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Nach Feierabend und am Wochenende die Arbeitsklamotten anziehen und die Schippe am eigenen Bau schwingen? Das sollten nur Bauherren tun, die wirklich ein handwerkliches Händchen haben. - Foto: fotolia.com © ACP prod

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Wir bauen uns ein Haus - Was geht heute noch in Eigenregie?

16.09.16 - In früheren Zeiten war es beim Neubau für viele ganz selbstverständlich, weite Teile des Hauses mit eigener Hände Arbeit fertigzustellen. Allerdings: Damals herrschten auch, wie man so schön sagt, noch „andere Zeiten“. Vor allem hinsichtlich der Komplexität moderner ökologischer Häuser, selbst in klassischer Mauerwerks-Bauweise, stellt sich die Frage: Was kann der Privatmann heute noch ohne weitergehende Erfahrungen mit Bauarbeiten bewerkstelligen? Der folgende Artikel gibt Antworten.

Grundsätzliches

Natürlich stellt sich zunächst die Frage nach dem Warum: Wieso sollte jemand, der keine Ahnung vom Hausbau hat, der einem Vollzeitjob nachgeht, sich überhaupt Feierabende, Wochenenden und Urlaube um die Ohren zu schlagen. Nur um an seinem Haus zu arbeiten, wenn Profis dies nicht nur schneller, sondern meist auch hochwertiger hinbekommen und es auf die Arbeit von Fachleuten sogar noch in bestimmtem Rahmen Garantie gibt?

Die Antworten sind vielschichtig, aber in den allermeisten Fällen geht es um zwei Dinge:
• Geld sparen
• Besitzerstolz

Ersteres leuchtet ein: Je weniger Handwerkerstunden anfallen, desto geringer ist auch die Summe, die hinterher auf der Rechnung steht. Letzteres ist jedoch eine Antwort auf psychologischer Ebene, eng verwandt mit jenen Charakteren, die ein altes Auto Schraube für Schraube zerlegen und restaurieren und erschließt sich nicht jedem: Jede Leitung, die man selbst verlegt, jeden Wasserhahn, den man anschraubt und jede Tapetenbahn, die man einkleistert, vertieft die Verbindung zwischen Haus und Besitzer. Was der Mensch mit eigenen Händen bearbeitet, sieht er als „seins“ an. Natürlich gehört auch ein ökologisches Holz-Fertighaus, das komplett von einer Firma errichtet wurde, gesehen seinem Besitzer (bzw. bis zur Abtragung der Schulden seiner Bank). Aber: Eigenleistung birgt eine andere Form von Besitz, die viel tiefer geht, als das rein Materielle.

Jeder zusätzliche Helfer aus dem Bekannten- und Familienkreis muss bei der Berufsgenossenschaft ...Foto: fotolia.com © Monkey Business

Ebenso zu den Grundsätzen gehört auch die Frage nach dem Maximum der Eigenleistung. Prinzipiell lautet hier die Antwort: „The sky is the limit“. Talentierte Heimwerkerkönige können mit Geduld und Lernfähigkeit ein ganzes Haus im Alleingang bauen, wohingegen andere „zwei linke Hände und an jeder Hand fünf Daumen“ besitzen und schon mit dem Anschrauben einer Steckdosenblende überfordert wären. Wie viel man sich zutraut, ist Sache gesunder Selbsteinschätzung. Und die bedarf viel Ehrlichkeit – denn rechtlich gibt es keine Grenzen, was der Bauherr selbst erledigen darf – solange ein Fachmann die Arbeit abnimmt.

Was jedoch bei allem Elan niemals vergessen werden sollte: All dies gilt nur, wenn der Bauherr selbst zugreift. Sobald er auch nur einen Familienangehörigen, Kumpel oder Kollegen als Helfer mit auf den Bau nimmt, muss dieser bei der Berufsgenossenschaft angemeldet werden, sonst drohen Bußgelder bis 2500 Euro. Und weil immer etwas passieren kann, sollte für diese Personen auch eine Bauhelferversicherung abgeschlossen werden. Übrigens ist auch ein Gespräch mit der Bank ratsam: Solche „Muskelhypotheken“ werden von den Geldgebern oft vergolten.

