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KASSEL Entscheidung Regionalversammlung

Teilregionalplan Energie: 169 Vorranggebiete auf 16.600 Hektar für Windenergie

07.10.16 - Mit der Entscheidung der Regionalversammlung Nordhessen über den Teilregionalplan Energie am heutigen Freitag hat ein fünf Jahre andauernder Planungsprozess seinen Abschluss gefunden. Bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung haben die 37 Mitglieder in der letzten Sitzung vor der Neukonstituierung des Gremiums die Vorlage der Regionalplanung im Regierungspräsidium Kassel beschlossen. Zuvor hatte die Leiterin der Regionalplanung im RP Susanne Linnenweber, eine Reihe von Änderungen in der Beschlussvorlage mitgeteilt, die Sie im Anhang dieser Nachricht in einer Errata-Liste finden.

Neben Regelungen zu den Themen Biomasse, Fotovoltaik, Fracking und Abstandsregelungen zu Stromleitungstrassen wurde nun abschließend festgelegt, welche Flächen in Nord- und Osthessen für die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt werden sollen und welche Flächen dafür nicht in Frage kommen. Insgesamt werden mit den nun vorgesehenen rund 16.600 Hektar Fläche zwei Prozent der Planungsregion Nord- und Osthessen für die Windenergienutzung zur Verfügung gestellt. 98 Prozent der Planungsregion steht nicht für die Nutzung von Windenergie zur Verfügung.

Die damit im Regionalplan-Entwurf vorgesehenen insgesamt 169 Vorranggebiete stellen nach dem Ausschlussprinzip grundsätzlich geeignete Flächen dar. Nach Inkrafttreten des Plans wird dann nur in diesen Gebieten eine baurechtliche Beantragung von Windkraftanlagen zulässig sein. Außerhalb der Gebiete würde schon der immissionsschutzrechtliche Bauantrag ausgeschlossen sein.


Hintergrund und Planungsauftrag

Die Energiewende ist für Deutschland und auch für Hessen mit seiner waldreichen Mittelgebirgslandschaft eine der größten Herausforderungen und gleichzeitig eine der größten Chancen des 21. Jahrhunderts. Auch Hessen hat den Umbau unseres Energiesystems in Angriff genommen und die strategischen Ziele dazu mit dem Hessischen Energiegipfel 2011 erarbeitet. Im Jahr 2050 soll Hessen seinen Endenergieverbrauch möglichst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien decken. Als Zwischenziel hat sich die Landesregierung vorgenommen, bis zum Jahr 2019 den Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Stromverbrauch in Hessen auf rund 25 Prozent zu verdoppeln.
Um eine sichere, umweltschonende, bezahlbare und gesellschaftlich akzeptierte Energieversorgung für die hessischen Bürgerinnen und Bürger sowie für Mittelstand und Industrie sicherzustellen, werden vielfältige Maßnahmen ergriffen. Eine Voraussetzung und planerische Absicherung dieses Ziels stellen die Festlegungen im Landesentwicklungsplan Hessen dar sowie die in den drei Regierungsbezirken aufzustellenden Regionalpläne.

Eine der Vorgaben des Teilregionalplans Energie war es, zwei Prozent der Fläche (ca. 16.600 Hektar) des Regierungsbezirks für den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen zur Gewinnung von elektrischem Strom festzulegen und damit außerhalb dieser sogenannten „Vorranggebiete für Windenergie“ den Bau von Windkraftanlagen auszuschließen.

Dieses Ziel hatte der Hessische Energiegipfel nach der Bundestagsentscheidung zur Energiewende formuliert, und die Landesregierung hatte es verbindlich in den Landesentwicklungsplan 2013 aufgenommen. Neben diesen Beschlüssen und Vorgaben für eine langfristig funktionierende nachhaltige Energieversorgung sind parteiübergreifend Leitlinien für den Planungsprozess vorgegeben worden. Diese wurden durch die regionalen Energiekonzepte, durch landesweite Gutachten zu Windgeschwindigkeit, Avifauna (Vogelschutz), Fledermäuse etc. in Form von Handlungsempfehlungen und Erlassen (insbesondere „Berücksichtigung des Naturschutzbelange bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Hessen“) weiter konkretisiert.

Die Regionalplaner in den drei Regierungspräsidien haben die Aufgabe, die Ziele der Landesplanung mit der Aufstellung der Teilregionalpläne Energie umzusetzen. Die Regionalversammlungen als „Parlamente“ der Regionen haben über die Planentwürfe zu entscheiden. Die Schwierigkeit dieser „Herkulesaufgabe“ bestand nun darin, einerseits genügend geeignete Flächen auszuweisen und anderseits allen Schutzaspekten und Anforderungen von Mensch und Natur entsprechend den rechtlichen Vorgaben und den o.g. Leitlinien gerecht zu werden.


