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„Alfons“, mit bürgerlichem Namen Emmanuel Peterfalvi, begeisterte das Publikum beim Schlüchterner Kuki-Festival mit seinem Programm: „Das Geheimnis meiner Schönheit“ -

SCHLÜCHTERN Zwei Seelen in einer Brust

Kabarettist ALFONS kennt "Das Geheimnis seiner Schönheit“

28.06.16 - Um solch ein Programm zu machen, muss man tief in der Seele (auch) Deutscher sein. Bei Alfons, dem vermeintlich trotteligen Franzosen mit dem Puschel-Mikrofon, ist alles sorgsam ausgetüftelt und bis ins kleinste Detail geplant. Die große Kunst dabei: Alles wirkt locker-leicht-charmant. Nicht ohne Grund heißt sein neues Bühnenprogramm „Das Geheimnis meiner Schönheit“. Und es kommt daher wie Champagner im Bierkrug. Das Publikum des Kuki-Sommerfestivals im ausverkauften Saal nahe der Stadtkirche in Schlüchtern berauschte sich gern daran.

Alfons, erwartungsgemäß in seiner orangefarbenen Trainingsjacke aus der ehemaligen DDR, hatte zugegebenermaßen leichtes Spiel. Nach dem 3:0 der deutschen Nationalmannschaft gegen das Team der Slowakei befand sich das Publikum in bester Stimmung. „Ihr Deutschen liebt es zu gewinnen, oder?“, stellte der Kabarettist mit dem typisch französischen Akzent fest und prophezeite: „In zwei Wochen seid ihr Europameister. Ich weiß es. Beckenbauer hat schon bezahlt.“ Und weil Alfons es toll finde, dass der Kuki-Verein mit lauter ehrenamtlichen Helfern ein fulminantes Sommer-Festival auf die Beine stellt, betätigte er sich als wandelnde Wohnungsanzeige. Denn eine junge Frau, die beim Kuki ihr Freiwilliges Soziales Jahr machen möchte, brauche dringend eine Bleibe in Schlüchtern.

Alfons, mit bürgerlichem Namen Emmanuel Peterfalvi, ist der Kulturanthropologe unter den Neuzeit-Comedians. Akribisch beschäftigt er sich mit Deutschland, den Deutschen und deren Neurosen. Während Alfons von einer erotischen Begegnung mit einer im Kamasutra schmökernden Heidi Klum träumt, unterstellt er dem Publikum, die einzige erotische Literatur der Deutschen sei der Bausparvertrag. Ein bisschen turnt er auf der Bühne herum wie ein hyperaktiver Junge, der seinen überbordenden Bewegungsdrang in ein Witz-Feuerwerk übersetzt. Aber Alfons wäre nicht Alfons, würde er nicht auch die stillen und poetischen Momente in sein Bühnenprogramm einbauen. „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“, heißt es in Goethes Faust. Und Emmanuel Peterfalvi ist es gelungen, diese beiden Seelen in der Kunstfigur Alfons zu vereinigen. Hier Präzision, Berechnung und Ordnung, dort Eleganz, Leichtigkeit und Humor. Beide Seiten sind weder nur deutsch noch eindeutig französisch. Wer aber Alfons zusieht und zuhört, erlebe europäische Eigenheiten wie in einem Spiegel. Und man wird den Verdacht nicht los, dass alles irgendwie zusammengehört. Das wird auch in seiner kleinen Geschichte von der kostbaren Vase deutlich, die den Frieden birgt und „Europa“ heißt.

Dann sind diese kleinen „Nachdenkereien“, wie Erich Kästner sie genannt hätte, wieder vom Tisch, und man sieht Alfons auf der Leinwand mit seinem berühmten Puschel-Mikrofon durch Deutschlands Fußgängerzonen marschieren. Mit seinen herrlichen Fragen schaffe er es, die deutsche Seele bloßzulegen. Nicht einmal vor Fragen zur Sexualität macht er Halt und will von einem deutschen Rentner wissen, was das Schärfste sei, das ihm seine Frau jemals präsentiert habe. Dieser antwortet: „Chili con carne.“ Das geheime Grauen von Schützenfesten, Fahrkarten-Automaten, AfD – es gibt nichts, was Alfons in seiner vermeintlich schusseligen Art nicht schonungslos offenlegte. 

 

Das Lachen könnte einem manchmal im Halse stecken bleiben. Aber dann zeigt der Kabarettist Erbarmen und fängt an zu erzählen: Von seinem Praktikum als kleiner Junge beim französischen Radio, von Schul-Streichen und Kindheitserlebnissen auf einem Bauernhof in der Provence. Von seinem philosophischen Freund Augustin, der ihm Nietzsches Worte mit auf den Weg gibt: „Werde, der du bist.“ Und der kleine Alfons, der denkt, Nietzsche sei ein Bauer aus der Nachbarschaft. Alfons hinterlässt an diesem Abend ein rundum glückliches Publikum in Schlüchtern. Er ist Geschichtenerzähler geworden. Und wenn wir den Blick aus Europa nach Asien richten und dem Dalai Lama Glauben schenken möchten, dann bedürften wir genau dieser Menschen am meisten: „Der Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr. Der Planet braucht dringend Friedensstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Arten.“ +++


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