Eigenregie im Außenbereich

Wer ein Auto fahren kann, kann meist auch einen Minibagger bedienen – das perfekte ...Foto: fotolia.com © MightyBlue

Dort, wo es vielleicht nicht auf zentimetergenaue Präzision ankommt, liegt vielleicht der Punkt, an dem Bauherren noch am ehesten selbst eingreifen können:

• Die einfachste Arbeit ist das Vorbereiten der Baustelle. Also das Roden von Büschen und Bäumen sowie ähnliche Arbeiten. Wer mit Säge und Astschere umgehen kann, der kann hier die gesamte Arbeit übernehmen.

• Das Ausheben der Baugrube ist prinzipiell möglich. De facto ist es nicht schwer, die Bedienung eines Baggers zu erlernen. Allerdings müssen beim Aushub der Baugrube bereits bestimmte Normen eingehalten werden, darunter beispielsweise der Böschungswinkel. Und je tiefer die Grube, desto größer muss auch der Bagger sein. Damit bleibt als realistische Antwort: Häuser, die ohne Keller gebaut werden, können auch von ambitionierten Laien mit einem Minibagger begonnen werden. Sobald jedoch größere Tiefen notwendig sind, sollten Profis rangelassen werden.

Mauerarbeiten sind Zentimeterarbeit. Und heute verhält es sich auch nicht mehr so, dass Steine einfach mit einer Ladung Mörtel als Verbindung aufgeschichtet werden. Hier kommen Kleber zum Einsatz, um Wärmebrücken zu eliminieren. Zwar tragen diese Arbeiten oft zur Hälfte der gesamten Baukosten bei, aber weil hier so viel Präzision vonnöten ist, sollten sich nur sehr erfahrene Heimwerker damit befassen.

Das Verputzen von Wanddämmungen ist sehr knifflig: Um Spannungsrisse zu vermeiden, ...Foto: fotolia.com © Ingo Bartussek

Verputz- und Malerarbeiten können durchaus auch von Laien erledigt werden, wenn ein Sinn für Präzision vorhanden ist. Aber: Besonders wenn die Fassade gedämmt werden soll, ist ein komplexes Mehrschicht-Verputzen vonnöten, das auch Profi-Heimwerker überfordern kann. Wenn jedoch der Außenanstrich ansteht, können Laien wieder mitmachen: Gerüst und hochwertige Farben vorausgesetzt, ist der Außenanstrich nicht schwerer, als der eines Raumes.

Bei abschließenden Außenarbeiten wie dem Anlegen eines Gartens, dem Verteilen von Kies und anderem Deko-Schüttgut können Bauherren ebenfalls brillieren. Vor allem auch, weil hier praktisch keine mechanischen Werkzeuge vonnöten sind.

Wichtig jedoch: Selbst Bauherren mit den genannten linken Händen können bei den Außenarbeiten immer noch sparen, wenn sie anpacken helfen. Das kann das Tragen von Steinen und Zementsäcken sein, oder auch das bloße Auskehren der Baustelle nach Feierabend. Das spart zwar nicht viele Kosten, aber immerhin etwas. 

Eigenregie im Innenraum

Im Innenraum kommt es noch mehr auf Genauigkeit und Präzision an: Böden müssen über mehrere Meter in der Waage liegen, dutzende Fliesen genau gleich hoch in ein Bett aus Kleber gelegt werden. Der Vorteil: Solche Arbeiten können erlernt werden und wenn, dann sparen sie viel Geld.

Schlitze klopfen ist, sofern mit Umsicht ausgeführt, relativ einfach – aber dafür ...Foto: fotolia.com © VRD

• Für alle Leitungen und Rohre müssen Schlitze in die Wände gestemmt werden, damit sie unter Putz verlegt werden können. Wer mit einem Bohrhammer umgehen kann und die notwendigen Normen einhält, darf loslegen. Und wer es sich nicht zutraut, kann zumindest die Unmengen Schutt, die dabei anfallen, beseitigen.

• Das Verlegen der Leitungen und Rohre in diesen Schlitzen ist dann auch kein Problem mehr. Allerdings: Der Anschluss insbesondere von Elektroleitungen, sollte unbedingt den Profis überlassen werden.

• Ebenfalls nach etwas Einarbeitung einfach ist das Verschließen der Schlitze mit Mörtel und Gips. Vor allem, weil die Wände später sowieso noch verputzt werden, ist hier keine Millimeterarbeit vonnöten.

Je größer der Raum und je kleiner die Fliesen, desto weniger ist diese Arbeit für ...Foto: fotolia.com © redaktion93

• Das Einsetzen von Türen und Fenstern, insbesondere im Außenbereich, ist Maßarbeit total. Hauptsächlich, weil es sich auch auf die Dämmwirkung auswirken kann. Deshalb sollten sich nur wirkliche Heimwerkerkönige an die Arbeit machen.