Wirkung des Teilregionalplans Energie

Warum werden überhaupt bestimmte Flächen für den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen vorgesehen und andere Flächen ausgeschlossen? Die Regionalplanung hat die Aufgabe, die unterschiedlichen Flächennutzungen zu ordnen: für Wohnungsbau und Industrie, Landwirtschaft und Gewerbe, Einzelhandel, Infrastruktur und Erholung etc. Mit dem Teilregionalplan Energie bezieht die Regionalplanung die zweifelsfrei „raumwirksame“ Entwicklung neuer Energiegewinnung (aus Sonne, Wind, Erdwärme) mit ein. Andernfalls wäre dem Wildwuchs Tür und Tor geöffnet, denn: Laut Baugesetz ist die Errichtung von Windkraftanlagen überall im Außenbereich, also außerhalb von Siedlungen, zulässig. Wird sie aber von der Regionalplanung auf bestimmte Vorranggebiete konzentriert, kann sie in allen anderen Bereichen unzulässig werden. Darum wird mit der Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche sichergestellt, dass 98 Prozent frei von Windkraftanlagen bleiben.
Auch während der Arbeit am Entwurf des Teilregionalplans Energie wurden Windkraftanlagen nach Immissionsschutz und Baurecht genehmigt – jedoch nur dort, wo sie mit den Vorgaben des Entwurfes nicht kollidierten. Die seit 2012 dokumentierten (Bau-)Genehmigungen nach Bundesimmissionsschutzrecht belegen, dass der Regionalplan schon während des Aufstellungsprozesses seine Funktion als Wegweiser erfüllt hat. Gut 150 Anlagen mit einer Leistung von rund 400 Megawatt sind genehmigt worden; und zwar in den Vorranggebieten. Jenseits davon wird es – wenn der Plan in Kraft getreten ist – keine Erfolgsaussichten auf Genehmigungen geben, auch nicht für das sogenannte Repowering.

Der Aufstellungsprozess und Beteiligungsverfahren

Die Regionalplaner haben nur die Flächen einbezogen, auf denen der Wind stark genug bläst, um Windkraftanlagen wirtschaftlich betreiben zu können. Danach wurden die sogenannten Suchräume entwickelt, indem mit einem umfangreichen Katalog von abgestimmten Kriterien Gebiete nach und nach weiter eingegrenzt wurden. Im Zentrum stand immer die Frage nach dem Schutz von Mensch, Natur, Wasser, Wald etc., um die Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten. Deshalb wurden insbesondere folgende Abgrenzungen im Sinne von Ausschluss vorgenommen:
• 1000 Meter Abstand zu Siedlungsgebieten und 600 Meter zu Einzelanwesen/Weilern
• Ausschluss von Naturschutzgebieten (NSG), Nationalpark Kellerwald, Biosphärenreservat (Kernzone + Pflegezone A), Landschaftsschutzgebieten (LSG) mit Biotopschutz und -verbundfunktion
• Schutz-, Bann- und Erholungswald (gem. Hess. ForstG) sowie Wälder mit Bodenschutzfunktion, Naturwaldreservate u. a. und Laubwald-Altholzbestände
• FFH- und Vogelschutzgebiete – Ausnahmen nur nach Prüfung durch die Obere Naturschutzbehörde, wenn die Erhaltungsziele nicht beeinträchtigt werden (z.B. Werra-Wehretal)
• Wasser- und Heilquellenschutzgebiete Zone I und Zone II (Einzelfallprüfung)
• Abbauflächen, Flugplätze mit Bauschutzbereichen und Platzrunden, Radaranlagen u. ä. mit Puffer
• Avifauna (Schwerpunkträume, Dichtezentren, Einzelhorste beim Schwarzstorch) und Fledermausbereiche (Wochenstuben) mit sehr hohem Konfliktpotenzial

In der Formulierung des Entwurfs müssen alle Entscheidungskriterien differenziert und nachvollziehbar abgewogen werden. Dasselbe gilt für die Auswertung der Stellungnahmen aus der Offenlegung. Nur so kann Rechtssicherheit für den Teilregionalplan erwartet werden.

Im Frühjahr 2013 fand die 1. Offenlegung und Anhörung zum Teilregionalplan Energie Nordhessen statt. Insgesamt 15.000 Einwendungen – davon rund 12.500 als Unterschriftenlisten und Sammelschreiben – gingen beim Regierungspräsidium ein, die erfasst, geprüft und bewertet wurden. Die Stellungnahmen und Einwendungen zum 1. Entwurf haben zum Teil deutliche Veränderungen an den Flächenzuschnitten und -umfängen bewirkt. Flächen mit einem Gesamtumfang von rund 9.000 Hektar wurden anders abgegrenzt, d.h. sie entfielen oder kamen neu hinzu.

