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FULDA Brand mit Todesopfer traumatisiert

antonius Netzwerk Menschen "voller Trauer" - Suche nach dem WIE und WARUM

07.11.16 - "Ich bin zutiefst geschockt", sagt Rainer Sippel, Geschäftsführer des "antonius Netzwerk Mensch". Zwölf Stunden nach dem großen Feuer steht Sippel mit weiteren Verantwortlichen vor den Trümmern im dritten Obergeschoss des Haupthauses, die die Flammen verschuldet haben. Ihnen ist der Schock anzusehen: "Wir sind voller Trauer", sagt er und eine Frage bewegt alle: "Warum und vor allem wie konnte das passieren". Der Brand im Haupthaus der Einrichtung, auf deren Campus über 330 Menschen mit Handicap leben, hat in der Nacht zum Sonntag das Leben eines Mitbewohners ausgelöscht. Er - der seit früher Jugend in dem Haus wohnte - wurde nur 31 Jahre alt.

Blick auf die Brandstelle im dritten OG. Fotos: Christian P. Stadtfeld / Klaus Dehnhard

Exakt um 00:56 Uhr in der Nacht hatte die Brandmeldeanlage in der Einrichtung Alarm ausgelöst. Hausmeister und Feuerwehr wurden so automatisch benachrichtigt. Bei ihrem Eintreffen konnten zwar die Flammen gelöscht werden, doch für den 31-Jährigen gab es trotz notärztlicher Reanimation keine Rettung mehr. Tödlich waren die Rauchgase, die innerhalb kürzester Zeit in seine Lungen gekommen waren.

Als Jugendlicher war er in die Einrichtung im Fuldaer Stadtteil Neuenberg gekommen, hatte hier die Antonius-von-Padua-Schule besucht und später in der Landwirtschaft gearbeitet. Im Haupthaus von "antonius Netzwerk Mensch" bewohnte er ein eigenes Appartement im Ostflügel. Wie das Feuer dort ausgebrochen ist, weiß man bislang noch nicht. "Die Bewohner und Bewohnerinnen rauchen dort nicht, es gibt keine Kerzen", sagt Sippel.

Bernd Gottschalk, stellv. Leiter der Feuerwehr Fulda und Einsatzleiter in der Brandnacht. ...

Er selbst war zum Zeitpunkt des Brandes gerade von einer Kirmes-Veranstaltung nachhause gekommen. Um halb zwei hatte ihn dann der Hausmeister auf dem Handy angerufen und ihm von dem Feuer erzählt. "Ich bin sofort losgefahren", so Sippel. Auch die Feuerwehr war binnen Minuten vor Ort. "Durch die geringe Entfernung vom Sitz der Feuerwehr in Neuenberg zum Brandort konnten wir immerhin weitere Menschen vor mehr Schaden bewahren", sagt Einsatzleiter Bernd Gottschalk. Die Feuerwehr hat in der V Vergangenheit schon öfters die ein oder andere Brandübung bei "antonius Netzwerk Mensch" durchgeführt. Vor allem, damit die Bewohnerinnen und Bewohner die Feuerwehrmännner in ihren leuchtenden Anzügen, Helmen und schwarzen Sauerstoffmasken als solche erkennen und keine Angst vor ihnen haben. Als die Retter am frühen Sonntagmorgen am Einsatzort anrückten, war jedoch schnell klar: Der Brand würde schlimmer sein, als alles, was bisher geprobt wurde. "Schon im Eingangsbereich kam uns eine Person entgegen, die sagte, dass noch ein Mensch in den Flammen ist."

Geschockt: die Führungsriege von antonius Netzwerk Mensch am Sonntagmittag. ...

