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Autor Klaus Ziegler am Mischpult -

SINNTAL Regisseur Ziegler im Interview

Erfolgreiche Theatertradition in Jossa: "Ich wähle das aus, was mich reizt"

10.04.17 - Den Schwank „Bauernlist für Biomist“ führte die Laienspielgruppe vom Verkehrs- und Heimatverein Jossa „Stoark Stoeck“ viermal an den beiden vergangenen Wochenenden in der Turnhalle auf. Seit 2000 besteht die Theatertradition, die alljährlich mit unterschiedlichen Stücken erfolgreich aufrecht erhalten wird. Der diesjährige Bauerschwank ist das achte Werk, das Regisseur Klaus Ziegler für Stoark Stoeck geschrieben hat.

Ziegler ist in Jossa geboren und wohnt nach wie vor in dem schönen Sinntaler Erholungsörtchen. Er ist eigentlich Diplomsoziologe, Psychodramaleiter und Präventionstrainer. In der Praxis EigenSinn in Bad Orb gibt er psychosoziale Beratung und Kurse. Präventionskurse leistet er auch in weiteren Orten für den Bildungspartner Main–Kinzig, den Kneipp Verein Schlüchtern, die Stadt Bad Brückenau und die AOK Schweinfurt. In einem Interview stellen wir den Autor und Regisseur Klaus Ziegler vor.

Wie sind sie zum Theater gekommen?

"Durch ein Schlüsselerlebnis in der Schulzeit in den 70er Jahren. Wir hatten einen theaterbegeisterten Lehrer, der wollte unbedingt mal mit seiner Klasse etwas aufführen. Also musste ich mitspielen. Und in der Aufführung begeisterte mich diese Kunst so sehr, dass ich bis zum Abitur an allen Aufführungen der Schule mitgewirkt habe. Mit einer Inszenierung sind wir sogar auf den Städtischen Bühnen in Frankfurt aufgetreten."

Fotos: Walter Dörr

Das große Finale von Bauernlist für Biomist

Wie haben Sie Ihr Interesse am Theater weiter verfolgt?

"In der Studienzeit habe ich an den Städtischen Bühnen und beim Hessischen Rundfunk als Komparse mitgewirkt. Dafür bekam man akzeptables Geld und ich konnte dabei hinter die Kulissen und den Profis über die Schulter gucken. Über die Uni schloss ich mich auch einer Theatergruppe an. Wir spielten alles, von Sketschen bis Komödien und Dramen. Wir leisteten uns sogar ab und zu professionelle Regisseure. Eine Regisseurin hat mir 1981 sogar die Hauptrolle in dem Kinofilm „Heimatkunde“ gegeben, einer Produktion im Auftrag des ZDF. Gedreht haben wir in Frankfurt. Ich habe natürlich mit Begeisterung gespielt und sehr viel rund um das Film-Theater gelernt."

Das hört sich ja so an, als ob Sie sich selbst eine Ausbildung zum Theaterschaffenden zusammengestellt haben?

"Stimmt, rückblickend kann man das so sehen. Dabei bin ich einfach nur meinen Interessen nachgegangen. Das Bühnen-Theater habe ich intensiver mit der damals starken Bewegung des Freien Theaters kennengelernt. Hier agierten Theaterprofis, die dem konventionellen Schauspielstudium und Theater progressive Alternativen entgegensetzten. Ich besuchte Workshops und Trainings, beispielsweise in der Schauspielkunst nach Grotowski und Strasberg. Natürlich gibt es auch von meinem Studium der Soziologie her starke theoretische Bezüge zum Theater, durch die Rollentheorie, der Selbstdarstellung im Alltag und den Symbolischen Interaktionismus. Und selbst das Psychodrama, meine therapeutische Ausbildung, hat seine Wurzeln im Theater."

Nicht jeder Schauspieler schreibt auch Theaterstücke. Wie ist es für dich dazu gekommen?

