Archiv
- Symbolbild: Hans-Hubertus Braune

REGION Traumberuf Fachinformatiker

Schwerbehinderten-Status: Von einem Jungen, der arbeiten will, aber nicht darf

So kann die Agentur für Arbeit helfen:Vermittlung und Beratung: Die Arbeitsvermittlerinnen und –vermittler unterstützen bei der Erstellung eines Anforderungsprofils für den zu besetzenden Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Sie informieren dabei über Fördermöglichkeiten und Fragen des Schwerbehindertenrechts. Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung: Mehr junge Menschen mit Behinderung sollen durch eine betriebliche Ausbildung Berufsabschlüsse erreichen. Die Arbeitsagentur kann deshalb für die betriebliche Aus- oder Weiterbildung einen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung gewähren. Probebeschäftigung: Menschen mit Behinderung sollen ihre Leistungsfähigkeit im Unternehmen beweisen können. Entstehen ihnen für eine auf maximal drei Monate befristete Probebeschäftigung Kosten, können diese erstattet werden. Eingliederungszuschuss: Unternehmen können zur Eingliederung von Arbeitnehmern, deren Vermittlung erschwert ist, einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt erhalten. Die Förderhöhe und die Förderdauer richten sich nach der Einschränkung

20.10.16 - Eine kleine, grüne Karte im Portemonnaie. "Schwerbehindertenausweis" prangt in großen Lettern darauf. Ein Auschluss aus der Gesellschaft getarnt in Form einer Visitenkarte mit nettem Foto darauf. So jedenfalls kommt es dem Jungen vor, der uns diese Geschichte erzählt hat. Er ist 17 Jahre alt. Ein Alter, in dem alle um ihn herum eine Ausbildung beginnen und versuchen, ihren Traumjob zu realisieren. Nur ihm will der Einstieg ins Berufsleben nicht gelingen. Heute nicht, und auch nicht vor einigen Jahren, als er sich schon einmal um eine Ausbildungsstelle bemüht hat. Seine Noten sind gut, sein Fachabitur qualifiziert ihn sogar zum Studieren, dennoch kommt es ihm so vor, als wolle ihn kein Betrieb einstellen. Der 17-Jährige leidet an einer chronischen Krankheit. Aber ist das der Grund dafür, dass er keinen Ausbildungsplatz bekommt?

Die Krankengeschichte des mittlerweile Jugendlichen beginnt früh: Seit dem Kindesalter lebt der 17-Jährige damit. Die Krankheit macht sich jedoch nur nachts bemerkbar. "Tagsüber ist er völlig normal, leistungsfähig und nicht beeinträchtigt", sagt seine Mutter. Doch auch, wenn es nach Außen so scheint, als wäre er ein ganz gewöhnlicher Jugendlicher mit den gleichen Sorgen wie andere Jungen in seinem Alter, will der Fachabiturient keinen Hehl aus seiner Krankheit machen. Auch nicht vor einem potentiellen Arbeitgeber: "Ich will nicht lügen." An manchen Tagen jedoch bekommt er das Gefühl, dass es für seine berufliche Zukunft von Vorteil wäre, wenn er seine Krankheit verschwiege, sie in keiner Bewerbung erwähnte und auch beim Vorstellungsgespräch nichts darüber sagen würde.

"Es ist nämlich so, dass ich bisher keine Antwort auf eine Bewerbung bekomme, wenn ich reinschreibe, dass ich schwerbehindert bin. Schreibe ich es nicht rein und erwähne es erst beim Vorstellungsgespräch, ist spätestens dann Schluss." Weder er noch seine Mutter können verstehen, dass seine chronische Erkrankung wirklich ein KO-Kriterium auf seinem Weg ins Berufsleben sein soll. "Es ist so schade, dass Arbeitgeber nur noch die Besten haben wollen. Die mit guten Noten, guter Gesundheit, am besten noch mit gutem Aussehen. Das alles spiegelt doch den Menschen nicht wider ..."

Tatsächlich ist es so, dass Unternehmen in Deutschland mit mehr als 20 Mitarbeitern mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Behinderung besetzen müssen. Tun sie das nicht, müssen sie eine Strafe zahlen. "Aber wir haben schon oft gehört, dass die Chefs die Strafe lieber in Kauf nehmen, als einen Schwerbehinderten einzustellen." Vielleicht wissen nur die wenigsten, dass ihnen fachliche und finanzielle Unterstützung bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zusteht. Auch Vorurteile könnten eine Rolle spielen: Es gibt die Meinung, dass Behinderte weniger belastbar sind als Menschen ohne Behinderung. Dabei berichten viele Unternehmen vom Gegenteil: Nämlich von überdurchschnittlichem Engagement. 

Im Landkreis Fulda waren im vergangenen Monat 484 Menschen mit Schwerbehinderung arbeitslos gemeldet. Das entspricht laut Agentur für Arbeit einem Anteil von 13,6 Prozent an allen Arbeitslosen im Kreis. "Diese Arbeitsuchenden weisen ein Potential auf, das man bei der Suche nach Fachkräften nicht vernachlässigen darf. Jeder kann dazu beitragen, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Gesundheitliche Einschränkungen dürfen hierbei kein Hindernis sein. Wir stellen oft fest, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Handicap einen besonderen Ansporn haben, sich zu beweisen. Sie sind in der Regel sehr motiviert und verfügen über großes Durchhaltevermögen", sagt auch Waldemar Dombrowski, Leiter der Agentur für Arbeit Bad Hersfeld-Fulda.

Die Integration von behinderten Menschen könne daneben auch einen positiven Einfluss auf das innerbetriebliche Klima und das Image eines Unternehmens haben. Als Ausgleich für eine längere Einarbeitungszeit sind im Übrigen finanzielle Kompensationen möglich. Auch der 17-Jährige, von dem diese Geschichte handelt, hat ein Schreiben vom Arbeitsamt, in dem steht, dass es 60 Prozent der Ausbildungsvergütung übernimmt, sollte der 17-Jährige aus dem Vogelsberg eine Stelle bekommen. "Es ist doch also nur von Vorteil, ihn einzustellen", findet deswegen seine Mutter, "Behindert und behindert sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Er ist trotz seiner Krankheit ein cleveres Kerlchen. Wer gibt ihm eine Chance?"

Diese Meinung unterstreicht auch Dombrowski: "Entscheidend ist ein Bewusstseinswandel, dass mit einer Behinderung nicht automatisch eine Leistungsminderung einhergeht. Wo es nicht ohne spezielle Unterstützung geht, gibt es fachliche Hilfen und Fördermittel, über die wir noch mehr aufklären wollen. Gut qualifizierte Arbeitsuchende mit Behinderung sind in allen Berufsgruppen, auch in Engpassberufen, zu finden.“

Dass er aufgrund seiner Erkrankung mal Schwierigkeiten haben könnte, einen Job zu bekommen, hätte der Vogelsberger aus dieser Geschichte nicht gedacht: "Ich bin doch eigentlich wie jeder andere auch." Die Krankheit verschweigen, möchte der Fachabiturient nicht. "Aber wenn ich keine andere Chance habe, dann bleibt mir wahrscheinlich nichts anderes übrig ..." (Suria Reiche) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön