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Strafverteidiger mit Leib und Seele: Hans J. HAUSCHILD. - Fotos: Suria Reiche

FULDA "Der Mann, der kein Gewissen hat"

Strafverteidiger mit Leib und Seele: Hans J. HAUSCHILD vertritt Mörder

30.06.16 - Der Prozess gegen den Frankfurter Polizisten Matthew S., dem vorgeworfen wurde, er habe in der U-Bahn Gewalt gegen den Deutsch-Äthiopier Derege Wevelsiep angewandt, hat für Aufsehen gesorgt. Vier Jahre lang beschäftigte er nicht nur Amts- und Landgericht, sondern auch die Öffentlichkeit. Rassismus bei der Polizei - ein schwerwiegender Vorwurf. Die Folge: Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus. Das Urteil: Freispruch in der zweiten Instanz. 

Knapp einem Monat nach diesem Urteil sitzt einer der Verteidiger genau dieses Polizisten in seinem Sessel in einer Fuldaer Kanzlei. Die Füße in Cowboystiefeln. Der riesige Schreibtisch vor ihm über und über mit unzähligen rosafarbenen Akten bedeckt. In der Hand eine Tasse Kaffee, die er abwechselnd mit Pfefferminz-Bonbons zum Mund führt. "Klar haben wir uns über den Freispruch gefreut", sagt er, "vor allem, weil wir so sehr dafür kämpfen mussten. Aber auf den Putz hau' ich deswegen nicht. Dafür gibt es zu viele andere Menschen, die im Gefängnis sitzen bleiben."

Straftäter, Mörder, manchmal auch Vergewaltiger sind es, mit denen Hans J. Hauschild die meiste Zeit seines Tages verbringt. Er ist Strafverteidiger - und zwar mit Leib und Seele. "Ich vertrete jeden, ganz egal, was er gemacht hat." Auch wenn er ein Kind ermordet hat? "Ja, auch dann. Ein Gewissen darfst du in dem Beruf nicht haben." Nur bei Gesinnungsstrafrecht, also wenn jemand Menschen zum Beispiel aufgrund ihrer Herkunft oder politischen Gesinnung ermordet, dann tritt Hauschild einen Schritt zurück. "Und auch, wenn man versucht, mich zu instrumentalisieren, bin ich raus."

Dass jemand versuchen könnte, das bei dem großen Mann mit der dunkeln Stimme zu tun, fällt schwer zu glauben. "Ich bin ein ziemlich unbequemer Mensch, und ich bin oft sehr garstig", sagt er von sich selbst und muss dann doch kurz lächeln. Aber das Lächeln erstirbt, wenn der 58-Jährige von denen redet, die hinter Gittern gelandet sind. Bei denen es nicht für einen Freispruch gereicht hat. Ja, die gibt es auch. Aber haben sie es nicht verdient? "Das Gefängnis bringt weder den Tätern, noch den Opfern etwas. Die meisten Straftaten werden aufgrund seelischer Defekte begangen, und die werden in der Haftzeit nicht repariert. Das einzige, was die Jahre hinter Gittern bringen, ist, dass die Menschen älter werden. Und im Alter begeht man potentiell weniger Straftaten als in jungen Jahren."

Seelische Defekte: Müsste man also eigentlich Mitleid mit den Tätern haben? "Wer ist 'man' ", fragt Hauschild, "Ja...", sagt er dann, als er merkt, dass  e r  damit gemeint ist, "ja, ich habe Mitleid mit ihnen." Man glaubt dem 58-Jährigen. Erst recht, wenn er beginnt, von den Gründen zu sprechen. Gründe, die das Strafmaß mindern können. "Menschen begehen Straftaten, weil sie Defekte haben. Im besten Fall hat die Erziehung bei jedem von uns Hemmschwellen eingebaut, andere zu beleidigen oder zu verletzen. Klar, Alkohol reduziert diese. Aber was, wenn der Mensch gar nicht die Möglichkeit hatte, Hemmschwellen aufzubauen? Wenn er keinen Vater hatte oder der Mann, bei dem er wohnte, seiner Mutter immer in die Fresse gehauen hat? Wenn es normal war, dass zu jeder Tageszeit getrunken wird?"

Also muss man bei allen Straftätern davon ausgehen, dass sie ein Problem mit der Psyche haben? "Ich gehe generell bei jedem Menschen davon aus, dass er ein Problem mit der Psyche hat", sagt Hauschild, "und die Menschen, die letztendlich Straftaten begehen, konnten diesem nicht mehr Herr werden." Ist das so und kann das durch einen Gutachter bewiesen werden, könne sich ein solcher Umstand strafmildernd auswirken. "Unsere Gerichte sind aber meiner Meinung nach viel zu wenig bereit, zu schauen, welche Wesensbildung bei den Angeklagten stattgefunden oder nicht stattgefunden hat." 

Denn - und mit dieser Meinung steht Hauschild nicht allein da - im Gefängnis gebe man sich zwar Mühe, mit den Tätern zu arbeiten, "aber wer hat schon die Zeit und den Willen, mit den erwachsenen Straftätern das nachzuholen, was 15 Jahre Kindheit versäumt haben? Man wird nicht einfach so Täter. Wenn es sich einer von denen hätte aussuchen können, dann wäre er keiner geworden", sagt Hauschild, dessen Markenzeichen die markanten Cowboystiefel sind, die er auch nicht auszieht, wenn er sich die schwarze Robe überstreift. Und auch nicht auf dem Weg nachhause.

Denn egal ob im Gerichtssaal oder in den eigenen vier Wänden: Hauschild ist Strafverteidiger. "Ich kann nicht nachhause gehen und dann nichts mehr machen", sagt der Mann, der auf die Frage nach seinem Alter antwortet, dass er nicht in Rente gehen wird. "Ich mache das, so lange ich lebe. Für mich ist das nicht nur ein Beruf, es ist ein Teil von mir." (Suria Reiche) +++


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