Auch hier kann man einen Weg eigentlich nur rückwirkend erkennen. Als ich Anfang der 90er Jahre das Projekt "Theater SpessArt“ gegründet habe, haben wir im Ensemble viele Szenen und Sketsche über Improvisation zu Themen erarbeitet. Dazu gehören natürlich auch Dialoge. Meine ersten Schritte zum Bühnenautor sind somit aus der Theaterimprovisation entstanden."

Wo ist "Theater SpessArt“ aufgetreten?

"Wir traten im Marstall auf der Burg Schwarzenfels und im Saal der "Krone“ in Altengronau auf. Im Altkreis Schlüchtern erinnert man sich vielleicht noch an die 1000–Jahr–Feier der Stadt Schlüchtern in 1993. Hier inszenierte ich im Auftrag der Stadt Schlüchtern mit Jugendlichen und Erwachsenen "Andorra“ von Max Frisch. Das Schauspiel wurde zu den Feierlichkeiten in der Stadthalle Schlüchtern aufgeführt. Gegen Ende der 90er Jahre löste sich die Gruppe auf. Durch Studium und Beruf haben die damaligen Akteure den Bergwinkel verlassen.

Und wie kam es dazu?

"Pünktlich zum Millennium kam die Anfrage vom Heimat – und Verkehrsverein Jossa, ob ich den Aufbau und die Leitung einer Theaterabteilung übernehmen würde. Daraus wurde Stoark Stoeck. Die Anzahl der begeisterten Mitspieler war groß und ging durch alle Altersklassen. Deshalb musste ich jedes ausgewählte Stück, wie beispielsweis "Der wahre Jakob“, "Pension Schöller“ für uns bearbeiten bis ich mir schließlich gesagt: "Dann kann ich es ja gleich selbst schreiben“. So habe ich bis heute sieben Komödien geschrieben und mit Stoark Stoeck aufgeführt.

Die Themen sind unterschiedlich (Bahn-Trasse, Krimi, Bauernschwank) – wie kriegen Sie da eine Geschichte hin?

"Es gibt immer wieder Neues in der großen und kleinen Welt. Ich wähle das aus, was mich reizt und inspiriert. Dazu gehören natürlich auch die Anregungen aus der Theatergruppe. Die Anzahl der Mitspieler gibt mir auch vor, wie viele männliche und weibliche Rollen und welches Alter ich verwenden kann. Uns alle reizt es, jedes Jahr einen neuen Spielort und eine völlig neue Thematik zu inszenieren. So haben wir in einer Familienfeier - "Omas achtzigster Geburtstag“ - die gute Stube und die liebe Verwandtschaft herzhaft zerlegt. Dann haben wir uns selbst, das Amateurtheater, mit all seinen Pleiten, Pech und Pannen aufs Korn genommen. "Bei Boris ist ein Zimmer frei“ entstand 2011 aus der bekannten Wohnungsnot für Studenten. Die haben wir grotesk mit der damaligen Volkszählung kombiniert. Da wir geniale Bühnenbauer in der Gruppe haben, konnten wir in "Die Perlen vom Buchensee“ sogar ein schwimmendes Boot auf die Bühne bringen. Dann hatten wir Lust auf alte Klamotten und sind in die 20er Jahre gegangen. Dort wurde sich deftig um eine "Verlockende Erbschaft“ gestritten. "Im verrückten Wilden Westen“ konnten vor allem meine jugendlichen Akteurinnen die Fäuste fliegen lassen, während ihre Mitspieler mit Worten scharf geschossen haben. So sind wir in diesem Jahr auf den Bauernhof gekommen, "Bauernlist für Biomist“.

Haben Sie Grundsätze für das Schreiben, Regeln die Ihnen wichtig sind?

"Es darf gelacht werden. Nichts auf der Welt ist so ernst oder heilig, dass man nicht auch einen Witz darüber machen dürfte. Das hat mich als Kind schon an den Stummfilmstars begeistert und später bei Monty Python. Aber eine Regel gibt es dazu: Ich achte immer auf einen lebensbejahenden Humor. Der kann durchaus schwarz, bissig, absurd oder entlarvend sein, aber niemals diffamierend, bloßstellend oder auf Kosten anderer. Ich möchte mit Humor nicht die Schadenfreude bedienen, sondern die Freude am Denken. Oder wie es Walter Benjamin sagt: "Es gibt für das Denken keinen besseren Start als das Lachen."

