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FULDA Die MITTWOCHS-KOLUMNE

WIELOCH schreibt an (1) .... die SOMMERLAD-Mitarbeiter in Petersberg

ZUR PERSON: In „Wieloch schreibt an“ richtet sich Jochen Wieloch (40) ab sofort immer mittwochs in einem persönlichen Brief nicht nur an regionale Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Sport oder Kultur, sondern auch an Menschen des Alltags, die in den Tagen zuvor besonders aufgefallen sind und für positive oder negative Schlagzeilen gesorgt haben. Bei der Kolumne handelt es sich um eine Mischung aus Kommentar und Portraitierung, in der Jochen Wieloch mal sachlich, mal emotional lobt, kritisiert und bei Bedarf auch ordentlich Dampf ablässt. Der Petersberger kennt sich in den Medien Print, TV und Internet bestens aus und ist unter anderem als Spezialist für Unterhaltungs-elektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete der Germanist unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München.

31.08.16 - Liebe Sommerlad-Mitarbeiter,
ich wünschte, Sie würden keine Möbel, sondern Autos verkaufen. Die Autoindustrie hat bei uns eine gewaltige Lobby. Vor Porsche, Mercedes und BMW kuscht die Politik. Kampflos wird hier gegen den Willen der Fahrzeugbauer keine komplette Belegschaft mal so eben aussortiert. Sie verkaufen hingegen – ohne Schummelsoftware – „nur“ Betten, Schränke, Sessel und Sofas. Auf denen gönnen sich auch die ein entspanntes Nickerchen, die Sie gerade im Nieselregen stehen lassen, während Sie sich nachts unruhig im Bett wälzen. Eine ungewisse Zukunft ist kein sanftes Ruhekissen.

130 von Ihnen droht die Arbeitslosigkeit. Das sind zu wenige. „Besser“ wären 1.300 oder 13.000. Dann stünden die Einflussreichen und Meinungsmacher Schlange, um Ihnen zu helfen (oder um sich zu profilieren. Aber egal, es würde was passieren). Denn Ihr Schicksal wäre bundesweit in den Medien. Ihr Retter auch. Ein Held, der die nächste Wahl schon so gut wie gewonnen hätte. So bleibt die Sommerlad-Thematik eine regionale Angelegenheit. In Wiesbaden und Berlin hat man anderes zu tun, als sich um ein Möbelhaus zu kümmern. Sie tragen keine Burka. Auf Ihrem Schreibtisch stapeln sich keine Montblanc-Füller. Haben Sie Ihre Hamsterkäufe gut gekühlt im Keller gelagert? Oder sparen Sie schon jetzt, weil das Horrorszenario Arbeitslosengeld wie ein Damoklesschwert über Ihnen schwebt?
Wir haben Ende August 2016. Hochsommer. Die Freibäder sind noch einmal überfüllt. Am Wochenende sind überhitzte Straßen geplatzt wie Ihr Traum von einem sicheren Job. Viele genießen die letzten heißen Tage des Jahres. Sie haben dafür keinen Kopf. Ihre heißen und vielleicht letzten Sommerlad-Tage stehen erst bevor. Haben Sie im Frühjahr 2017, wenn der Raps zwischen Rhön und Vogelsberg wieder blüht, noch Arbeit? Oder ist Sommerlad in der Region dann bereits Geschichte?

Stand jetzt wohl ja. Sie kämpfen zwar. Sie gehen auf die Straße. Sie lassen sich nicht unterkriegen. Doch was passiert sonst? Es gibt die üblichen Beileidsbekundungen, die beliebten medialen Krokodilstränen. Allen tut es wahnsinnig leid. Jeder schiebt jedem die Schuld zu. Aber wurde Ihnen schon ein einziger konstruktiver Vorschlag unterbreitet, ein Plan B? Hat sich bei Ihnen jemand gemeldet, der für Sie mit allen Konsequenzen den Karren aus dem Dreck ziehen will? Richtig, Sie verkaufen „nur“ Schränke, Tische, Lampen und Kommoden… Zwar aus Holz, aber dicke Bretter bohren die meisten Politiker lieber mit anderen, massenkompatibleren Themen.

Wenigstens die Solidarität Ihrer Mitmenschen ist Ihnen sicher. Ihre Online-Petition hat schon fast 1.500 Unterstützer. Hier äußern viele ihren Unmut. Drücken Ihnen die Daumen. Stärken Ihnen den Rücken. Doch Fakt ist auch: Geht die Sache schief, kräht schon niemand mehr aus der Region nach Sommerlad und schon gar nicht nach Ihnen, wenn auf der Wasserkuppe die letzten Schneefelder zu schmelzen beginnen. Auch im beschaulichen Osthessen ist die Welt schnelllebig und oberflächlich. Alles ist vergänglich. Schließt Sommerlad die Türen, rennt die Masse für ihr neues Ess- oder Gästezimmer eben woanders hin, in den Billig-Nachmieter, ins Rhein-Main-Gebiet, nach Kassel oder Würzburg, mit Sicherheit aber nicht ins Landratsamt oder Regierungspräsidium. Die nette Dame von der Kasse, der kompetente Berater aus der Bettenabteilung, den man seit Jahrzehnten kennt: Beide sind schneller vergessen, als Sie „Siebenzonenkaltschaummatratze“ aussprechen können. Sie teilen das Schicksal der deutschen Olympiasieger im Kanu, Bahnradfahren oder Schießen: die sind für kurze Zeit in aller Munde, dann blitzschnell wieder vergessen.

Was Ihnen jetzt nur bleibt, ist abzuwarten. Auf die Entscheidung der Regionalversammlung. Sie sind der Spielball von unterschiedlichen Interessen, von Machtspielchen, von Eitelkeiten. 15 Mitglieder des Zentralausschusses der Regionalversammlung – was auch immer das sein mag – haben Ihr Glück in der Hand. Grischa Betram aus Hessisch-Lichtenau, Dieter Franz aus Wehretal, Willi Werner aus Edermünde. Was haben die mit unserem Möbelhaus am Hut? Ich befürchte, bei Sommerlad gehen die Lichter aus. Lichter, die dank Ihnen 30 Jahre gebrannt haben.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Jochen Wieloch 


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