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FULDA pro familia arbeitet mit Tätern

Gewalt trotz Liebe: Wenn man von allein nicht aufhören kann zu schlagen

24.06.16 - Ungefähr 500 Fälle häuslicher Gewalt werden pro Jahr im osthessischen Polizeipräsidium gemeldet. Meistens geht es dabei um Männer, die ihre Frauen attackiert haben. Während die Opfer Hilfsangebote in Form von Therapien und Gesprächsstunden in Anspruch nehmen können, gab es für die Täter lange Zeit keinen professionellen Ansprechpartner im Kreis Fulda. Das änderte sich, als pro familia im Jahr 2010 als erste Einrichtung in der Region die Täterarbeit anbot. Bis dahin, sagt Geschäftsführerin Anne Fleischmann, fehlte ein Element, um die Spirale der Gewalt zu unterbrechen. Denn Täterarbeit sei auch Opferschutz.

Vielleicht war es das Essen, das nicht geschmeckt hat. Vielleicht das Wort, das zu viel gesagt wurde. Vielleicht aber auch die Auseinandersetzung, bei der einem die Argumente ausgegangen sind. Egal, was es war. Der Schlag saß, kam fest von vorn, mitten auf die Nase. Es war nicht das erste Mal. Aber das eine Mal, das das Fass zum Überlaufen gebracht hat. "Du sagst immer wieder, dass du damit aufhörst ..." Aber was, wenn man von allein nicht damit aufhören kann? Wenn man der Aggression, die sich manchmal in einem ausbreitet, nicht von selbst Herr wird?

Es sind meist Männer mit genau diesem Problem, die der Diplom-Pädagoge und Psychotherapeut Stefan Zierau und sein Kollege, Diplom-Psychologe Manuel Drews, tagtäglich in den Räumlichkeiten von pro familia in der Heinrichstraße beraten. Die Biografien dieser Männer: Genauso unterschiedlich wie ihre Berufe. Manche kommen freiwillig, bei anderen hat ein Gericht die Beratung angeordnet. "Die größere Zahl kommt aber aus freien Stücken", sagt Zierau. Oft sei der Anlass, dass ihre Frau sich von ihnen trennen will. "Dann merken sie, dass sie etwas gegen ihre Gewalt tun müssen, schaffen es aber nicht allein." 

Im Rahmen der Täterarbeit von pro familia lernen diese Männer, - natürlich gibt es auch Frauen, die gewalttätig gegenüber ihrem Partner werden, der Prozentsatz ist jedoch gering - wie sie sich in solchen Situationen verhalten können, damit die Stimmung nicht wieder kippt und die Aggression sich in Form von Schlägen, Tritten, wüsten Beschimpfungen oder Drohungen Luft macht. "Denn die meisten Täter sind selbst erschrocken, wenn sie dem Menschen, den sie lieben, körperlich oder psychisch wehtun." Abgesehen von einem kleinen Prozentsatz, dem es Spaß mache, jemanden zu quälen und die Macht über andere genießen, seien oft Alkoholprobleme und entsprechender Kontrollverlust die Ursache für Schläge in einer Beziehung. In vielen Fällen haben die Täter in ihrer Kindheit selbst schon Gewalt erfahren. "Oder den Tätern fehlen in einem Streit die Worte. Viele Frauen sind verbal geschickter und hartnäckiger in Auseinandersetzungen." 

Es gibt tausende von Gründen dafür, dass ein liebender Mensch gewalttätig wird. Was jedoch in so gut wie allen Fällen darauf folgt, ist eine Phase des Bedauerns. Versprechen, mit der Gewalt aufzuhören. So lange, bis sich die Spannungen wieder aufgebaut haben. "Genau hier geht es darum zu lernen, ohne Gewalt auszukommen", sagt Zierau. Ein Schritt, der dabei ganz am Anfang steht, sei es zum Beispiel, Notausgänge zu finden. "Manchmal ist es besser, man geht, wenn man merkt, man hat sich nicht mehr unter Kontrolle. Auf Dauer ist das natürlich keine Lösung, aber es ist ein erster Schritt."

Zierau weiß, wovon er spricht. Bevor er im Jahr 2007 zu pro familia nach Fulda gekommen ist und hier Schritt für Schritt die Täterarbeit mit aufgebaut hat, war der 63-Jährige im Rahmen seiner Selbstständigkeit für andere Träger in diesem Bereich aktiv, kann also auf Erfahrung auf dem Gebiet zurückgreifen. Als dann beim "Runden Tisch gegen Häusliche Gewalt" die Idee aufkam, mit der Arbeit mit Tätern zu beginnen, war er sofort dabei. "Da es keine andere Einrichtung gab, die das machen wollte, haben wir von pro familia es übernommen. Denn die Erfahrung zeigt, dass viele Opfer einfach wieder in diese Beziehung reingehen und der Kreislauf der Gewalt wieder von vorn anfängt. Es fehlte ein Element, die Täter von der Gewalt wegzubringen", ergänzt Fleischmann. Inzwischen nehme die Täterarbeit rund 14 Prozent der gesamten Arbeit bei pro familia ein.

Bleiben die Täter am Ball und kommen zu den Beratungsstunden, dann sei die Erfolgsquote sehr hoch, sagt Zierau. "Im Kopf ist den Menschen relativ schnell klar, was sie falsch machen. Aber es muss verinnerlicht werden - und dafür braucht es manchmal lange." Weil es schwierig sei, das gewohnte Verhalten abzulegen, dauern die Beratungen im Schnitt ein Jahr lang. Und wenn das geschafft ist, dann sei die Genugtuung bei den ehemaligen Tätern immer groß. "Jeder möchte ein guter Vater oder ein guter Ehemann sein." (Suria Reiche) +++


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