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Die Anlage - in diesen Becken schwimmen die Störe... - Fotos: privat

FULDA Heute "Tag des Fisches" (1)

Im Industriegebiet sprudelt "schwarzes Gold" - Tonnenweise Kaviar bei DESIETRA

22.08.16 - Stellen wir uns vor, dass irgendwo in Frankreich oder einem Land in Osteuropa gerade ein gut betuchtes Ehepaar an seinem opulent gedecktem Esszimmertisch sitzt. Vor sich ein Teller mit Pellkartoffeln. Mit einem Perlmutt-Löffel tun sich beide einen großen Klacks Kaviar auf den Handrücken, schlecken ihn ab und spüren, wie die kleinen Fischeier leicht salzig und aromatisch auf der Zunge zergehen. Was die beiden vermutlich nicht wissen: Das, was sie sich da gerade in den Mund gesteckt heben, könnte seinen Ursprung in der kleinen osthessischen Stadt Fulda haben. Denn hier ist eine der größten Kaviar-Manufakturen Europas beheimatet - und das, obwohl Kaviar in Fulda wohl nur selten auf der Speisekarte steht. 

Und so sieht er aus, der fertige Kaviar...

Dass die Firma "DESIETRA" trotzdem ihren Standort in dem kleinen Industriegebiet im Fuldaer Westen gewählt hat, liegt an Fördermitteln, die es gab, als es sich hier - Mitte der 90er Jahre - noch um "Zonenrandgebiet" gehandelt hat. Heute werden aus dem Westen Fuldas zahlreiche Kaviar-Großhändler weltweit beliefert: in Amerika, Australien, aber auch in Asien oder Ost-Europa. Der Export macht 80 bis 90 Prozent des Geschäfts aus. Im Land bleiben höchstens 10 bis 20 Prozent. "Die Deutschen sind leider noch nicht wirklich Stör-Kavier-Liebhaber", sagt Jörg-Michael Zamek. Der 63-Jährige ist Geschäftsführer von DESIETRA und somit der Herr über rund 7.500 Quadratmeter, auf denen ein permanenter Fischbestand von etwa 150 Tonnen gehalten wird. Wie viele Störe das sind, weiß Zamek nicht. Dafür aber die Sorten: Sibirische und russische (Osietra) Störe schwimmen in den großen Becken, außerdem eine kleinere Menge Beluga-, Weißer-, Sevruga- und Sterlet- sowie Albino Stör. In weiteren Aquakulturstandorten in Deutschland und Europa schwimmt ein weiterer Störbestand von über 600 Tonnen, mit dem die jährlichen Produktion von bis zu zehn Tonnen Kaviar und 150 Tonnen Störfleisch abgesichert wird.

In Fulda arbeiten rund 25 Menschen. Ein Drittel von ihnen kümmert sich ausschließlich um die wertvollen Fische, die in den großen Becken in der "Produktionshalle" ihre Runden drehen. Sie füttern sie und sorgen dafür, dass die Störe in einer gesunden und optimalen Umgebung leben - natürlich nur so lange, bis sie geschlechtsreif sind und die ersten Eier in sich tragen. Dann gehen die Fische in die Produktion, wo sie geschlachtet werden und der "Rogen" - so nennt man die unbehandelten Kaviar-Eier – entnommen wird. Bis es so weit ist, kann es jedoch mitunter bis zu 20 Jahre dauern. Ob es sich bei dem Fisch um ein Männchen oder ein Weibchen handeln, kann man ebenfalls - abhängig von der Störart - erst nach drei bis zehn Jahren durch eine Ultraschalluntersuchung eines jeden einzelnen Fisches feststellen. Während die weiblichen Fische in den Anlagen bleiben und für die Kaviarproduktion genutzt werden, werden die männlichen Tiere an Betriebe, die Angel-Teiche betreiben oder sich auf die Verarbeitung von Störfleisch spezialisiert haben, verkauft. Denn auch, wenn Störfleisch hierzulande nicht wirklich bekannt und beliebt ist, weist es doch einige ungewöhnliche Vorteile auf: Der Stör hat nämlich anders als andere Fische keine Seiten-, Steh- oder sonstigen Gräten, sondern eine Art Rückgrat aus Knorpelmasse.

