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- Fotos: Walter Rammler, fotodesign

FULDA Gebautes und Gelebtes

Bürgerinnen und Bürger fragen: „Wem gehört die Stadt? - OPEN-AIR-KINO

21.08.16 - „Als ein Großinvestor ankündigt, auf einem ehemaligen Industrieareal mitten im Quartier eine Shopping Mall zu bauen, werden Proteste laut. Der Bürgermeister des Stadtteils versucht zu vermitteln: Er möchte die Anwohner an der Gestaltung ihres Viertels beteiligen. Doch während in der Bürgerinitiative noch über visionäre Alternativen diskutiert wird, hat die Stadtverwaltung schon ganz andere Pläne auf dem Tisch...“ Die Ankündigung zum gestrigen in Fulda im Rahmen einer OpenAir-Veranstaltung gezeigten Dokumentarfilm „Wem gehört die Stadt?“ beschreibt ein Szenario, dass vielen Fuldaerinnen und Fuldaern bekannt vorkommen dürfte.

Auch in Fulda werden regelmäßig große Flächen und Gebäude an neue Investoren verkauft. Die dann umgesetzten Nutzungskonzepte stoßen nicht immer auf Verständnis und Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger. Die ehemaligen Milchwerke, die alte EIKA, das seit mehr als zehn Jahren brachliegende Löhertorareal und das frisch verkaufte Gelände an der Langenbrückenstraße mit der alten Eisfabrik sind hier beispielhaft zu nennen.

Die Veranstalter – die Interessengemeinschaft Löherstraße, das alternative Kino 35 und die Bürgerzeitung AGORA – nahmen das zum Anlass zu einem Filmabend zum Thema Städteplanung und Bürgerbeteiligung einzuladen. Durch den Abend führte Alexander Sust, der als Regionalplaner selbst einige Erfahrung mit Beteiligungsprozessen aufzuweisen hat. Dass die Veranstalter mit dem Thema einen Nerv getroffen haben, zeigte die Anzahl der Besucher: Rund hundert Menschen sitzen auf dem sonst eher verwaisten Platz rund um den Brunnen auf Bierbänken oder mitgebrachten Stühlen, genießen spanische Tappas und hauchen dem Ort wieder ein Stück seines alten Lebens ein. Denn hier im ehemaligen Einkaufs- und Freizeitzentrum Löhertor war einst das Herz der Unterstadt, mit einem lebendigen Kneipen- und Gastronomieangebot, einer Bowlingbahn und nicht zuletzt auch einem Kino.

In der einsetzenden Abenddämmerung bildet der schlafende Koloss des leerstehenden Einkaufszentrums jetzt nur noch die Kulisse für die mobile Leinwand, auf der für die folgenden 90 Minuten von den verschiedensten Protagonisten um den Erhalt und die Nutzung eines ganz ähnlichen Areals im Kölner Stadtteil Ehrenfeld gebangt und gerungen wird. Die Parallelen zum Löhertorareal und dem Gelände an der Langenbrückenstraße liegen auf der Hand. Hier wie dort gibt es Investoren, Bebauungspläne und Entscheidungen der städtischen Gremien. Und hier wie dort gibt es gewachsene Strukturen und den Wunsch von Bürgerinnen und Bürger nach mehr Transparenz und Beteiligungsmöglichkeiten in den Entscheidungsprozessen - und das möglichst frühzeitig. Doch häufig sind städtebauliche Planungen schon weitestgehend abgeschlossen, ohne dass umfassende Informationen nach außen dringen und Anliegen und Interessen der Stadtbewohner einbezogen wurden.

Manfred Borg von der Buchhandlung Ulenspiegel machte als Vertreter der IG Löherstraße in seiner Begrüßungsansprache dafür zwei Hindernisse ausfindig: Zum einen verkrustete Strukturen in den Planungsbehörden, zum anderen die Bürgerinnen und Bürger selbst, die zu spät eigeninitiativ ins Geschehen eingriffen. Vom Filmabend erhoffen er und die anderen Veranstalter sich Impulse für mehr Bürgerbeteiligung in Fulda.

Und diese Impulse boten der Film und vor allem das anschließende Publikumsgespräch mit der anwesenden Regisseurin Anna Ditges reichlich. „Wem gehört die Stadt?“ begleitet das Ringen um die zukünftige Nutzung eines Industrieareals mitten in einem gewachsenen Kölner Quartier. Er führt von den ersten kochenden Emotionen und scheinbar unvereinbaren Positionen über einen langen Weg von zwei Jahren und einen moderierten Beteiligungsprozess mit Workshops und Arbeitsgruppen zu einer Lösung, die von fast allen Beteiligten mitgetragen werden kann. Der Film macht Lust, den Dialog und die Auseinandersetzung zu wagen, verschweigt aber auch die Anstrengungen und Enttäuschungen nicht.

Die Fragen aus dem Publikum an die Regisseurin bezogen sich vor allem auf das „Erfolgsrezept“ des Kölner Modells und seine Übertragbarkeit auf die Gegebenheiten in Fulda. Anna Ditges nannte hier vor allem die unterschiedlichen Kompetenzen der in der Bürgerinitiative engagierten Menschen – das Fachwissen der Architektin, die Machbarkeiten einschätze; das rhetorische Geschick des Lehrers, der als Sprecher fungierte; das handwerkliche Können des Schreines, der Modelle baute oder die Fantasie der Gärtnerin, die zu kreativem Denken ermutigte. So sei die Bürgerinitiative für die Verantwortlichen der Stadt und auch die Investoren zu einem ernstzunehmenden Gegenüber mit Beratungsfunktion geworden.

Gerne hätte man den Abend auch mit Vertretern aus Verwaltung und Politik geteilt. Die Veranstalter bedauerten, dass die Einladungen aus verschiedenen Gründen nicht angenommen wurden. Vor allem, da die CDU-Fraktion samt Bürgermeister am gleichen Abend eine Ortsbegehung des Areals vorgenommen hatte und das mögliche Nutzungskonzept ohnehin auf der Tagesordnung stand, wäre man hier über mehr Interesse an der Veranstaltung erfreut gewesen. Man werde jedoch, so Borg im Namen aller Veranstalter, erneut auf die städtischen Vertreter zugehen und über bessere Terminabsprachen versuchen, doch noch in den Austausch zu kommen. Dass man sich hier nicht als Gegner betrachte, drückte Borg in seinem Schlusswort so aus: „Wir Bürgerinnen und Bürger müssen Beteiligung üben, weil wir das nicht gewohnt sind. Und wir müssen die Verwaltung und die Politik in das Üben miteinbeziehen.“

In Köln hat sich ein scheinbar schon geschlossener Prozess durch die Hartnäckigkeit einer Bürgerinitiative wieder geöffnet und damit etwas Neues ermöglicht. So kamen Gebautes und Gelebtes im Stadtteil wieder in Einklang. Fast meinte man, an dieser Stelle ein hoffnungsvolles Seufzen durch das alte Gebäude des Löhertors ziehen zu hören…. +++


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