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Ein persönlicher Brief heute wieder von Jochen Wieloch ... -

REGION Die MITTWOCHS-KOLUMNE

WIELOCH schreibt an (4) … die Bischöfe in Fulda

21.09.16 - Liebe Bischöfe in Fulda,

ich wäre gerne Mäuschen, wenn Sie sich in diesen Tagen im Schatten des Doms hinter verschlossenen Türen treffen. Sie müssen sich fühlen wie die Vorsitzenden einer Partei, eines Sportvereins oder eines Sozialverbands: Denn auch Ihnen laufen die Mitglieder scharenweise davon. Knapp 182.000 Menschen haben sich im vergangenen Jahr von der katholischen Kirche verabschiedet, 2014 waren es fast 218.000. Nur 10,4 Prozent der Katholiken besuchen die Gottesdienste. Das ist so, als wenn Borussia Dortmund zu Hause vor 8.000 Zuschauern kickt oder Günther Jauch ohne Publikum im Studio Fragen stellt. Doch damit nicht genug: Der Kirche geht das Personal aus. Gerade mal 58 junge Männer wollten zuletzt noch Priester werden, so wenige wie nie zuvor. Die Jugend von heute träumt von einer Zukunft als Pokémon-Jäger, YouTube-Star oder Big-Brother-Kandidat. Wer Karriere machen oder helfen will wird Arzt, Krebsforscher oder Sozialarbeiter.

Liebe Bischöfe, für mich hat Ihre Kirche kein inhaltliches Problem. Nächstenliebe, Solidarität, Hilfsbereitschaft sind zeitlose Tugenden. Ihr Programm ergibt sich von selbst, Spielregeln und Teilnahmebedingungen sind – falls erforderlich – modifizierbar. Was der Kirche ein wenig fehlt, sind Menschenfischer, Botschafter des Glaubens – egal ob Mann oder Frau – die die Jugend mitreißen. Charaktere, die fesseln, gerne auch polarisieren, die in TV-Talkshows mal lautstark auf den Tisch hauen oder an verkaufsoffenen Sonntagen die Messe demonstrativ vor dem Baumarkt abhalten. Motto: "Wir haben immer sieben Tage die Woche für Sie geöffnet."

"Die Sache Jesu braucht Begeisterte" heißt es in einem modernen Kirchenlied. Begeisterte Menschen erfordern Begeisterung. Lieber Kardinal Marx, Sie haben im Eröffnungsgottesdienst auf die Enzyklika Rerum novarum von Papst Leo XIII. verwiesen. Ihre historische Ableitung ist plausibel, Ihre Mitbrüder mag das intellektuell und theologisch begeistert haben. Die Schüler, die zu früher Stunde im Dom erschienen sind, haben Sie damit aber wahrscheinlich ins Reich der Träume verabschiedet. Ein schwieriger Spagat zwischen profunder inhaltlicher Auseinandersetzung und zeitgemäßer jugendlicher Ansprache.

Liebe Bischöfe, ich wünsche mir eine Kirche, die nicht so häufig die intellektuelle Messlatte so hoch legt – mit weniger knallharter Theologie, weniger Altem Testament, mit weniger anspruchsvoller Kost. Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche: Vermitteln Sie menschliche Werte, werden Sie bürgernäher, alltäglicher, greifbarer. Jesus hat es vorgelebt. Sprechen Sie seine verständliche Sprache. Er hätte sich über Konzerte auf dem Domplatz und kräftige Bässe gefreut, die die Mauern vibrieren lassen, und notfalls noch Wasser in Wein verwandeln. All das gelingt, ohne die Kirche zu reformieren, ohne Jahrhunderte alte Traditionen und Gesetze über Bord zu werfen. Die Zehn Gebote sind so simpel. Erfüllen Sie Ihr eigenes zentrales Regelwerk doch einfach mit Leben, reden Sie darüber. Am Fußballplatz. Im Jugendtreff. Beim Oktoberfest. Neue Mitglieder gewinnen Sie nicht in der leeren Kirche, sondern außerhalb der Gotteshäuser. Hier sind viele auf der Suche nach dem Sinn ihres Daseins.

Bonifatius war Missionar, ein ständiger Unruheherd. Er wartete nicht, bis die Menschen zu ihm kamen. Er ging zu ihnen und erreichte sie. Auch ohne dicke Dienstlimousine.


Mit herzlichen Grüßen

Jochen Wieloch


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