• Beim Verputzen der Innenwände gilt im Prinzip das gleiche wie im Außenbereich. Bloß, dass hier keine Schichten erforderlich sind. Wer also mit Putzlehren, Aluschiene und Reibbrett arbeiten kann, spart viel Geld. Auch, weil damit schon die endgültige Wandgestaltung im Sinne von Wischtechniken möglich ist.

• Einen Estrich richtig verlegen können nur die Wenigsten. Was aber jeder kann: Teppiche und ähnliche ausrollbare Böden verlegen. Allerdings: Dafür werden im Idealfall mehrere Handpaare benötigt.

• Beim Verlegen von Fliesen ist wiederum absolute Maßarbeit gefordert: Schon eine schief verlegte Fliese kann die ganze Wand oder den Boden schief werden lassen. Dagegen gibt es aber Hilfsmittel wie Fliesenkreuze und entsprechende Fliesenkleberkellen. Ein Pluspunkt: Fliesenlegen ist wie Fahrradfahren. Hat man einmal den Dreh raus, kann man es auf jeden Fall. Wer sich das nicht zutraut, kann aber immer noch beim Verfugen anpacken, denn das ähnelt einer sehr einfachen Verputzarbeit.

Tapezieren gehört zu den beliebtesten Eigenleistungen. Auch, weil Fehler einen ...Foto: fotolia.com © jackfrog

Tapezieren & Anstreichen, darin hat wohl jeder bereits die ein oder andere Erfahrung gemacht, bevor er sich zum Hausbau entschließt. Und: Diese beiden Arbeiten können nicht nur von vielen ausgeführt werden, sie zählen auch zu den beliebtesten Eigenleistungen am Bau.

• Das Aufstellen des Dachstuhls und das Decken desselbigen ist zwar reine Profi-Arbeit. Allerdings gehört dazu nicht das Dämmen des Dach-Inneren. Sofern die Profis nicht alles schon in einem Abwasch von außen erledigen, kann das Anbringen einer Zwischensparren-Dämmung eine gute Eigenleistung sein. Denn: sie kann in einzelnen Schritten ohne Zeitdruck erledigt werden. Solange außen bereits Unterspannbahn, Latten und Deckung befestigt sind, können sich Laien innen mit Zollstock und Dämmwolle austoben.

• Und selbst wenn der Elektriker bereits alles Weitere übernommen hat, bleibt noch eine letzte Arbeit: Das Befestigen der Blenden von Lichtschaltern und Steckdosen. Das ist zwar keine wirkliche Ersparnis, dafür aber auch an einem Vormittag erledigt. Zumal es von der logischen Reihenfolge her direkt aufs Tapezieren und Anstreichen folgt und somit in einer Tour erledigt werden kann.

• Eine letzte Heimwerker-Option ist das Anbringen von Armaturen im Nassbereich. Dies wird vor allem dadurch vereinfacht, dass Wasserhähne und Co meist als Paket mit allen benötigten Dichtungen ausgeliefert werden. Das macht es auch Anfängern einfach, hier nochmals ein paar Handwerkerstunden zu sparen, um Duschkopf und Co zu installieren.

Dabei sei aber nicht nur für den Innenraum auf eins mit Nachdruck hingewiesen: Niemand ist perfekt. Aber wer sich eine Arbeit nicht hundertprozentig zutraut, sollte sofort abbrechen, bevor ein falscher Schritt große Konsequenzen hat. Und dann sollte als erstes überlegt werden, ob sich im Bekanntenkreis ein qualifizierterer Helfer befindet. Dies aus dem einfachen Grund: Wenn Handwerker kurzfristig zur Behebung von „Laien-Schäden“ gerufen werden, dann fallen meist sehr viel höhere Kosten an, als wenn die Firma die gleichen Arbeiten mit Vorlaufzeit im Rohzustand hätte erledigen können.

Fazit

Es ist nahezu immer möglich, durch Eigenleistungen am Bau Geld zu sparen. Ratsam ist es jedoch nur, wenn wirklich die notwendigen Fähigkeiten vorhanden sind. Das gilt besonders für das ökologische Bauen, wo es in energetischer Hinsicht noch auf viel mehr Details ankommt, die oft nur Fachleute mitbringen. Im Zweifelsfall sollten Bauherren lieber davon absehen und sich einfacheren Aufgaben widmen, um das Endergebnis nicht zu gefährden. +++


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