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- Fotos: Carina Jirsch

FULDA Ein Abend bei den Kuntry-Kickers

Von schwingenden Petticoats, Schweißtüchern und Cowboy-Hüten

29.11.16 - So ein richtiger Petticoat kann schon mal ein paar hundert Euro kosten. Aber das Geld ist er wert, denn erst wenn man in den weiten, schwingenden Rock schlüpft, "gibt's das richtige Feeling", sagt Tänzerin Mechthild. Sie ist eine der circa 65 Mitglieder des Vereins "Kuntry-Kickers-Petersberg" und hat bereits einen der großen Röcke an. Darunter trägt sie wie die anderen Frauen eine gerüschte Pettipant, ein Strumpfband und an den Füßen Tanzschuhe, an ihrem Taillen-Gürtel hängen kleine Gegenstände. "Das sind Dangles", erklärt mir president Andrea, kleine Gegenstände, die die Tänzer erhalten, wenn sie einen anderen Club besuchen. Und davon gibt es viele: Seitdem der Volkstanz nach dem Zweiten Weltkrieg durch die amerikanische Besatzung nach Deutschland geschwappt ist, haben sich gut 500 Vereine gebildet, erzählt Andrea.

Mein Tanzpartner Harald - ein Gentleman

Ein bisschen später, nämlich im Jahr 1989, haben sich auch die "Kuntry-Kickers" in der Kaserne gegründet. Inzwischen sind sie ins Dorfgemeinschaftshaus in Petersberg-Steinhaus gezogen, wo sie an jedem Freitagabend trainieren. Es sei denn, dort findet eine andere Veranstaltung statt. Dann tanzen die Mitglieder im Haimbacher Gasthof "Goldener Stern". So auch am vergangenen Freitag - dem Freitag, an dem ich in einen solchen Petticoat schlüpfen durfte und mich von meinem Tanzpartner Harald umherdrehen lassen habe.

"Square Chain Thru", "Square Chain Thru To A Wave", "Pass the Ocean" - wer den Square Dance lernen will, der muss nicht nur seine Füße, sondern auch seinen Kopf gehörig anstrengen. Insgesamt 70 Figuren mit solchen englischen Namen gibt es. Und im Optimalfall sollte man sie alle auswendig können. Bei meinem ersten Abend als Square-Dance-Tänzerin reicht es gerade mal für fünf. Und die bekomme ich auch nur hin, weil ich in Harald einen so guten Tanzpartner gefunden habe. Wenn der Caller - so wird Reinhard genannt, der den ganzen Abend über auf der Bühne steht und Befehle ruft, oder eher singt - eine Figur nennt, die ich nicht sofort verstehe, führt mich Harald sicher in die richtige Position.

Die Position ist beim Square-Dance entscheidend. Vier Paare benötigt man, um alle vier Seiten des Quadrats (Englisch: Square) zu besetzen, Die beiden Paare, die mit dem Rücken oder dem Gesicht in Richtung Caller stehen, sind die "Head"-Paare, die anderen beiden die "Side-Paare". Wie sie sich bewegen, entscheidet Caller Reinhard. Er sagt die Figurenfolgen in gesprochener oder gesungener Form an. Keine leichte Aufgabe, sagt er: "Ich muss die Horde ja im Auge behalten. Vor allem ist aber räumliches Denken wichtig. Ich muss mir merken, wer mit wem angefangen hat. Denn am Ende muss die Dame wieder bei ihrem Ursprungspartner sein."

Ein Gruppenfoto mit den "Kuntry-Kickers"

Harald

Beim Square-Dance kann jeder mitmachen - unabhängig vom Alter

Caller Reinhard

Schwingende Röcke gehören dazu ...

... genauso wie ein Lachen auf den Lippen

Der Tanzparnter muss nicht unbedingt männlich sein

Mit dem Petticoat gibt es erst das richtige Feeling

Was also am Ende für ein Tanz entsteht, wechselt von Freitagabend zu Freitagabend. "Und das ist auch eine der Besonderheiten am Square-Dance. "Man weiß nie, was kommt", sagt Andrea und nippt an ihrer Apfelschorle. Alkohol ist während der Tanzabende nämlich strikt verboten. "Man muss sich ja konzentrieren. Aber nach dem Tanzen kommen wir meist noch zusammen, und dann gibt es auch Alkohol." Das Verbot während des Tanzes ist nur verständlich, denn die zwei Stunden, die an jedem Freitagabend getanzt werden, erfordern in der Tat höchste Konzentration. Nicht nur, dass man sich all die Figuren behalten muss, bei manchen von ihnen muss man sich auch zusammenreißen, um nicht vor Schwindel umzukippen. Aber auch hier hat Harald einen Tipp für mich: "Einmal in die andere Richtung drehen, dann geht's wieder." Stimmt. Auch für eine weitere Schwierigkeit haben die Herren Tricks parat: Damit sich die Frau orientieren kann, wo denn jetzt noch mal rechts oder links ist, tragen die Männer Armbanduhren. Außerdem haben die meisten von ihnen an ihrer Hose ein Tuch hängen. "Ein Schweißtuch", erklärt Andrea, "damit die Frau sich ihre Stirn abtupfen kann." Gentlemen ist wohl die richtige Bezeichnung für die Square-Dance-Männer. Denn auch, dass alle ihre Hemden lange Ärmel haben, hat einen Grund: "Wir Frauen sollen nicht in die behaarten, verschwitzten Arme greifen müssen."

Überhaupt geht es bei den "Kuntry-Kickers" außerordentlich freundlich und familiär zu: Es wird sich geduzt, egal wie alt das Gegenüber ist, nach jedem Tanz gibt es einen Applaus, und sogar ich als Fremde werde herzlich aufgenommen und bekomme von president Andrea höchstpersönlich sogar einen Petticoat geliehen. Und was Mechthild zu Beginn gesagt hat, wird jetzt wahr: Kaum habe ich meine Beine in den Rock gesteckt, will ich mich drehen und die Rüschen umherschmeißen. Caller Reinhard lässt meinen Wunsch auch sogleich in Erfüllung gehen und singt die ersten Figuren in sein Mikro: Zwei Stunden lang werden die Damen nun von ihren Partnern und Cornern (das sind die, die rechts neben ihnen stehen) umhergewirbelt. Und am Ende des Abends gibt es ein dreifaches: "Do-si-Do". Was das heißt? Nunja, eigentlich ist es einer der bekanntesten "Calls" beim Square-Dance. Aber hier bei den "Kuntry-Kickers" ist es noch dazu ein Ausruf größter Begeisterung. (Suria Reiche) +++


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