Der gesamte überarbeitete Planentwurf des Teilregionalplans Energie wurde Ende 2014 durch die Regionalversammlung Nordhessen für die 2. Offenlegung beschlossen. Die erneute Information und Beteiligung fand ab Mai 2015 statt. Die dabei vorgesehene Flächenkulisse in Nordhessen umfasste insgesamt ca. 18.500 Hektar (ca. 2,2%) in 188 Vorranggebieten. Diese werden nicht mehr in Bestand und Planung unterschieden. Darüber hinaus sind Änderungen im Kapitel Konventionelle Energieerzeugung bezüglich neuer Stromleistungstrassen aufgenommen worden, die auf Abstände von Leitungen abzielen.

Im Rahmen der 2. Offenlegung (März bis Mai 2015) wurden rund 32.000 Stellungnahmen von Gebietskörperschaften, Fachbehörden, Verbänden, Energieunternehmen, Bürgerinitiativen etc. vorgebracht. Viele Einwendungen beschäftigen sich mit allgemeinen Aspekten, insbesondere der grundlegenden Kritik an der Energiewende sowie deren Auswirkungen auf das Landschaftsbild, Tourismus, Gesundheit etc. Dies war bereits im Rahmen der Beratung und Abwägung aus der 1. Anhörung und Offenlegung diskutiert worden. Neue Erkenntnisse zum Artenschutz und auch zum neuen verfeinerten Avifauna-Konzept mussten sodann mit den Fachbehörden abgeklärt werden. Als Bestätigung für die Anwendung vergrößerter Siedlungsabstände ist das Urteil des VGH Kassel vom 23.09.2015 anzusehen, in dem zu den Festlegungen zum Siedlungsabstand im Landesentwicklungsplan ausgeführt wird, dass diese rechtlich nicht zu beanstanden sind. Damit sind auch die entsprechenden Regelungen zu den 1000 Metern Abstand zu Siedlungsgebieten im Kriterienkatalog des Teilregionalplans Energie als rechtmäßig anzusehen.

Insgesamt lagen keine durchgreifenden Gründe vor, die bisherige Konzeption und Vorgehensweise sowie auch den abgestimmten Kriterienrahmen zur Flächenfestlegung der Vorranggebiete Windenergie zu verändern. In der Region besteht Konsens darüber, dass zur Rechtssicherheit der Planung weiter nach dem allgemein und durchgängig anzuwendenden Kriterienrahmen vorzugehen ist, so dass sich „interessensgesteuerte (Einzel-)Lösungen“ verbieten. Aufgrund der Erkenntnisse aus der Offenlegung und weiterer Fachinformationen (tlw. auch aus laufenden Verfahren zum Immissionsschutz) liegt nun der Beschlussvorschlag für die Gremien der Regionalversammlung vor. Er erforderte wenige, eher redaktionelle Anpassungen der bisherigen Flächenausweisungen.

Nachdem die Regionalversammlung Nordhessen den Gesamtplanentwurf einschließlich der Begründung und den Umweltbericht nunmehr abschließend beraten hat, wird der Genehmigungsentwurf der obersten Landesplanungsbehörde, dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesplanung vorgelegt werden. Dieses prüft sodann den Plan und legt ihn, wenn keine Verstöße gegen den Landesentwicklungsplan oder Rechtsfehler bestehen, der Landesregierung zur Genehmigung vor (vgl. § 7, Abs. 1 und 2 Hess. Landesplanungsgesetz).Begleitende Maßnahmen

Wo immer die Diskussion gewünscht wird, sind die Regionalplaner aus dem Regierungspräsidium Kassel bereit, im Detail zu erläutern, wie sie zu ihren Planungsergebnissen gekommen sind. Dies hat neben zahlreichen begleitenden Gesprächen und Schriftverkehr im gesamten Aufstellungsprozess im Rahmen einer Reihe von Informations- und Gesprächsveranstaltungen in den Landkreisen des Regierungsbezirks stattgefunden. Bereits im März 2014 hatte es auf Wunsch der Regionalversammlung eine Veranstaltung im Regierungspräsidium gegeben, bei der 26 Bürgerinitiativen den Mitgliedern der Regionalversammlung ihre Positionen vortragen konnten.

Darüber hinaus bietet das Landesprogramm „Bürgerforum Energieland Hessen“ den Kommunen Unterstützung bei der Umsetzung der Energiewende an. Dazu gehört die Beratung von Kommunen ebenso wie die Organisation und Moderation von Dialogveranstaltungen vor Ort. Daneben werden Informationsschriften herausgegeben und themenorientierte Faktencheck-Veranstaltungen durchgeführt. Die Informationen können auf folgender Internetseite abgerufen werden: www.energieland.hessen.de/buergerforum_energie . +++


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