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Fördervereinsvorsitzende Heike Erbes mit Familie Dittmar, Tochter Christiane, Ehefrau Marga und Sohn Heinz Jörg, vor der „Dittmarschen Buchsammlung“ -

ULRICHSTEIN Neu geordnete Vogelsberg-Bibliothek eröffnet

Über 5.000 Exemplare zum Lesen für die Museumsbesucher

22.02.17 - "Am Anfang war das Wort oder wie es der Schriftsteller Günter Kunert deutete: Was nicht zur Sprache kommt, kommt nicht zur Welt", so schlug Archivar Erco von Dietze bei der Eröffnung der neugeordneten Vogelsberg-Bibliothek im "Museum im Vorwerk" einen großen Bogen, bis der Mensch die Schrift erfand. Die Höhen des Vogelsbergs waren in jener Zeit noch Naturgebiete und blieben es auch noch für lange Zeit. Klöster als Stätten der Bildung, wo das Lesen und Schreiben praktiziert wurde, entstanden nur weit entlegen am Rande des Berges. Erco von Dietze wies dazu auf das Augustinerkloster in Alsfeld hin. In Romrod, Homberg. Lauterbach, Schotten und an einigen anderen Flecken sei es um 1000 n.Chr. zu Kirchengründungen gekommen. Wie aber stand es um die Dorfflecken auf dem Vogelsberg im Mittelalter. Wenn dort kein Leutpriester war, der meistens in lateinischer Sprache den Sermon sprach, jedoch nicht willens war, sein Dargebotenes als Wissen zu vermitteln, dann erfolgte nichts der Bildung wegen. Manche alte Inkunabeln -Einbände der Gemeinderechnungen, wie zum Beispiel in Michelbach, Altenschrift, Lauterbach, Ulrichstein belegen, dass es vereinzelt Bücher in Vogelsberger Dörfern gab.

Museumsverein Alsfeld Fördervereinsvorsitzende Heike Erbes und Archivar Erco ...

Gut besucht war die Eröffnungsveranstaltung der neu geordneten Vogelsberg-Bibliothek ...

Handgeschriebene Bücher waren kostbar, das gemeine Volk konnte sie sich nicht kaufen. Und selbst die hier bestehenden Rittergeschlechter waren damals entweder sparsam oder an Büchern uninteressiert. Im Riedeselischen Besitz befand sich zwar ein Gutenberg-Druck, die Görtzsche Bibliothek kam erst später zur Blüte, aber wie die Schenken und andere, entgegen den Solms und Ysenburger, deren Bibliotheken heute zu den größten privaten Buchsammlungen zählen, waren eigentlich keine Landesherren, die das Buch und damit die Bildung im Land förderten. Ihnen diente das Buch nur als eigener Bildungsgegenstand.

Erst 1524, durch die Aufforderung an "die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen", entstanden erstmals Unterrichtungen im Lesen und Schreiben auf dem platten Land. Pfarrer und Lehrer wurden die Bildungsträger im Dorf. Das 18. Jahrhundert bezeichnete der Archivar mit Kant, Goethe und Schiller als ein großes Bildungsjahrhundert. Lesevereine, Lesezirkel und Lesebibliotheken entstanden vieler Orts.

Ab 1830 siedelten sich Druckereien in Schlitz, Alsfeld (Buch- und Steindrucker Carl Friedrich Siedentopf), Lauterbach (F. Ehrenklau), in Kirtorf und Schotten an. Die meisten waren zugleich auch Verleger, so wie Wilhelm Engel in Schotten. Durch dieses Handwerk kamen endlich das Buch und das Buchgewerbe im Vogelsberg an. Doch zum Überleben griff nicht jeder zum Buch. Die Tagesarbeit im Vogelsberg war steinreich, brotarm. Also blieb zum Lesen nur die Zeit zwischen Ernte und Saat, die Winterszeit. Andere saßen am Webstuhl oder übten Theaterstücke, wobei meistens dem ernsten ein fröhliches Stück folgte, und wenn der Schnaps manche Zunge gelöst hatte, traten auch ungeahnte Dorftalente hervor.

Vieles lag noch in den Händen jener Dorflehrer, die es hier nicht mehr gibt. Sie trugen viel zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Das Streben nach Bildung, inzwischen zu einer Wissensausrichtung geworden, veränderte die Situation und Welt inzwischen gänzlich. In den 60ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts: Fernsehen, neue Schulangebote verdrängten Schulbüchereien bis 1972 Willy Brandt, Bibliotheken erneut als einen notwendigen Bildungsstandart für Kommunen forderte. Zehn Jahre später kam dieser Gedanke auch im Vogelsberg zur Umsetzung. In dieser Zeit sei es Heinrich Dittmar gewesen, der die Sonderschule für den Altkreis Alsfeld aufbaute. Durch diese Arbeit sensibilisiert, wuchs sein Interesse für Randgruppen und nach der grundsätzlichen Frage, was bildet Gemeinschaft, stieß der inzwischen auch im Kreistag aufgestiegene Politiker suchenden Antworten entgegen.

1934 geboren, war ihm das Buch nicht fremd. Warum wurde ihm aber gerade das Buch zum Hauptsubjekt? Vielleicht, weil es etwas unverrückbares, dauerhaftes, Beständiges hat, was seiner Liebe zu Land und Menschen entsprach. Aber vielleicht auch, weil es der alten Erkenntnis entsprach: wer schreibt, der bleibt und was schriftlich dokumentiert ist, belegt Zeugnis des Verfassers, erklärt sein Wissen und somit seine Bildung. Letztlich blättert es sich in einem Buch anders, man zappt nicht zur nächsten Internetseite, sondern fühlt, sieht, hört, schmeckt und riecht das Papier.

"Alle diese Sinne verkörpern menschliches Tun und deshalb danken wir Ihnen, liebe Familie Dittmar, für diese Buchstiftung besonders, weil es das Leben des Vorwerk-Museums bereichert", so Erco von Dietze abschließend. Bei der, von der Fördervereinsvorsitzenden Heike Erbes eröffneten Veranstaltung waren auch Ehefrau Marga Dittmar, Sohn Heinz Jörg und Tochter Christiane anwesend. Abschließend trug der langjährige Pfarrer Manfred Günther zwei Geschichten vor, in der er über die landwirtschaftlichen Tätigkeiten in seinem 2.000 Quadratmeter großen Acker/Garten berichtete. (Dieter Graulich) +++


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