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Beklemmende Enge: Von Beginn an gelingt es dem neunköpfigen Ensemble, die Zuschauer mit an Bord zu nehmen. - Fotos: Stefanie Harth

BAD HERSFELD Intensives Spiel auf engstem Raum

Verführt, verheizt, vergessen: „Das Boot“ funktioniert auch auf der Bühne

07.02.17 - Die Enge? Beklemmend. Die Luft? Stickig. Das Warten auf den nächsten Einsatzbefehl? Zermürbend. Die Peilgeräusche des sich nähernden Zerstörers? Kaum zu ertragen. Das Boot? Ein eiserner Sarg. Der Umgangston? Rau. „Ruhig Männer!“, ermahnt der Alte (Hardy Krüger jr.) wieder und wieder seine Crew. Mit stoischer Ruhe führt der Kommandant von U 96 Befehle aus, obwohl er längst ein Bewusstsein für den Kriegsirrsinn entwickelt hat. Der Kaleu nimmt kein Blatt vor den Mund, schießt scharf gegen das NS-Regime: „Den Rest fragen Sie bitte diejenigen, die diesen Scheiß-Krieg angefangen haben.“

Der Alte (Hardy Krüger jr.) und der Erste Wachoffizier (Alexander Mattheis). ...

Neu an Bord: Kriegsberichterstatter Leutnant Werner (Marco Michel).

U 96 läuft aus...

Johannes Pfeifers Inszenierung, die am Samstagabend in der Bad Hersfelder Stadthalle dargeboten wurde, zeigt: Lothar-Günther Buchheims Romanbestseller „Das Boot“ funktioniert auch als Schauspiel. Von Beginn an gelingt es dem neunköpfigen Ensemble, die Zuschauer mit an Bord zu nehmen. Gemeinsam durchleben sie eine emotionale, intensive Höllenfahrt. Ein Himmelfahrtskommando, das aufzeichnet, wie junge Menschen im Zweiten Weltkrieg verführt und verheizt wurden. Die Produktion der Münchener a.gon Theater GmbH mit Wolfgang Petersens Kriegsfilm-Klassiker zu vergleichen, wäre unfair. Das Publikum ist gut damit beraten, die unvergessenen Filmszenen, die von Klaus Doldinger komponierte Titelmusik und die leibhaftige hohe See kurzfristig aus dem Gedächtnis zu verbannen.

Das Kammerspiel lenkt den Blick auf die zwischenmenschliche Ebene. Mit einer Mannschaft von „verdammten Rotznasen“ müssen sich der Alte (Paraderolle für Hardy Krüger jr.), der kriegserprobte Leitende Ingenieur (Benedikt Zimmermann), der Zweite Wachoffizier (Michael Gaschler) und Maschinist Johann (Oskar-Wolf Meier) herumschlagen. Fremdkörper an Bord sind zum einen der Erste Wachoffizier (brillant: Alexander Mattheis), ein strammer Nazi und Pflichterfüller, und zum anderen der von Wissensdurst getriebene Kriegsberichterstatter Leutnant Werner (großartig: Marco Michel). Allesamt Kerle mit unterschiedlichster Gesinnung und den mannigfaltigsten Lebensläufen, die sich in der bedrückenden Enge von U 96 zusammenraufen müssen – und: gemeinsam einen Leidensweg zu beschreiten haben.

Befremdlich anmutende Momente sind vorprogrammiert, wenn die Besatzung sich beispielsweise die Zeit mit dem Spielen von „Schiffe versenken“ vertreibt. Dem gegenüber stehen die quälende Ungewissheit und das Warten auf eine mögliche Feindberührung. Angreifen oder ziehen lassen? Der Alte gibt sich keinen Illusionen hin: „Wir tragen einen Sarg wie eine Schnecke mit uns herum – wie eine verdammte Schnecke“, bekräftigt er. Eine Aussage, die die von ihm als „Gymnasiasten und überständige Hitlerjungen“ bezeichneten jungen Crew-Mitglieder nicht verstehen können oder wollen. Das Boot, ein eiserner Sarg? Unvorstellbar.

Was bleibt? „Von den 40.000 deutschen U-Boot-Männern sind 30.000 im Atlantik geblieben, über die Opfer auf der anderen Seite gibt es keine Zahlen“, heißt es im abschließenden Monolog. Still liegt die See. Das Meer, ein Massengrab. Betretenes Schweigen in der – leider nur zu knapp zwei Dritteln gefüllten – Bad Hersfelder Stadthalle. Das Publikum atmet tief durch, schnappt nach Luft. Dann: langanhaltender, verdienter Applaus. (Stefanie Harth) +++


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