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Nicht ohne meine Insulinpumpe: Typ-1-Diabetikerin und Diabetesberaterin Anneke Nohr. - Fotos: Stefanie Harth/privat

BAD HERSFELD Heute ist Weltdiabetestag

Augen auf die Stoffwechselkrankheit: Anneke NOHRs „zuckersüßes“ Leben

HINTERGRUNDAm 14. November wird alljährlich der Weltdiabetestag begangen, der neben dem Welt-AIDS-Tag den zweiten offiziellen Tag der Vereinten Nationen (UN) darstellt, der einer Krankheit gewidmet ist. Der Termin ist nicht zufällig festgelegt worden: Am 14. November 1891 erblickte Frederick Banting das Licht der Welt, der gemeinsam mit seinem Kollegen Charles Best als Entdecker des Insulins gilt. Mit ihrer Forschungsarbeit setzten die beiden einen Meilenstein in der Geschichte der Medizin und trugen zur Rettung von Hunderttausenden von Diabetikern bei: 1923 konnte das Hormon erstmals industriell isoliert werden. Noch im gleichen Jahr bekam Banting den Nobelpreis für Medizin überreicht. Der Leitspruch des diesjährigen Weltdiabetestages ist „Augen auf den Diabetes“. +++

14.11.16 - Für Anneke Nohr ist jeder Tag ein kleiner Weltdiabetestag. Kein Wunder: dreht sich im Leben der 46-Jährigen doch (fast) alles um die Stoffwechselkrankheit. Als langjährige Typ-1-Diabetikerin, Diabetesberaterin und Außendienstmitarbeiterin für Insulinpumpen bei einem führenden Versand- und Fachhändler für Diabetikerbedarf sieht sie sich rund um die Uhr mit dem „honigsüßen Durchfluss“ konfrontiert. 1983 begann die „Diabeteskarriere“ der gebürtigen Thüringerin. „Und das ausgerechnet, als wir unseren Familienurlaub in Ungarn antreten wollten“, erzählt Anneke Nohr, die seit 2005 den Bad Hersfelder Pumpenstammtisch leitet, eine Diabetiker-Selbsthilfegruppe, die einmal im Quartal in der Praxis Dr. med. Thomas Handke zusammenkommt.

„Während der Anreise brach ich bewusstlos zusammen – meine Eltern chauffierten mich ohne Umwege in die Kinderklinik nach Annaberg-Buchholz.“ Die Diagnose: Diabetes mellitus Typ 1. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunkrankheit, bei der sich das körpereigene Immunsystem plötzlich gegen die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse richtet und diese zerstört. Für das zu jener Zeit 13 Jahre alte Mädchen bedeutete das: Insulintherapie – lebenslang. „Nun folgte ein strenger Diätplan. Zudem musste ich zweimal täglich Mischinsulin spritzen sowie drei- bis viermal am Tag ‚Pipi‘ abkochen, um festzustellen, ob Urinzucker enthalten ist“, erinnert sich Anneke Nohr an ihre Jugendzeit zurück.

Dieses Foto enstand einen Tag bevor die damals 13-Jährige ins diabetische Koma fiel. ...

So sah Anneke Nohrs erstes "Spritzbesteck" aus: die Nadeln mussten ausgekocht und ...

Diabetikeralltag vor 33 Jahren: So sieht man aus, wenn man täglich zu 500 Gramm Quark ...

Die Krux: Es mangelte in der damaligen DDR an technischer Ausstattung für Diabetiker, obgleich die Diabetes-Schulungen auf einem hohen Niveau angesiedelt gewesen seien. Kurz vor dem Mauerfall der Schock: „Mein Insulin ‚Semilente‘ konnte nicht mehr in die DDR eingeführt werden, und mein Studiumsplatz – ich wollte unbedingt Medizinpädagogin werden – wurde gestrichen“, berichtet die ausgebildete Medizinisch-technische Radiologieassistentin (MTRA). „Also suchte ich mein Heil im Westen.“ Im Dezember 1989 strandete Anneke Nohr im Bad Hersfelder Stadtteil Beiershausen. Wenige Wochen später hielt sie ihr erstes Blutzuckermessgerät in den Händen; im Herbst 1990 durfte sie eine Insulinpumpe, den Nordisk Infuser, ihr Eigen nennen. „Luxus pur“, meint sie augenzwinkernd.

Intensivierte Insulintherapie heute: Blutzuckermessgerät, Pens, Stechhilfe ...

Nachdem ihre beiden Mädels das Licht der Welt erblickt hatten, sattelte Anneke Nohr beruflich um, indem sie eine Ausbildung zur Diabetesassistentin und anschließend eine Weiterbildung zur Diabetesberaterin absolvierte. „Mein Traumberuf – hier spannt sich der Bogen zu meinem angestrebten Studium der Medizinpädagogik, das mir verwehrt blieb.“ Sie sei kein Mensch, der Diabetikern mit erhobenem Zeigefinger Ratschläge erteile. „Ich gebe eher Anregungen – von Diabetiker zu Diabetiker“, erläutert die Diabetes-Expertin, die häufig als Versuchskaninchen fungiert, indem sie die neuesten Diabetesprodukte, die den deutschen Markt erobern, an sich selbst ausprobiert und auf Herz und Nieren testet. „Ich begreife mich nicht als Theoretikerin, sondern setze in meinen Schulungen auf Praxisnähe und gebe Tipps zur Lösung von Problemen, die so in Gebrauchsanweisungen nicht thematisiert werden.“

Insulinpumpentherapie: Zur Pumpe gesellen sich Katheter, Reservoirs und Blutzuckermessgerät. ...

Eines hat ihr eigener Diabetes Anneke Nohr gelehrt: Jeder Diabetiker hätte mit seinem ganz persönlichen „Diabetes-Monster“ zu kämpfen. „Auch mir unterlaufen Fehler“, bekräftigt sie. „Wichtig ist allerdings, aus diesen zu lernen.“ Kopfzerbrechen bereitet der 46-Jährigen, dass Diabetiker überwiegend in ein Standardmaß hineingedrückt werden. „Das funktioniert nicht, wir sind doch auch bloß Menschen.“ Anneke Nohr hält es mit Albert Einstein: „Nur das Genie beherrscht das Chaos.“ Diabetiker agieren eben besonders kreativ – und zwar in allen Lebenslagen. Ihr Tipp an alle „Zuckersüßen“: Immer in Bewegung bleiben, sich von der Stoffwechselkrankheit nicht unterkriegen lassen und verinnerlichen, dass der Diabetes ein Teil eines jeden Betroffenen ist. (Stefanie Harth) +++


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