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Ethan Bensinger besuchte den jüdischen Friedhof in Fulda - Fotos: Toni Spangenberg

FULDA "Refuge: Stories of the Selfhelp Home"

"Schockstarre bei Ankunft im KZ" - Ethan Bensinger macht Geschichte greifbar

10.12.16 - 9. Dezember 1941 - Hugo Sichel, ein Fuldaer Jude wird von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet. Rund 600 Frauen, Kinder und Männer aus der Domstadt teilten sein Schicksal. Anderen gelang jedoch die Flucht ins Ausland, so auch der Mutter von Ethan Bensinger 1935. Um die Schrecken von damals ins Bewusstsein der Menschen zu rücken und dafür zu sorgen, dass diese nicht vergessen werden, hat Bensinger eine Zeitzeugendokumentation mit dem Titel "Refuge" - zu Deutsch "Zuflucht" - gedreht. Angesichts des weltweit erstarkenden Rechtspopulismus "ist es heutzutage wichtiger als jemals zuvor, für Toleranz zu werben und über die Vergangenheit aufzuklären," appelliert Bensinger eindringlich.

Obwohl jeder aus der Geschichte lernen sollte, wiederholt sie sich doch. "Wir müssen sicherstellen, dass sich das, was in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs passiert ist, eben nicht wiederholt." Seit zwei Wochen reist Bensinger durch deutsche Schulen - bereits 1.000 Schülern rückte sein Film das Grauen des Holocaust ins Bewusstsein. Am Freitag machte Bensinger Halt in Fulda, der Heimat seiner Eltern, Großeltern und Urgroßeltern. Er besuchte zusammen mit Schülern der Bardoschule den jüdischen Friedhof in der Heidelsteinstraße - die letzte Ruhestätte seiner Urgroßeltern Sara und Jakob Sichel und Jette und Maier Kamm. In Gedenken an seine verstorbenen Verwandten legte Bensinger nach jüdischem Brauch Steine auf die Gräber.

Besinger findet auf der Gedenktafel der Gefallenen im Ersten Weltkrieg auch Verwandte ...

Nach jüdischem Brauch legt Bensinger Steine auf die Gräber seiner Urgroßeltern ...

"Es ist das zweite Mal, dass ich nach Fulda komme. Letztes Jahr zur selben Zeit war ich auch schon hier. Meine Mutter war nach ihrer Ausreise nach Palästina nie wieder in Deutschland." Bensinger ist der erste der Familie, der nach dem Krieg wieder in die alte Heimat zurückkehrte. "Der Besuch hier ist sehr emotional für mich. Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich die Gräber finde. Roman Melamed von der jüdischen Gemeinde in Fulda war eine große Hilfe dabei." Bensinger zeigte den Bardoschülern seinen Film. "Ich habe ihn in einem Altersheim in Chicago gedreht. Das "Selfhelp Home" wurde speziell für jüdische Flüchtlinge und Holocaust-Überlebende eingerichtet." Seine Mutter habe in dieser Institution gearbeitet und später auch gelebt. Bensinger hat dort einige aus Deutschland und Österreich stammende Juden getroffen. Manche von ihnen haben aus Auschwitz überlebt.

"Das war das erste Mal, dass ich die echte Geschichte zur Kristallnacht, den Kindertransporten und der Flucht gehört habe. Das lernt man nicht in Amerika." Man erfahre nur von russischen und polnischen Juden und der Geschichte des Warschauer Gettos. "Wenn ich als Jude nichts darüber wusste, woher sollten es dann andere wissen? Deshalb habe ich einen Film darüber gemacht." "Refuge" ist Bensingers erster Film. Mit dem Ergebnis ist er sehr zufrieden. "Der Film wurde auch beim Public Television Network in den USA ausgestrahlt. Mehr als 100.000 US-Amerikaner haben ihn gesehen." Besinger präsentierte seine Dokumentation auch in London, Zagreb und China.

Roman Melamed von der jüdischen Gemeinde in Fulda

Ethan Bensinger

Die Bardoschüler verfolgen die Dokumentation "Refuge" gebannt

v.r.: Ethan Bensinger mit seiner Frau Elisabeth

"Viele der von mir interviewten Zeitzeugen hatten das Gefühl, wenn sie nicht von ihrer schrecklichen Vergangenheit erzählen, tut es keiner." Vier Jahre lang habe er an dem Film gearbeitet. "Es war nicht leicht, den Menschen zuzuhören, da das, was sie zu sagen hatten, sehr bewegend war." Eine ältere Frau berichtete ihm, wie sie die Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz erlebte: "Wir alle waren fassungslos und in Schockstarre. Lagerarzt Josef Mengele sah mich an und meinte, ich sei schwanger. In der Tat hatte ich eine Abtreibung. Als er mich nach dem Grund fragte, sagte ich, weil ich Angst um mein Leben hatte, 'Ich will kein weiteres jüdisches Leben auf die Welt bringen'. Dafür schäme ich mich noch heute."

"Diese Menschen haben alle einen unheimlich starken Charakter. Sie strahlen Wärme aus und erzählen uns von einer Kindheit, die niemand jemals erleben möchte", erklärt Bensinger voller Überzeugung. Diese Botschaft, müsse auch in die USA gesendet werden muss, denn die extreme Rechte in Amerika habe eine starke Stimme. "Es gibt neuen Antisemitismus, Rassismus, und eine sehr islamfeindliche Haltung - eine Registrierung von Moslems ist im Gespräch. Daher ist es umso wichtiger, dass die Botschaft, die die Menschen in dem Film überliefern, in die ganze Welt getragen wird." (Toni Spangenberg) +++


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