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Ewald Vogel, Geschäftsführer der SkF, Ursula Schmitt, erste Vorsitzende -

FULDA Gewalt ist kein Randgruppenproblem

Letzte Hilfe Frauenhaus: Vom Opfer zum selbstbestimmten Leben

Hintergrund: Zielgruppe des Frauenhauses sind volljährige Frauen, die körperliche, seelische oder sexuelle Gewalt erfahren haben oder davon bedroht sind. Diese können unabhängig von Einkommen, Familienstand, Nationalität und Religion aufgenommen werden. Die Mitarbeiter unterstützen die Frauen dabei, sich ein eigenständiges Leben aufbauen zu können, vermitteln weitere Hilfe und bieten Begleitung bei beispielsweise Behördengängen. Die Telefonnummer ist: 0661- 9529525.

01.12.16 - Es ist kalt, die Temperaturen sind an diesem Abend unter die Null-Grad-Marke gefallen. Das Haus, in dem Brigitte W. mit ihrer Familie lebt, ist bereits weihnachtlich geschmückt. Die damals 37-Jährige sitzt am Küchentisch und packt Geschenke für den Heiligen Abend ein. Lange war sie an diesem Tag in der Stadt, um etwas Schönes für ihre Tochter und den Ehemann zu finden. Sie freut sich, über das niedliche Geschenkpapier, die hübschen Schleifen auf den Kartons und darüber, dass endlich die besinnliche Jahreszeit eingekehrt ist. Der Auflauf ist seit einer viertel Stunde im Ofen, der Essensduft breitet sich im ganzen Haus aus. Zu diesem Zeitpunkt ahnt die Frau noch nicht, dass sich ihr Leben an diesem Abend grundlegend ändern wird.

Einfach war Brigittes Mann noch nie, immer wieder fängt er Streit wegen Nichtigkeiten an. Vor ein paar Monaten dann wird er zum ersten Mal handgreiflich. An diesem kalten Dezemberabend, als Brigitte die Geschenke einpackt, eskaliert die Situation. Ihr Mann schlägt sie, weil das Essen noch nicht fertig ist krankenhausreif. Noch in der Notaufnahme beschließt die geprügelte Frau, ihren Mann zu verlassen, durch einen Sanitäter erfährt sie vom Frauenhaus. Als sie ein paar Tage später aus der Klinik entlassen wird, holt sie nur ihr Kind und ein paar Klamotten und begibt sich in die versteckt liegende Einrichtung.

Seit nun 34 Jahren ist das Fuldaer Frauenhaus, welches vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) betrieben wird, Anlaufstelle für misshandelte Frauen. Diese können mit oder ohne Kinder unabhängig von Einkommen, Familienstand, Nationalität und Religion im Frauenhaus aufgenommen werden. „Wir bieten eine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft an, unter der Telefonnummer 0661- 9529525 ist immer jemand erreichbar“; betont Ursula Schmitt, erste Vorsitzende des SkF. „Wenn sich eine Frau in Not befindet, holen wir sie auch nachts um 2 Uhr an einem vorher vereinbarten Treffpunkt ab.“ Zwei Mitarbeiterinnen sind in der Fuldaer Einrichtung in Vollzeit beschäftigt, drei Sozialpädagogen in Teilzeit. „Ohne unsere Ehrenamtlichen würde das ganze Projekt so gar nicht funktionieren“, weiß Ewald Vogel, Geschäftsführer der SkF.

„Egal ob nachts, an Wochenenden oder Feiertagen, die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen sind immer da.“ In der Regel würden die Frauen drei bis vier Monate im Frauenhaus bleiben, erklärt Martina Schmitt-Schöffmann, Referentin der Fachstelle Ehrenamt. „Manche schaffen den Absprung von zu Hause allerdings nicht und gehen nach dem Aufenthalt bei uns zurück zu ihren Männern“, sagt sie. Schmitt-Schöffmann ärgert es, wenn Menschen Dinge sagen, wie: „Die ist doch selbst schuld, dass sie das immer wieder mit sich machen lässt.“ Misshandelte Frauen, so erklärt sie, hätten in der Regel weder Selbstwertgefühl noch Selbstachtung. „Oft wurden die Frauen jahrelang terrorisiert, ihnen wird eingebläut, dass sie nichts wert sind.“

Aus Angst zu versagen, oder den Weg allein gar nicht zu schaffen, gingen die Opfer dann manchmal lieber zurück in das Bekannte, auch wenn dies bedeute, geschlagen zu werden. „Die Frauen wissen gar nicht, was sie alles leisten können“, weiß Schmitt-Schöffmann aus Erfahrung. „Man muss sie dann nur mal fragen: Wer hat denn bei euch daheim den Haushalt geschmissen, wer die Kinder versorgt, wer hat dies oder das gemacht? Das sind nämlich meist nicht die Männer.“ Ursula Schmitt, die selbst zwölf Jahre lang ehrenamtlich im Frauenhaus tätig war, freut sich darüber, dass viele Schicksale eine positive Wendung nehmen. Sie erzählt von einer Frau, die zusammen mit ihrer Tochter ins Frauenhaus kam, darüber, wie sie in der Zeit aufgeblüht sei, einen guten Job ergriffen hätte und nun ein eigenständiges und gutes Leben führe.

„Wir sehen es sehr häufig, dass die Frauen, die zu uns kommen, sich selbst wieder schnell mehr Achtung schenken“, sagt auch Schmitt-Schöffmann. Manchmal, so berichten beide Frauen, sei es allerdings nicht möglich, eine Frau in Fulda unterzubringen. „Das kann zwei Gründe haben. Etwa - und das kommt gar nicht so selten vor - weil unsere 16 Plätze belegt sind, oder aber auch, weil Gefahr für eine Frau besteht.“ Letzteres sei der Fall, wenn davon auszugehen sei, dass der Mann die Adresse herausfinden und gewalttätig werden könnte. „Dann vermitteln wir die Frauen an andere Häuser, etwa in Wächtersbach oder Bad Hersfeld. In allen Häusern aber sehe der Alltag ziemlich gleich aus. „Die Frauen können dort bereits ein eigenständiges Leben führen, einkaufen, kochen oder ausgehen, wann sie wollen.“ 

Eines ist Schmitt-Schöffmann wichtig zu betonen: „Die Leute glauben immer, Gewalt gegen Frauen sei nur ein Randgruppenproblem. Das stimmt aber nicht. Es betrifft jeden gesellschaftlichen Stand, jede Kultur- oder Religionszugehörigkeit. Jede vierte Frau erlebt mindestens ein Mal in ihrem Leben Gewalt.“ (Miriam Rommel) +++


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