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- Symbolbild: Christian v.R. / pixelio.de

KREIS FD Zu viele Babys, zu wenige Hebammen

"Es vergeht kein Tag, an dem wir eine werdende Mutter ablehnen müssen"

14.05.16 - Die Geburtenzahlen im Kreis Fulda sind in den vergangenen Monaten wohl gestiegen. Was wie eine gute Nachricht klingt, sorgt bei den Hebammen in der Region für Stress. Nicht selten müssen sie werdende Mütter ablehnen. „Mehr als arbeiten können wir nicht. Wenn man die Frauen vernünftig betreuen möchte, kann man nur ein gewisses Quantum annehmen“, sagen sie.

„Es vergeht fast kein Tag, an dem man keine Schwangere ablehnen muss“, klagt Tatjana Masché. Seit rund eineinhalb Jahren gäbe es einfach zu viele Neugeborene und zu wenige Hebammen. Der Grund: Der Beruf ist einfach zu schlecht bezahlt, vermuten die Hebammen aus dem Geburtshaus in der Fuldaer Bahnhofstraße. Dazu kommen die horrenden Summen für die Berufshaftpflichtversicherung.

„Das und die Tatsache, dass man in den Medien fast nur noch negative Dinge über das Berufsbild erfährt, schreckt ab“, vermutet Hebamme Mona Loos. Als sie sich im Jahr 2009 für die Ausbildung beworben hat, musste sie darum bangen, einen Platz an der Hebammenschule zu bekommen, so viele Bewerberinnen gab es. „Das sieht heute ganz anders aus“, sagt sie. Eigentlich kein Wunder: Denn dank der jährlich steigenden Versicherungen, so Masché, werde es den Hebammen schwer gemacht.

Die Hebammen aus dem Geburtshaus Fulda, Tatjana Masché, Susan Müller, Mona Loos ...Fotos: Suria Reiche

Dabei sei die Arbeit der Geburtshelferinnen so wichtig. Unter anderem weil die Hebamme im Gegensatz zum Frauenarzt die Symbiose aus Frau und Kind sehe und sich die Mütter auch über die Schwangerschaft hinaus mit allen Fragen an sie wenden könnten. „Wenn es die Hebammen nicht gäbe, dann müssten die Frauen bei jeder Frage zum Gynäkologen oder Kinderarzt, und das könnten die Praxen gar nicht auffangen. Zwangsläufig würden die Frauen allein da stehen“, sagt Hebamme Melanie Severin.

Das Geburtshaus in der Bahnhofstraße in Fulda bietet in seinen Räumen neben der Betreuung ...

Michael Möller ist Geschäftsführer des Geburtshauses.

Damit das nicht so ist, müssten Frauen sich, sobald sie einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand halten, um eine Hebamme bemühen – noch besser wäre es schon dann, wenn nur der Wunsch bestehe, schwanger zu werden. „Es gibt viele Frauen, die tun das aber erst nach Ablauf der zwölf Wochen, wenn die kritische Phase vorbei ist“, schiebt Michael Möller, Geschäftsführer im Geburtshaus Fulda ein, „Nach drei Monaten ist es aber eigentlich fast schon zu spät – momentan zumindest.“ Verantwortlich dafür sieht man im Geburtshaus Fulda die Frauenärzte. „Die müssten den Schwangeren raten, sich so früh wie möglich eine Hebamme zu suchen.“

Dass einige Frauenärzte ihren Patientinnen jedoch wirklich erst nach Ablauf der kritischen Phase raten, eine Geburtshelferin aufzusuchen, haben einige Stichproben der OSTHESSEN-NEWS-Redaktion gezeigt. Den Frauenärzten, mit denen wir gesprochen haben, war der Hebammen-Notstand nicht bekannt. Dass ihre Patientinnen trotzdem Hebammen gefunden haben, ist wohl Glück. In einigen deutschen Städten geht die Hebammen-Not inzwischen nämlich sogar so weit, dass immer mehr Frauen allein entbinden, weil sie in kein Krankenhaus wollen und keine Hebamme gefunden haben, erzählt Hebamme Susan Müller. Dieser Trend sei jedoch enorm gefährlich.

Aber warum ist es so, dass einige Frauenärzte gar nichts davon wissen oder ihre Patientinnen einfach nicht früh genug auf den Notstand hinweisen? „Vielleicht“, vermutet Susan Müller, „haben sie Angst, dass die Frauen auch für die Vorsorgungen zu uns kommen und sie ihre Patientinnen dann weniger oft sehen.“ „Das ist ja eigentlich total schade“, findet Mona Loos, „Wir und die Frauenärzte könnten so gut zusammenarbeiten. Es gibt viele Themen, für die die Ärzte gar nicht genug Zeit haben. Zum Beispiel Ernährungsberatung oder ein CTG erklären. Das können wir ergänzen.“ Auch um psychosoziale Belange, die die Schwangerschaft enorm beeinflussen können, können sich die Geburtshelferinnen kümmern.

„Eine Hebamme ist mehr eine Vertrauensperson als ein Frauenarzt. Sie kommt ja auch nach der Geburt. Sie ist die, die in der ersten Zeit mit Baby die Hauptansprechpartnerin ist“, sagt Michael Möller. Vielleicht, hoffen die Hebammen, ändert sich der Notstand ja dank des Studiengangs „Hebammenkunde“, der seit dem Wintersemester 2012/13 an der Hochschule in Fulda angeboten wird.

Im vergangen März haben erstmalig 20 junge Frauen ihr Staatsexamen abgelegt. „Der Studiengang kombiniert 3.000 Stunden in der Praxis mit Theorie in der Hochschule. Im Unterschied zur Hebammenschule lernen die Studentinnen hier, evidenzbasierte, also wissenschaftlich belegte, Therapien“, erklärt Hochschulpressesprecherin Dr. Antje Mohr. „Es wird sich also eine Menge bewegen in den nächsten Jahren“, vermutet sie, „für die Region ist das eine super Sache und eine Chance, Fachkräfte zu halten. Und zudem könnte sich auch finanziell etwas verändern, denn die Hebammen rücken durch ihre Studium mit dem Arzt auf Augenhöhe.“ (Suria Reiche) +++


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