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Psychologiestudent Felix Vogel erforscht im Master die Ursachen für selektiven Mutismus bei Kindern. - Foto: Toni Spangenberg

REGION Forschungsprojekt selektiver Mutismus

Kinder in bestimmten Situationen sprachlos - Felix VOGEL sucht nach Ursache

15.06.16 - Psychische Erkrankungen nehmen seit Jahren zu und sind auf dem Vormarsch. Viele sind therapierbar. Doch nicht jedes Phänomen ist ausreichend erforscht, um eine Heilung garantieren zu können. Eltern von Kindern mit dem sogenannten selektivem Mutismus sehen sich einer großen Herausforderung gegenüber gestellt. Die Ursachen für die Krankheit sind so gut wie gar nicht bekannt. Das will der gebürtige Fuldaer Felix Vogel durch seine Masterarbeit im Fachbereich Psychologie der Uni Gießen ändern und Betroffenen so helfen.

Was ist der selektive Mutismus?

"Es handelt sich um eine Angststörung, die im Kindes- und Jugendalter auftritt. Wovor genau die Kinder Angst haben, ist leider noch nicht bekannt." Fakt ist jedoch, dass die Angst dazu führt, dass die Betroffenen in bestimmten Situationen nicht in der Lage sind zu sprechen. Seit 2013 werde der selektive Mutismus im DSM 5 Diagnosesystem als Angststörung eingestuft. "Früher hat die Wissenschaft vom elektiven Mutismus gesprochen und ist davon ausgegangen, dass Trotz der Grund für die Hemmnisse beim Sprechen ist. Diese Sichtweise ist aber mittlerweile nicht mehr haltbar." Die psychische Erkrankung beginne meist im Alter zwischen drei und fünf Jahren auf und dauere im Durchschnitt acht Jahre lang. Bis zu ein Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden darunter. "Betroffene sind in ihrem Leben massiv beeinträchtigt, besonders in der Schule."

Wie erkennt man die Erkrankung?

Besonders im Unterricht seien die erkrankten Schüler nicht in der Lage zu sprechen. "Nimmt der Lehrer sie dran oder sollen sie einen Vortrag halten, bringen diese Kinder in aller Regel kein Wort heraus." Probleme könne es auch geben, wenn ein Kind beispielsweise Brötchen beim Bäcker holen soll, ihm dieser aber fremd ist. "Mit fremden Personen sprechen sie nicht. Das ist entscheidend." Es gebe auch Fälle, in denen Kinder nicht mit weiter entfernten Verwandten wie der Oma sprechen. "Zuhause in der 'Kernfamilie' sprechen sie aber ganz normal." Erkrankte Kinder und Jugendliche seien oft schüchtern und schweigsam. "Sie zeichnen sich oftmals auch durch ein ruhiges Temperament aus." Es sei besonders wichtig, den selektiven Mutismus frühzeitig zu erkennen, da eine Therapie Zeit brauche. Doch das gestalte sich schwierig, da die Gefahr bestehe, die Erkrankung mit der sozialen Phobie zu verwechseln. "Man spricht auch von sozialer Angst. Patienten haben beispielsweise Angst, in der Schule schlecht bewertet zu werden oder etwas Peinliches zu sagen."

Wie therapieren Ärzte und Psychologen den selektiven Mutismus?

Mithilfe von Elterninterviews könne ein Kinder- und Jugendpsychotherapeut den selektiven Mutismus diagnostizieren. Da die Wissenschaft von einer Angststörung ausgehe, werde versucht, die Erkrankung zum Beispiel mit Konfrontation zu therapieren. "Es werden Situationen gesucht, die für das Kind schwierig sind. In diesen soll das Kind dann ohne Druck zum Sprechen gebracht werden." Das sei jedoch nicht leicht. Der Therapeut müsse ein Vertrauensverhältnis zum Patienten aufbauen. "Häufig wird eine Therapie auch nonverbal durchgeführt, da die Kinder und Jugendlichen ja nicht mit fremden Personen sprechen." Für jede Angststörung gebe es ein anderes spezifisches Vorgehen. Da die genauen Ängste, die zum selektiven Mutismus führen, aber nicht bekannt sind, gibt es noch keine gezielten Therapien, die auf gesicherten Erkenntnissen basieren. "Nur wenn man weiß, wovor die Kinder Angst haben, kann man ansetzen."

Wie kann jeder bei der Erforschung der Krankheit mithelfen?

Felix Vogel und weitere Wissenschaftler der Uni Gießen haben einen Fragebogen erstellt, der spezifische Ängste thematisiert. In erster Linie richtet er sich an die Eltern der erkrankten Kinder, aber auch an Eltern gesunder Kinder. "Um die Ergebnisse miteinander vergleichen zu können, sprechen wir drei Gruppen von Personen an: Patienten mit selektivem Mutismus, Kinder mit einer sozialen Phobie und gesunde Kinder." Die Beantwortung der Fragen nimmt circa 30 Minuten in Anspruch und kann auch pausiert und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden. Kinder ab acht Jahren dürfen auch selbst Fragen beantworten. Sie bekommen Videos von sozialen Situationen zu sehen und sollen beurteilen, wie schwierig sie diese jeweils empfinden. Mitmachen kann jeder noch bis zum 25. Juli. "Nur wenn wir die Ängste, die zum selektiven Mutismus führen, identifizieren, können wir erkrankten Kindern wirklich helfen."

Warum will Vogel erkrankten Kindern helfen?

"Durch ein achtwöchiges Praktikum in der Kinder- und Jugendpsychatrie in Fulda habe ich die Thematik für mich entdeckt." Er habe festgestellt, dass ihm die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sehr viel Spaß macht. "Kinder brauchen zum Teil sehr viel Hilfe. Sie können nicht viel für ihre Situation." Mit der richtigen Therapie könne sehr viel bewirkt werden. "Es ist einfach schön zu sehen, wie sich die Kinder freuen, wenn es Ihnen wieder besser geht."

Die Ergebnisse der Studie veröffentlicht OSTHESSEN|NEWS in Zusammenarbeit mit Vogel möglichst zeitnah nach dem Abschluss der Studie.

Hier gelangen sie zur Studie: https://ww3.unipark.de/uc/Selektiver-Mutismus  (Toni Spangenberg) +++


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