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Siglinde Sippel als Haushaltshilfe bei einer älteren Damen in Eichenzell - Fotos: Dennis Hainer

REGION Jobben mit 65+

Immer mehr Rentner arbeiten - als Mini-Jobber sich etwas dazu verdienen

19.08.16 - Siglinde Sippel ist seit fünf Jahren Rentnerin - und schwingt regelmäßig den Wischmop. Die 68-Jährige aus Fulda putzt jedoch nicht nur in ihren eigenen vier Wänden, sondern auch in fremden Wohnungen in der Region. Sie arbeitet auf "Minijob-Basis" in der Seniorenbetreuung des Haushaltsservices "Ihre gute Fee GmbH" aus Hofbieber. Putzen, waschen, kochen oder einfach für die älteren Menschen da sein - mit dem Nebenjob zählt Siglinde Sippel zu einer wachsenden Gruppe, denn immer mehr Rentner in Hessen gehen noch arbeiten. Doch wieso sind hessische Senioren oftmals weiterhin erwerbstätig, während doch viele Arbeitnehmer die Rente herbeisehnen? Was steckt hinter dem Trend zum Jobben mit 65+? 

Die Rentnerin greift regelmäßig zum Wischmop

Bereits seit vier Jahren ist Siglinde Sippel bei "Ihre gute Fee" angestellt. Sie putzt circa acht bis 15 Stunden die Woche, um auf ihre 450 Euro im Monat zu kommen. Eine Bekannte machte sie auf den Haushaltsservice aufmerksam - daraufhin hat sie sich online auf eine Stelle dorthin beworben. "Ich hatte Glück, dass ich bei 'Ihre gute Fee' anfangen durfte. Die Arbeit mit den älteren Menschen bereitet mir sehr viel Spaß. Anfangs war ich bei jungen Müttern angestellt, doch mit der Zeit zählen zu meinem Kundenkreis nur noch ältere Herrschaften", teilte die Rentnerin mit. Siglinde Sippel war vorher in der Hauswirtschaft im städtischen Altenheim, danach im "Kursana" Domizil in Künzell tätig. "Ich habe vor rund 20 Jahren erst angefangen zu arbeiten. Vorher war ich Hausfrau und Mutter. Wir haben drei Töchter, die uns jetzt im Alter unter die Arme greifen. Mein Mann musste wegen einem Schlaganfall mit 50 Jahren schon in den Ruhestand gehen", berichtete Sippel. Mit 63 Jahren ging die Fuldaerin in Folge zweier Bandscheibenvorfälle dann selbst in Rente und knapp ein Jahr später wurde sie zur "Minijobberin". "Solange ich mich noch fit fühle, werde ich auch weiterarbeiten", versicherte sie.  

Ihre Motive für den Zusatzverdienst sind eindeutig: "Ohne den 450-Euro-Job könnten wir uns gar nichts mehr leisten, da die Altersbezüge einfach nicht ausreichen. Mit meiner Rente von rund 400 Euro im Monat können wir uns nicht viel erlauben, und mein Mann bezieht ebenfalls wenig Bezüge", erklärte die dreifache Mutter und Oma. Auch von den örtlichen Behörden ist die Fuldaerin enttäuscht: "Mein Mann und ich wollten Wohngeld beantragen, doch die Renten von uns beiden zusammen liegen genau einen Euro über den wohngeldberechtigten Höchstbetrag, deshalb bekommen wir da keinen Zuschuss". Über Aussagen der Ämter wie "Ihre Rente ist doch ausreichend", ärgert sich Siglinde Sippel. "Vor Kurzem sind wir erst in eine neue Wohnung gezogen, die Kosten für den Umzug in Höhe von rund 2.000 Euro zu stemmen, ist da nicht einfach", so die 68-Jährige.

Die 68-Jährige fühlt sich trotz Bandscheibenvorfällen noch fit und hat Spaß an ...

Siglinde Sippel steht mit ihrer Situation jedoch nicht alleine da - nach Angaben des Statistischen Landesamtes gehen immer mehr Hessen arbeiten, obwohl sie Rente beziehen. Zurzeit sind 6,7 Prozent der über 65-Jährigen in Hessen erwerbstätig. Zum Vergleich: 2005 waren es 3,7 Prozent, also nur knapp die Hälfte. Nach der Beschäftigten-Statistik der Bundesagentur für Arbeit sind rund 82.000 Hessen, die das Renteneintrittsalter bereits überschritten haben, in sozialversicherungspflichtigen Jobs oder "Minijobs" beschäftigt. Die meisten Senioren erledigen dabei Büro- oder Sekretariatsarbeiten sowie Reinigungsarbeiten wie Siglinde Sippel. Die Statistik zeigt weiter, dass 450-Euro-Jobs, für die keine Sozialabgaben bezahlt werden müssen, klar dominieren.

Doch besteht das einzige Motiv in den zu geringfügigen Altersbezügen? Die Sozialwissenschaftlerin Carola Burkert arbeitet am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Hessen und ist spezialisiert auf die Gruppe der Erwerbstätigen im Alter 65+. Sie hat festgestellt, dass auch viele Menschen mit einem ehemals guten Einkommen in ihrem Ruhestand weiterarbeiten. Nach ihren Befragungen liegt der Anteil bei diesen Personen bei rund 50 Prozent. Eine Erklärung ist, dass die finanziellen Einbußen für Menschen mit hohen Altersbezügen dementsprechend relativ hoch sind. Im Verhältnis bekommen sie zwar viel Rente, jedoch können sie mit dieser oft ihren gewohnten Lebensstandard nicht sichern. Ein weiterer Grund liegt in der Arbeit selbst. Viele Senioren haben Spaß am Arbeiten und ihnen gefällt das Gefühl, dass sie auch weiterhin gebraucht werden. (Nina Sauer) +++


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