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- Montage: Nicole Wagner / Fotos: Julius Böhm

EICHENZELL Die Causa Sachsenhausen

O|N spricht mit Bürgermeister KOLB und IG: "Zur Not geht es vor Gericht"

29.09.16 - Eichenzell-Sachsenhausen (Landkreis Fulda) ist seit über einem Jahr eine reine Baustelle. Glasfaserkabel, Abwasserleitung, Strom, Gas - all diese Arbeiten, Löcher im Asphalt und Behinderungen für den Verkehr waren bisher nur Vorgeplänkel, denn ab kommender Woche soll die eigentliche Erneuerung der Straße beginnen. 1,17 Millionen Euro soll das Projekt kosten. Rund die Hälfte des Geldes müssen die Anwohner zahlen - einzelne an die 30.000 Euro. Das sorgt seit Wochen für Ärger, zumal die Planungen der Gemeinde nicht mit den Vorstellungen der mittlerweile gegründeten Interessengemeinschaft (IG) Sachsenhausen übereinstimmen. Auch den gerichtlichen Weg scheuen die Anwohner nicht.

51 Jahre ist die Straße Sachsenhausen mittlerweile alt. Einst Kreisstraße wurde die Durchfahrt 1992 zur Gemeindestraße "degradiert". Schon damals (vor 27 Jahren) war klar, dass Fahrbahn und Gehwege in naher Zukunft erneuert werden müssen. "Damals stellten Kommune und Landkreis einen Antrag auf Fördergelder, der abgelehnt wurde. Also bestand damals schon Bedarf", erklärt Eichenzells Bürgermeister Dieter Kolb (parteilos) im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Die IG kritisiert, dass seitdem keine Reperaturmaßnahmen von Gemeindeseite vollzogen wurden. Eine Aufstellung von Instandhaltungsmaßnahmen wurde von der Gemeinde nicht erstellt. "Das wäre viel zu viel Arbeit. Fakt ist, dass nur die allernötigsten Reperaturen durchgeführt wurden, weil die Komplettsanierung so oder so nötig gewesen wäre."

Mit Aufklebern auf Mülltonnen machen die Anwohner ihrem Unmut Luft

Was ist der Grund für die komplette Straßenerneuerung?

Die IG Sachsenhausen sieht ihn in den maroden Abwasserleitungen. "Angeblich ist der Kanal unterdimensioniert und teilweise beschädigt. Also wäre es Aufgabe des Abwasserverbandes oberes Fuldatal, diese Bauarbeiten zu erledigen, zu bezahlen und die Straße wieder ordentlich zu verschließen", sagt Friedrich Schönherr von der IG Sachsenhausen. "In diesem Zuge könnte man dann die Straße für die Anwohner kostengünstig erneuern - die Gemeinde macht es aber genau umgekehrt. Sie nimmt die Straßenerneuerung als Hauptgrund und lässt die Kanalerneuerung 'nebenherlaufen'." Zudem bestünde bei Bürgermeister Kolb ein Interessenskonflikt, weil er der Vorsitzende des Abwasserverbandes ist.

Kolb weist den Vorwurf der Befangenheit zurück. "Außerdem sind die Arbeiten am Kanal ein eigenes Projekt, das der Abwasserverband natürlich zahlt. Umgekehrt gibt es sogar eine Gutschrift für die Anwohner von knapp 50.000 Euro, um die Fahrbahndecke zu erneuern", so Kolb. Der Gemeindevorstand habe die Erneuerung von Sachsenhausen für den Haushalt 2016 eingebracht, dann habe man alle Versorgungsträger kontaktiert, inwiefern Erneuerungen nötig seien. "Einfach, damit die neue Straße nicht nach zwei Jahren wieder aufgebrochen werden muss. Und so hat eine TV-Analyse ergeben, dass der Kanal an einigen Stellen marode und eigentlich zu klein ist. Deshalb wurde der Kanal vergrößert, deshalb hat die RhönEnergie auch einige Wasserleitungen erneuert, bevor die Straße erneuert wird."

