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Staatsminister Michael Roth - Foto: Luisa Diegel

BERLIN "EU, eine Wertegemeinschaft"

Interview mit Staatsminister Michael Roth: "Nicht in Sprachlosigkeit verfallen"

13.03.17 - Jeden Tag stehen in der Politik neue Herausforderungen vor der Tür: Derzeit beschäftigen vor allem der Konflikt in der Türkei, der inhaftierte Journalist Deniz Yücel und US-Präsident Donald Trump die deutschen Politiker. Viele Sorgen hat auch Staatsminister Michael Roth (SPD). Luisa Diegel und Julissa Bär aus der O|N-Redaktion haben den stellvertretenden Außenminister im Auswärtigen Amt in Berlin getroffen.

Luisa Diegel (links) und Julissa Bär (rechts) haben den gebürtigen Hessen in Berlin ...Foto: Markus Teglas

Fotos: Julissa Bär/Luisa Diegel

Was sind die aktuellen Herausforderungen in Europa und vor welchen Aufgaben stehen Sie als stellvertretender Außenminister?

"Wir feiern am 25. März den 60. Geburtstag der Römischen Verträge, dem Gründungsdokument des vereinten Europas. Derzeit verhandeln wir darüber, mit welchem Blick, beziehungsweise mit welcher Vision wir den Bürgerinnen und Bürgern in Europa ein Angebot unterbreiten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir auf die einzigartige Erfolgsgeschichte Europas hinweisen. Gleichzeitig müssen wir den Menschen auch bewusst machen, dass in einer globalisierten Welt - angesichts der vielen Krisen und Konflikte - die europäische Zusammenarbeit unsere Lebensversicherung bleibt, heute mehr denn je.

In diesen Tagen spielt besonders unser Verhältnis zur Türkei eine ganz wichtige Rolle. Die Europäische Union versteht sich als eine Wertegemeinschaft, die deutlich das Wort ergreift, wenn diese Werte verletzt werden. Europa ist eben nicht nur ein Wirtschaftsprojekt. Ich mache mir große Sorgen über den Zustand der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Medienfreiheit in der Türkei. Unsere Beziehungen sind in einem schwierigen Fahrtwasser. Wir versuchen momentan auf eine konstruktive Gesprächsebene zu kommen – und das prägt meinen Arbeitsalltag doch stark."

Was kann die Bundesrepublik Deutschland tun, um den Konflikt mit der Türkei beizulegen?

"Es ist erstmal kein Konflikt zwischen den Bürgern in Deutschland und den Bürgern in der Türkei. Es ist ein Konflikt zwischen den politischen Verantwortlichen. Wir können nicht akzeptieren, dass die Medienfreiheit, die ein wesentlicher Teil der lebendigen Demokratie ist, unter Druck gerät. Derzeit kämpfen wir unter anderem für die Freiheit des Journalisten Deniz Yücel.

Mir ist es wichtig, dass wir weiterhin im Gespräch bleiben. Wir werden kein einziges Problem lösen können, indem wir in Sprachlosigkeit verfallen oder uns von einer Provokation zur nächsten hangeln. Ich habe am Dienstag lange und ausführlich mit meinem türkischen Amtskollegen telefoniert. Ich kann nur hoffen, dass sich die Beziehungen wieder verbessern. Unter Freunden muss man auch klare Worte finden - auf Augenhöhe. Das ist wichtig. Wir in Deutschland tragen gerade hier eine besondere Verantwortung in Europa, weil in unserem Land drei Millionen Bürger mit türkischen Wurzeln leben. Die innertürkischen Konflikte dürfen nicht einfach so nach Deutschland getragen werden."

Was ist der aktuelle Stand im Fall Deniz Yücel und was kann die Bundesrepublik tun, um den deutsch-türkischen WELT-Journalisten zu befreien?

"Wir führen viele Gespräche mit unseren türkischen Kollegen: Die Kanzlerin mit dem türkischen Ministerpräsident, ich habe mit meinem Amtskollegen telefoniert, und am Mittwoch hat sich unser Außenminister mit dem türkischen Außenminister getroffen. In allen Gesprächen haben wir eine klare Erwartungshaltung formuliert. Erstens: Deniz Yücel muss unverzüglich freigelassen werden. Zweitens: Er muss als deutscher Staatsbürger auch konsularisch betreut werden. Und Drittens: Wir erwarten die strikte Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien."

Wie stehen Sie dem neuen US-Präsidenten Donald Trump und seinem Strategiechef Stephen Bannon gegenüber?

"Das Ergebnis in den USA hat mich genauso überrascht und fassungslos gemacht wie viele andere auch. Doch Empörung allein macht die Dinge ja nicht besser. Wir bieten weiterhin unsere Zusammenarbeit an. Derzeit ist es noch völlig ungewiss, in welche Richtung sich die Vereinigten Staaten von Amerika bewegen werden. Wir sollten aber weder die Rolle Europas, noch die Rolle Deutschlands unterschätzen. Wir haben nur eine Chance, Einfluss zu nehmen, indem wir in Europa mit einer Stimme sprechen und uns nicht auseinander treiben lassen.

Wir sind verstört über viele Entscheidungen, die der amerikanische Präsident zu verantworten hat. Menschen aus den USA auszuschließen, nur weil sie einer bestimmten Religion angehören ist zutiefst unamerikanisch und widerspricht der Tradition einer offenen und liberalen Gesellschaft."

Was braucht Deutschland (auch im Hinblick auf die Bundestagswahl), um auch in Zukunft die Konflikte in Europa zu meistern?

"Wir brauchen engagierte Demokratinnen und Demokraten. Menschen, die nicht nur meckern, sondern auch mitmachen und sich beteiligen. Seitdem sich die SPD für Martin Schulz als Kanzlerkandidat entschieden hat, spürt man den Aufbruch in unserem Land. Viele junge Menschen fangen an, sich stärker für Politik zu interessieren. Wir haben vieles erreicht, und es gibt auch weiterhin noch eine Menge zu tun. Die Zukunft des Landes ist wichtig, und man sollte sie nicht den anderen überlassen. Wir alle tragen ein Stück weit Verantwortung dafür, dass die Demokratie gelingt. Es gibt zu viele Demokratieverächter – und denen müssen wir es zeigen, indem wir unser Hinterteil hochkriegen und uns einbringen. Unsere Gesellschaft ermöglicht viele Wege des politischen Engagements."

Die weltpolitische Lage ist viel unübersichtlicher geworden im Vergleich zu früher. Ist es für Sie als stellvertretenden Außenminister schwieriger, Konflikte zu lösen?

Politik ist immer Teamarbeit. Es ist ganz besonders wichtig, dass sich Deutschland anstrengt. Wir strengen uns an, dass es gelingt, in Syrien den Bürgerkrieg zu beenden. Wir strengen uns an, die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bekämpfen und den Konflikt in der Ukraine zu beenden. Wir tun das immer im Zusammenspiel mit vielen Partnern. Das ist nicht immer einfach. Manchmal ist es anstrengend und enttäuschend – aber wir setzen immer auf den langen Atem." (Luisa Diegel/Julissa Bär) +++


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