Geschäftsführer Jörg-Michael Zamek

Das schwarze Gold

Neben der langen Zeit, bis die Störe Kaviar produzieren, ist auch die gesamte Produktionskette diffizile Handarbeit. Es benötigt eine ungewöhnlich lange Zeit, bis ein Stör zum kaviarreifen Tier herangewachsen ist, dann geschlachtet werden kann und der Kaviar entnommen und präpariert ist. "Dass ist auch der Grund dafür, dass Kaviar zu den teuersten Lebensmitteln gehört", erklärt Zamek. Außerdem ist der Stör eine bedrohte Tierart. Verantwortlich dafür ist die illegale Raubfischerei.

Bei der Ultraschall-Untersuchung wird festgestellt, ob es sich um ein Männchen oder ...

 Der Preis für ein Kilogramm Kaviar liegt zur Zeit für den Endverbraucher - abhängig von der Störart - bei sechshundert bis dreitausend Euro. Es gab auch schon andere Zeiten: Und zwar solche, in denen Liebhaber um die viertausend Euro für ein Kilogramm ausgegeben haben. Auch Zamek spricht von einem Preisverfall in den letzten drei Jahren von fünf bis zehn Prozent pro Jahr. "Ich glaube, der Grund dafür ist, dass die Firmen, die es in unserer Größenordnung weltweit gibt, ihre Kapazitäten kontinuierlich ausgebaut haben. Das heißt, es gibt mehr Kaviar", so Zamek. Zusätzlich, sagt er, sei auch preisliche Konkurrenz auf China dazu gekommen. "Und die ist bereit, zu Kampfpreisen zu liefern, auch wenn das leider oft zu Lasten der Qualität geht."

Die Schlachtung eines Störs

Zamek jedoch sieht das gelassen: "Für eine Zucht und Produktion in unserer Größe ist das im Moment noch nicht dramatisch, denn mit der steigenden Produktionsmenge können wir auch günstiger produzieren. Kleinere Firmen mit geringem Störbestand allerdings reagieren da wesentlich sensibler." Dennoch müsse Desietra in bestimmten Bereichen preisliche Zugeständnisse machen. "Aber das heißt nicht, dass wir deswegen außerhalb des Marktes liegen." Trotzdem: Kaviar ist ein elitäres Produkt. Und Billigkonkurrenz aus beispielsweise Asien sei vor allem deswegen schlimm, weil nicht mehr auf die Qualität geachtet werde. "Da gibt es doch genügend Beispiele aus der Lebensmittelbranche und Fischindustrie. Lachs ist nur eines - auch da geht es heute leider mehr um Preise und Volumen als um gute Qualitätsprodukte, und diesen Weg sollte Stör-Kaviar nicht gehen", so Zamek.

Kaviar, wie Zamek ihn liebt, weist ein gleichbleibendes Korn im Aussehen, der Größe und der Stabilität auf. "Er ist nicht ölig oder marmeladig und hat einen reinen und saubereren Geschmack – nicht fischig oder moderig" Gegessen wird er zum Beispiel mit Kartoffeln in jeglicher Form. "Die Beilagen müssen geschmacklich eher neutral sein. Zwiebeln oder Zitronen haben beim Stör-Kaviar nichts zu suchen." Außerdem solle er nicht mit Metall- oder Silberbesteck, sondern wenn möglich "stillvoll mit einem Perlmuttlöffel gegessen werden". Ansonsten bestehe die Gefahr der geschmackliche Beeinträchtigung durch Oxydation. "Wenn der Perlmutlöffel nicht zur Hand ist, dann tut es aber auch ein etwas edler Kunststofflöffel." (Suria Reiche) +++


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