Denken Sie sich erst eine Geschichte (Handlung) aus? Wie wird das Ganze dann ein Stück?

"Mit den Akteuren von Stoark Stoeck habe ich bisher immer konkrete Personen und ihre Potentiale als Anregung. Dann gibt es anfangs Puzzleteile, die in das Stück passen sollen, Themen, die ich ansprechen möchte, Gags, die schon vorher feststehen, welche Figur die Haupttrolle wird oder Entwicklungen die bestimmte Figuren durchlaufen sollen. Die verblüffenden Drehungen und Wendungen im Stück und das überraschende Happy End ergeben sich meist erst im weiteren Ausarbeiten des Werkes."

Geben Sie den Personen im Drehbuch eine Stimme – oder lassen Sie die Leute “einfach” babbeln?

"Man glaubt es nicht, aber sobald ich mir eine Figur überlegt habe, fordert sie ihr Eigenleben. Bei allem, was ich ihr zuschreiben möchte, muss ich mich fragen: Würde sie so etwas sagen, denken, empfinden? Wenn ja, wie zeigt sie das? Je näher ich damit an einer Figur bleibe, umso glaubwürdiger erscheint sie. Weil ich meine Stücke bisher zuerst selbst inszeniere, kann ich diese Glaubwürdigkeit und Folgerichtigkeit in den Proben nochmals überprüfen und optimieren. So habe ich dann mein Werk quasi „auf Herz und Nieren“ getestet, bevor es an die Verlage geht."

Wie lange schreibt man an einem Theaterstück?

"Mal geht es gut von der Hand, dann wieder bleiben die Ideen aus und man quält sich. Lässt man sich dann Zeit, ist es auch nichts. Ein zeitliches Limit ist eher ein Ansporn. Bisher habe ich die Stücke immer zum ersten Treffen der Gruppe im Oktober fertig bekommen. Die ersten Notizen mache ich mir so Mitte Juni."

Sie haben schon einige Stücke an Verlage gegeben. Bekommt man von dort Informationen, wo das Stück aufgeführt wird – bzw. Pressestimmen, wie erfolgreich eine Aufführung war?

"Bei einigen Verlagen erfahre ich erst mit der Überweisung der Tantiemen, dass jemand ein Stück gespielt hat. Andere informieren ihre Autoren sobald eine Bühne einen Aufführungsvertrag abgeschlossen hat. Sohat mich gerade in den letzten Tagen der Kaiserverlag Wien darüber informiert, dass ab Oktober 2017 bei Linz meine "Verlockende Erbschaft“ zehn Mal aufgeführt wird. Wenn ich Kontakt zu den Bühnen bekomme, dann nehme ich gerne Fotos und Pressestimmen zu deren Aufführungen auf meine Autoren-Homepage. Diese Internetseite wird aktuell erstellt und ist in einigen Tagen erreichbar. Hier werde ich zum ersten Mal alle Theaterstücke im Überblick und mit ausführlichen Angaben zusammentragen.

Sie wollen Ihren Autoren-Job weiter vertiefen?

"Das ist jetzt der nächste Schritt. Wie wir gesehen haben, ergibt sich in meinem Theaterschaffen das Eine aus dem Anderen. Bisher sind die Stücke durch die Arbeit mit Stoark Stoeck entstanden. Durch den langjährigen Dialog mit den Verlagen habe ich aber mittlerweile auch viele Anregungen erhalten, um Theaterstücke zu schreiben, die über diese Vorgehensweise hinausgehen. Da bin ich jetzt dabei. Ein erster Erfolg sind meine fünf Minidramen die in den letzten Monaten von Verlagen übernommen wurden. (Walter Dörr) +++


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