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FULDA Deutsche Bischofskonferenz

Kardinal MARX beklagt verschärfte Tonlage in der Flüchtlingsfrage

23.09.16 - Unter starkem medialen Interesse hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Reinhard Marx im Auditorium Maximum der Theologischen Fakultät die Arbeit der vergangenen Tage während der Herbstvollversammlung Revue passieren lassen und sich den Fragen der Journalisten gestellt. Dabei stand das Thema des Studientags Armut und Ausgrenzung im Fokus des Interesses. Aber auch der Dialog der Religionen untereinander, die Frage nach dem Umgang mit der Flüchtlingsfrage und wie Integration gelingen kann, wurde von den Bischöfen debattiert.

Kardinal Marx bei der Abschlusspressekonferenz

Natürlich wurde der Kardinal mehrfach auf die umstrittene Äußerung des CSU-Generalsekretärs Andreas Scheuer über "fußballspielenden, ministrierenden Senegalesen" angesprochen, die „man nicht wieder loswürde. „Verdient die CSU nach dieser Aussage überhaupt noch das Attribut christlich im Namen? Marx zeigte sich auf wiederholte Nachfragen erneut besorgt über die Verschärfung der Tonlage in der politischen Auseinandersetzung über die Flüchtlingsfrage und mahnte eindringlich zur Mäßigung. Er wiederholte in diesem Zusammenhang, der menschenwürdige Umgang mit denen, die zu uns kommen, sei nicht verhandelbar. „Ich sage es wie ein Mantra: Jeder der unsere Grenze erreicht, hat ein faires Verfahren verdient. Niemand wird in Länder zurückgeschickt, in denen Krieg und Terror herrschen. Und wir müssen dafür sorgen, dass niemand mehr im Mittelmeer ertrinkt - wie es noch jeden Tag geschieht.“

Wörtlich sagte Marx: „Ich habe bereits in den vergangenen Tagen wiederholt darauf hingewiesen, dass die politische Debatte derzeit eine problematische Entwicklung aufweist. Mancherorts hat sich die Sprache bedenklich radikalisiert, was weder den Flüchtlingen gerecht wird, die in ihrer ganz großen Mehrheit eben keine Terroristen oder Kriminelle sind, noch dem gesellschaftlichen Frieden. Oft wird zu wenig über die Erfolge bei der Aufnahme von Geflüchteten und über konkrete, praktische, zur Lösung anstehende Probleme gesprochen; stattdessen werden – trotz der deutlich rückläufigen Zahl von Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen – Überforderungs-, wenn nicht gar Untergangsszenarien in die Debatte geworfen. So aber kann unser Land die großen Herausforderungen nicht bestehen. Die Bevölkerung wird verunsichert, die große Hilfsbereitschaft könnte zurückgehen. Gefordert sind stattdessen Klugheit, Sachlichkeit und Nüchternheit im Umgang mit den Schwierigkeiten – und dabei das klare Bekenntnis, dass unser Land den Armen und Bedrängten nicht den Rücken zuwendet. Die Bischöfe sehen auch mit Sorge, dass die mangelnde Solidaritätsbereitschaft in Europa sowohl faire Lösungen der Flüchtlingskrise untergräbt als auch das Projekt der europäischen Integration gefährdet.“


Studientag zu Armut und Ausgrenzung


Der Studientag der Vollversammlung am gestrigen Mittwoch stand unter dem Thema "Armut und Ausgrenzung als Herausforderung für die Kirche und ihre Caritas“. Ziel sei es, die aktuellen Herausforderungen von Armut und sozialer Ausgrenzung für Kirche und Caritas zu beschreiben und Ansätze zu ihrer wirksameren Bekämpfung zu entwickeln. Dabei sollten die Armen nicht nur als Hilfeempfänger und die Kirche nicht nur als mildtätig verstanden werden. Kardinal Rainer Maria Woelki hatte Armut als gesellschaftlichen Skandal bezeichnet. Das Leitwort des Caritasverbandes „Not sehen und handeln“ sei zugleich Auftrag und Verpflichtung.

Auch das Problem eines neuartigen „Dienstleistungsproletariats“, das von seinem Einkommen nicht mehr leben könne und die Situation der Bezieher staatlicher Zuwendungen stelle die Kirche vor neue Aufgaben. Es werde immer wieder notwendig sein, sich auch dort einzusetzen, wo staatliche Regelungen nicht greifen. Eine armutssensible Kirche beginne da, wo es auch für einen selbst unbequem werde. Ein anderer Zugang stellte eine vieldiskutierte Spannung in den Mittelpunkt: Der Reichtum der Kirche müsse nicht im Widerspruch zu ihrer Armutsorientierung stehen, wenn er als Ressource für eine wirksame Armutsprävention eingesetzt werde. Unbestritten sei auch die Bedeutung eines politisch-diakonischen Zugangs zur Armutsproblematik. Der Einsatz für die Interessen von benachteiligten Menschen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sei notwendig, etwa um das Gesundheitssystem mitzugestalten und zu helfen, dass benachteiligte Gruppen dabei nicht an den Rand gedrängt werden. Die Kirche müsse von ihrem Selbstverständnis her Pionierin und Vorreiterin in der Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung sein. Wenn Jesus sich so sehr um die Armen bemühe, dann müsse das auch die Kirche tun, die ihm nachfolge.