Als Sippel gegen 01:35 Uhr an St. Kathrin in Neuenberg ankam, waren die Einsatzkräfte bereits dabei, eben diesen 31-jährigen Bewohner, der sich noch in den Flammen befunden hatte, zu reanimieren. "Das Feuer war gar nicht das Schlimme, sondern der Rauch", erklärte gegenüber OSTHESSEN|NEWS Gerhard Möller, Vorsitzender der antonius-Stiftung. Der langjährige Oberbürgermeister von Fulda kam in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Antonoius-Stiftung, um Sippel beizustehen. "Es tut gut, zu wissen, dass es da eine schützende Hand gibt", sagt dieser. Auch der jetzige Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld hat sich bereits gemeldet und Anteilnahme ausgesprochen - gleichwohl wie viele andere Mandatsträger und Bürger der Stadt. 

Rainer Sippel, Geschäftsführer von antonius Netzwerk Mensch.

Michaela Lengsfeld, Geschäftsführerin von antonius Netzwerk Mensch.

Das Leben des 31-Jährigen kann zwar keiner von ihnen zurückbringen, doch in dieser schwierigen Zeit ist man beim "antonius Netzwerk Mensch" füreinander da. Haus-Seelsorger Bruder Othmar hat seit halb zwei in der Nacht kein Auge mehr zugemacht. "Wir hatten heute morgen um 10 Uhr einen Gottesdienst, die Kapelle war voll. Außerdem haben wir eine Gräbersegnung auf unserem Friedhof durchgeführt." Am Montag gibt es einen Trauergottesdienst, zu dem jeder Bürger kommen kann. Für die Bewohnerinnen und Bewohner ist es jetzt jedoch vor allem wichtig, jemanden zum Reden zu haben. "Sie gehen sehr gefasst mit dem Unglück um", sagt Sippel.

Auch in der Nacht habe alles professionell funktioniert, "die Bewohnerinnen und Bewohner waren sehr rücksichtsvoll." Außerdem wurden das diensthabende Pflegepersonal und auf dem gleichen Stockwerk wohnende Schwestern des indischen Ordens ‚Dienerinnen der Armen‘ auf den Brand aufmerksam. Ihnen gelang es noch, mehrere Bewohner im dritten Obergeschoss des Haupthauses zu retten. Drei von ihnen wurden bei diesem selbstlosen Einsatz selbst durch Rauchgase leicht verletzt, konnten aber schon am Sonntagmittag zurückkehren. 

Dennoch liegt auch Stunden nach dem Brand so etwas wie ein stiller Schleier über der Einrichtung. Schon im Eingangsbereich des Haupthauses macht sich der Brandgeruch bemerkbar. Je näher man dem dritten Obergeschoss kommt, desto deutlicher wird er. An der Brandstelle angekommen, sieht man dann das ganze Ausmaß der nächtlichen Katastrophe. Ruß belegt alle freien Stellen, die Appartements sind ausgebrannt. Bisher beschränkt sich der Schaden auf das dritte Stockwerk, "doch das Löschwasser ist die ganze Nacht durch den Boden getropft", stellte Günter Habig, Mitglied der Geschäftsleitung, fest. Nach dem Feuer sind elf Appartements im dritten Obergeschoss unbewohnbar.

Auf die Frage, wie es jetzt weitergeht, weiß hier noch niemand eine richtige Antwort. "Ich würde sagen, Schritt für Schritt", sagt dann Bruder Othmar. Und Michaela Lengsfeld aus der Geschäftsleitung fügt hinzu: "Unsere Aufgabe ist es jetzt, Bewohner, Angehörige und Trauernde, Kollegen und Freunde aufzufangen und in diesen schmerzhaften Stunden zu begleiten." Am Montag findet dafür um 16.30 Uhr der öffentliche Trauergottesdienst in der antonius-Hauskapelle statt.

Günter Habig, Mitglied der Geschäftsleitung.

Wie es zu der Brandkatastrophe kam, das wollen die Brandermittler der Kriminalpolizei am heutigen Montag herausfinden. Der Brandort wurde beschlagnahmt. Doch wichtiger als die Frage nach Ursache und Schaden wird vor allem die psychologische Aufarbeitung des traumatischen Ereignisses für die Hausbewohner und Mitarbeiter sein. (Suria Reiche) +++

Haus-Seelsorger Bruder Othmar.

Tief betroffen: Ex-OB Gerhard Möller, Vorsitzender der antonius-Stiftung.


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