So sieht es seit über einem Jahr in der Straße aus...

...die eigentliche Sanierung der Asphaltdecke beginnt aber noch

Wieviel müssen die Anwohner zahlen und warum?

In einer reinen Anliegerstraße bleiben 75 Prozent der Erneuerungskosten an den Anliegern hängen, bei einer "Haupterschließungsstraße" sind es 50 Prozent, bei einer Hauptverkehrsstraße mit überregionalem Verkehr sind es nur 25 Prozent - laut Gemeinde liegt bei Sachsenhausen die zweite Kategorie vor. "Und da wurde bereits wohlwollend argumentiert. Verkehr zu Kindergarten, AWO-Wohnstift und Sportplatz gilt nämlich eigentlich als Anliegerverkehr, aber so genau wollen wir nicht sein. Unter 50 Prozent Beteiligung geht nichts. Da bleibt mir kein Handlungsspielraum", so Kolb.

Das sehen die Anlieger natürlich anders: "Eine Verkehrszählung hat ergeben, dass 320 Autos am Tag vom Ortsausgang aus durch Sachsenhausen fahren. Das kann nicht allein von 43 Anliegern kommen", ist sich Joachim Weber von der IG sicher, "da ist auch viel überregionaler Durchgangsverkehr dabei. Hier gibt es schließlich einige Gewerbetreibende." Bürgermeister Kolb will an den Plänen jedoch nicht rütteln lassen.

1,17 Millionen Euro soll das Projekt kosten

Die Hälfte sollen die Anwohner zahlen

Warum wird die Straße in Zukunft zwei Meter schmaler sein?

7,40 Meter ist die Fahrbahn in Sachsenhausen derzeit breit. Die neue Straße soll aber nur noch 5,50 Meter breit sein, dafür aber einen zwei Meter und einen eineinhalb Meter breiten Bürgersteig bekommen. "Das sind die heutigen Standards. Fußgänger und Radfahrer werden mit Autos gleichgestellt. Richtlinien sagen sogar, dass die Gehwege 2,50 Meter breit sein sollen - da sind wir den Anwohnern bereits entgegengekommen", sagt Dieter Kolb zu den Plänen.

"So eine Straße können wir aber nicht gebrauchen", sagt Fred Abel, der einen Steinmetzbetrieb in Sachsenhausen betreibt. Auch er ist mit der Planung unzufrieden und deshalb im Vorstand der IG. "Es können kaum noch Lkw durch die Straße fahren, ohne parkenden Autos die Spiegel abzureißen. Wie sollen die Busse der beiden Buslinien dort durchpassen und wo sollen zum Beispiel die Patienten der Physiotherapie-Praxis gegenüber parken? Es sind viele Fragen offen, die vom Bürgermeister nicht beantwortet werden. Wir wünschen uns einen besseren Dialog", so Abel. Bürgermeister Kolb sieht nach zwei Infoabenden und zwei Treffen mit der IG, in denen die Standpunkte ausgetauscht wurden, die Fronten sich aber immer weiter verhärtet haben, keinen Sinn mehr: "Wie gesagt: In meinen Augen sind wir den Anliegern bereits entgegen gekommen."

Als Ziel hat sich die Interessengemeinschaft gesetzt, die Kosten für die Anlieger deutlich zu senken. "Wir wollen nicht zu viel Geld für etwas bezahlen, das wir weder wollen, noch gebrauchen können", findet Friedrich Schönherr klare Worte, "wir versuchen es mit Gesprächen und haben auch schon erste kleine Erfolge erzielt. Zum Beispiel, dass man den Beitrag über fünf Jahre abstottern kann. Aber wir werden im Notfall auch nicht davor scheuen, vor Gericht zu ziehen." Dieter Kolb sieht zum jetzigen Zeitpunkt keinen Spielraum für Änderungen: "Dann muss es eben wirklich ein Gericht entscheiden." (Julius Böhm) +++


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