch wenn das, was er macht, nicht gegen geltendes Recht verstößt, erscheint es mir als moralisch fragwürdig, schließlich bezieht er monatliche Stütze. „Die Leute geben mir das Geld ja freiwillig.“ Einer richtigen Arbeit nachgehen, dies komme für ihn im Moment nicht in Frage. „Ich mag das frühe Aufstehen nicht besonders“, sagt er grinsend. An einem normalen Tag „verdient“ der Bettler im Schnitt acht bis zwölf Euro pro Stunde, dies natürlich steuerfrei und ohne Abzüge, auch werden die Einnahmen nicht von Hartz 4 Leistungen abgezogen.

„An Feiertagen bekomme ich allerdings wesentlich mehr.“ Eine Zeit lang beobachte ich den Mann noch, der sich extra für seinen „Job“ verschiedene Mienen und Gesten antrainiert hat. „Den Kopf leicht zur Seite neigen, die Augen immer wieder nach unten richten und scheu lächeln, dazu immer freundlich sein“, das würde die meisten Menschen zum Geben animieren. Einen festen Stammplatz in der Fuldaer Innenstadt hat er nicht, auch weil es schwierig sei, sich gegen organisierte Bettlergruppen zu behaupten. Diese, so versichert er, würden durch aufdringliches Bittstellen weit mehr Geld einnehmen, als er es täte. Zum Abschied frage ich nochmal nach seinem Namen. „Nenn mich Kral“, sagt er schließlich lachend. Zurück in der Redaktion gebe ich den Begriff in eine Internetsuchmaschine ein. Kral bedeutet auf türkisch König. Ist das wirklich passend?

Die Bettlerbande, von der er sprach, fällt mir wenig später in der Friedrichstraße auf. Ein junger Mann um die 20 mit einer blauen Gehhilfe stellt sich Passanten in den Weg, auch er trägt ein Pappschild mit sich. Die Mütze hat er tief in sein gepflegtes Gesicht gezogen, ein schwarzer Mantel wärmt ihn. Als eine Frau an ihm vorbeigehen will, hält er sie am Arm fest und bedrängt sie. In einigen Metern Entfernung stehen zwei Aufpasser, die zu ihm gehören. Ständig blicken sich die Hüter um, warten, ob Ordnungsamt oder Polizei auftauchen. Auf der anderen Straßenseite sieht sich ein Mann mittleren Alters die Auslagen eines Juweliers an. Ein Aufpasser gibt dem Bettler ein Zeichen, sofort überquert dieser die Straße und spricht den Spaziergänger an. Ein paar Minuten später sind noch immer die Aufpasser da, die Bettler werden ausgetauscht.

Ein zweiter Bettler taucht auf...


Anstatt des 20-Jährigen humpelt nun ein wesentlich älterer Mann mit einer Krücke durch die Fußgängerzone. Er geht zwischen die langsam fahrenden Autos, stellt sich ihnen in den Weg. Auf dem Pappschild, welches er den Fahrern hinhält steht, er habe Kinder zu versorgen und hätte Hunger. Um die Ecke sitzt eine weitere Frau, auch sie wirbt mit ihrem Schild um Mitleid für ihre Kinder. Dass sich diese Gruppe von Menschen abends trifft und mit einem Mercedes Sprinter abgeholt wird, ahnen wahrscheinlich die wenigsten Passanten. Dies jedoch, so versichert ein Geschäftsinhaber in der Bahnhofstraße, würde regelmäßig vor seinem Ladenlokal geschehen. Auch der Stadt Fulda ist die organisierte Bettlerbande aus dem Ausland seit längerer Zeit bekannt, so bestätigt der Pressesprecher auf Nachfrage von OSTHESSEN|NEWS. Wirklich etwas dagegen unternehmen könne man allerdings nicht. „Betteln ist generell nicht verboten. Solange sich die Bittsteller ruhig und friedlich verhalten, stehen wir ihnen nicht im Weg.“

Nur in Fällen aggressiven Vorgehens, etwa einem Festhalten von Passanten oder in den Weg stellen, könne das Ordnungsamt handeln und einen Platzverweis aussprechen. Bürger die sich belästigt fühlen, sollten sich laut Pressesprecher sofort an das Ordnungsamt, die Stadt oder an die Polizei wenden. „Dann können wir auch tätig werden.“ Bedürftige, die wirklich auf Spenden angewiesen sind, gibt es zum Glück in Deutschland selten, 95 Prozent aller Bettler gehören laut offiziellen Angaben zu organisierten Gruppen. Im Internet findet man zahlreiche Tipps, um diejenigen, die wirklich auf Hilfe angewiesen sind, leichter zu erkennen. (mr) +++


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