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Brunhilde Schierl (links) berichtete beim regionalen Bildungsabends des Frauenbundes in Bad Neustadt über ihre Erlebnisse auf ihrem Pilgerweg von Flensburg bis Konstanz, den sie ohne Geld bestritt. Es dankten für den eindrucksvollen Abend die Regionalvorsitzende Marianne Hillenbrand (rechts) und ihre Stellvertreterin Wiltrud Michl. - Foto: Barbara Herbert/Frauenbund Bad Neustadt

BAD NEUSTADT Faszinierende Pilgerreise

Rentnerin Brunhilde SCHIERL reist ohne Geld quer durch Deutschland

18.10.16 - 1.450 Kilometer quer durch Deutschland. Ohne Geld, ohne Kreditkarte, ohne Handy, ohne irgendeine Sicherheit – das ist ein ebenso ungewöhnliches wie faszinierendes Unterfangen. Die 65-jährige Brunhilde Schierl hat es gewagt. Die Rentnerin brach im Mai 2013 in Flensburg an der dänischen Grenze auf. Am 14. Juli 2013 kam sie in Konstanz, dem Ziel ihrer Reise an. Dazwischen liegen nicht nur die vielen Kilometer sondern auch unendlich viele Erfahrungen, Erlebnisse, Begegnungen und Gespräche. Am Ende dieses langen Fußmarschs kam die Pilgerin zu einer wunderschönen und beruhigenden Erkenntnis: Bitten öffnet die Herzen der Menschen.

Über diese Erlebnisse und ihre Beweggründe zu dieser ungewöhnlichen Pilgerreise sowie ihre gewonnenen Erkenntnisse sprach Brunhilde Schierl im Rahmen des regionalen Bildungsabends des Katholischen Frauenbundes im Gemeindehaus Mariä Himmelfahrt in Bad Neustadt. Gut 40 Teilnehmerinnen aus den verschiedenen Frauenbundvereinen der Region waren der Einladung der Regionalvorsitzenden Marianne Hillenbrand gefolgt und lauschten fasziniert der Geschichte der ungewöhnlichen Frau.

„Wie kann ich es wagen auf Kosten anderer Menschen durchs Land zu laufen, obwohl ich doch nicht arm bin und mir mein Essen selbst kaufen könnte? Ich wusste schon vorher, dass ich mit so einem Weg in unserer Gesellschaft auch Unverständnis und Ablehnung ernten würde. Doch trotz aller berechtigten Bedenken habe ich es getan“, begann sie ihre Geschichte zu erzählen, die mit der Bibelstelle aus dem Lukasevangelium beginnt: Zieht hinaus in die Welt, verkündet die Botschaft, heilt die Kranken. Nehmt kein Geld und kein Brot mit.

„Diese Bibelworte führten mich dazu, dass ich unsere Gesellschaft einzig mit meinem schwachen Menschsein in seiner ganzen Bedürftigkeit, ohne Titel, ohne Ansehen und ohne Geld konfrontiert habe. Ich habe mich der Güte der Menschen ausgeliefert. Sie können mir glauben, dieser Weg hat mich meinen ganzen Mut gekostet. Das ganze Vorhaben sprengte jegliche Vorstellungskraft meines Verstandes. Ich hatte keinen Plan für einen derartigen Weg und keine Ahnung, worauf ich mich einlasse. Ich wusste nicht wohin mich dieser Weg führt. Ich spürte nur tief in mir, ich soll ihn gehen. Ich glaube grundsätzlich an das Gute im Menschen. Trotzdem rechnete ich auf dieser langen Tour fest damit, manche Nacht im Freien zu frieren und tagelang zu hungern.“ Um es vorweg zu nehmen: das musste sie nicht, jede Nacht habe sie ein Bett gehabt und sich stets satt essen können.

Sie erinnerte sich noch genau an ihren ersten Abend. Es war ein abseits gelegener Bauernhof. Ihre ganze Selbstsicherheit hatte sich durch die körperliche Erschöpfung der Tagesetappe aufgelöst. „Ich fühlte mich an der Haustüre wie ein begossener Pudel. Doch die Bauersfrau nahm mich auf.“ Den Satz „Kommen Sie herein. So einen Gast habe ich noch nie gehabt“, habe sie im Laufe der nächsten Wochen noch mehrfach gehört. Immer wieder öffneten Menschen ihre Türe und ließen sie bei sich übernachten. Eine ungewöhnliche Freundschaft schloss sie mit einem Rocker, mit dem sie eine Runde auf seiner Harley drehte. Eine unangenehme Erfahrung musste sie in Eckernförde (bei Kiel) machen.

Ein Pastor bot im Internet ganz offiziell ein Pilgerzimmer an, doch er sei nicht bereit gewesen sie aufzunehmen oder ihr anderweitig zu einer Übernachtung zu verhelfen. „Er war nur genervt und wollte mich möglichst schnell wieder loshaben.“ Statt des Pastors habe ein vierjähriger Junge ihr ein Bett in seinem Kinderzimmer angeboten.

„Viele Menschen verstanden sofort, worum es mir ging, was ich mit meiner Art zu pilgern leben und zeigen wollte. Sie erfassten intuitiv, dass es mir nicht um materielle Vorteile ging, sondern um Gottvertrauen, um Begegnung und um Vertrauen auf Gegenseitigkeit. Anderen wiederum konnte ich mich in keiner Weise verständlich machen. Sie verstanden den tieferen Sinn nicht, sondern sahen nur vordergründig, dass ich etwas brauchte und auf Kosten anderer lebte.“ Es war ein Weg voller Strapazen, mit heftigen Regengüssen und persönlichen Grenzerfahrungen. Aber immer tauchte ein menschlicher Engel auf und half der Pilgerin weiter.

„Meist bekam ich großes Vertrauen entgegengebracht. Manche Menschen wollten mir Geld schenken. Sie waren fassungslos, wenn ich es nicht annahm, weil mein Weg ohne Geld sein sollte. Ich wollte, dass die Menschen ihre Herzen und nicht ihren Geldbeutel öffnen.“ Und eines kann sie heute mit Sicherheit sagen: Die Menschen sind außerdem viel besser als ihr Ruf. Es gibt viel mehr Güte und Menschlichkeit unter uns, als die meisten glauben.“ Auf ihrem Weg durch Deutschland sammelte sie für Dr. Lea Ackermann, einer katholischen Ordensschwester, der Gründerin von Solwodi, fast 1.500 Unterschriften gegen die Zwangsprostitution. Ihre Erlebnisse hat Brunhilde Schierl in einem Buch festgehalten, dessen Erlös ebenfalls diesem Projekt zugute kommt. (Marion Eckert) +++


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