Sorge über Arnzeimittelforschung

Marx nahm auch noch einmal Stellung zum Schutz für nicht einwilligungsfähige Menschen im Bereich der Arzneimittelforschung Stellung. Aus aktuellem Anlass sei in der Vollversammlung über die Debatte um eine Aufweichung des Schutzes für nicht einwilligungsfähige Menschen im Bereich der Arzneimittelforschung gesprochen worden, die die Bischöfe mit Sorge erfülle. In der aktuellen politischen Diskussion gehe es um die Frage, ob Arzneimitteltests an nicht einwilligungsfähigen Menschen, die diesen selber keinen Nutzen bringen, in Zukunft unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht werden sollen. „Wir haben große Bedenken, weil diese Art der Forschung erhebliche Gefahren und Belastungen für eine extrem schutzbedürftige Gruppe von Menschen, wie etwa Demenzkranke in einem fortgeschrittenen Stadium, mit sich bringt. Nach den bisherigen Diskussionen erscheint es höchst zweifelhaft, dass die erstklassige klinische Forschung in Deutschland, die auch im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz einnimmt, auf diese problematischen Formen der Arzneimitteltests überhaupt angewiesen ist, um wissenschaftliche Fortschritte etwa auf dem Gebiet der Demenzforschung zu erzielen“, sagte der Vorsitzende. Solange diese Zweifel nicht ausgeräumt und die Fragen nicht geklärt seien, sei es höchst problematisch, das hohe deutsche Schutzniveau in diesem Bereich aufzuweichen. „Wir hoffen, dass sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestags die nötige Zeit und den Raum nehmen werden, diese offenen Fragen vor einer Entscheidung sorgfältig zu klären.“

Bischöfe besorgt über Situation in der Europäischen Union

Die Vollversammlung hat sich auch mit der Situation der Europäischen Union (EU) vor dem
Hintergrund der Flüchtlingssituation und des Brexit-Referendums befasst. Europa traue man in der öffentlichen Meinung immer weniger zu, Antworten auf die aktuellen politischen Herausforderungen geben zu können, nachdem nationale Egoismen und mangelnde Kompromissbereitschaft der Mitgliedstaaten die EU in eine tiefe Krise geführt hätten. Der „Brexit“ stellt die EU vor große Herausforderungen, da er die schlechte Meinung zum Ausdruck bringt, die gegenüber der EU in der Öffentlichkeit besteht. Die Mitgliedstaaten haben sich nach dem Referendum in Großbritannien dazu bekannt, an der europäischen Einigung festzuhalten. Vor diesem Hintergrund unterstreiche die Vollversammlung die Bedeutung der Europäischen Einigung als Friedens- und Versöhnungsprojekt. Auf der Grundlage ihrer positiven und konstruktiven Haltung zur politischen Einigung des Kontinents werde sich die Kirche aktiv an
der Debatte über die Zukunft der EU beteiligen. Sie wird sich auch weiterhin und nachdrücklich für die Europäische Integration als Projekt des Friedens und der Einigung in Europa engagieren.

Situation von wiederverheiratet Geschiedenen

Die Vollversammlung habe sich intensiv mit dem Nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia von Papst Franziskus befasst, das „neuen Schwung für aktuelle Fragen gibt, den die deutschen Bischöfe aufgreifen wollen. Damit öffnet der Papst die Tür für eine anspruchsvolle Seelsorge, die uns herausfordert. Das betrifft gerade auch einen veränderten Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen“. Konkrete Beschlüsse sind in der Herbstvollversammlung dazu aber nicht gefasst worden.

Aktuelle Flüchtlingsproblematik

Auch bei dieser Vollversammlung wurde intensiv über die Herausforderungen diskutiert, die die große Zahl von Flüchtlingen für die Gesellschaft und die Kirche mit sich bringe. Dabei sei deutlich geworden, dass die katholische Kirche auf allen Ebenen auch weiterhin in sehr beachtlichem Maße tätig sei und in ihren Anstrengungen nicht nachgelassen habe. Von Januar bis zum 31. Juli dieses Jahres haben die Bistümer nach eigener Angabe insgesamt mindestens 79,5 Millionen Euro für die Flüchtlingsarbeit aufgebracht: Davon rund 52,2 Millionen Euro für Flüchtlingsprojekte in Deutschland und rund 27,3 Millionen Euro für Flüchtlingsprojekte in den Krisenregionen.PM/ Carla Ihle-Becker+++


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