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Am Mikrofon Bodo Delhey, BUND Gelnhausen - Foto: Bürgerinitiative

KINZIGTAl "Keine Monster-Brücke im Kinzigtal"

Neue Bürgerinitiative startet Arbeit in kleineren Gruppen

19.05.17 - Die Pläne der Bahn für die Neubaustrecke Hanau-Würzburg/Fulda beschäftigten etwa 130 Interessierte aus Höchst, Haitz, Biebergemünd, Linsengericht und anderen betroffenen Gemeinden bei einer Bürgerversammlung im Dorfgemeinschaftshaus Höchst. Unter Federführung der Ortsvorsteher von Höchst, Haitz und Gelnhausen-Mitte, Reinhard Werner, Jörg Hanselmann und Professor Dr. David Lupton, entsteht eine Bürgerinitiative, die sich gegen die so genannte Variante I und für ausreichenden Lärmschutz entlang der bestehenden Bahnstrecke einsetzt.

Bodo Delhey vom BUND stellte zunächst die Pläne der Bahn vor, die derzeit noch zwischen sieben Varianten für den Streckenneubau im so genannten "Suchraum" abwägt. Im Herbst 2017 soll sich, so erläuterte Delhey, eine Variante herauskristallisieren. Diese würde dann ins Raumordnungsverfahren gehen, dem sich das Genehmigungsverfahren anschließt. 2024 könnten dann die vorbereitenden Arbeiten starten, 2027 die eigentlichen Bauarbeiten beginnen.  Das wären noch ganze zehn Jahre.

Der Höchster Ortsvorsteher Reinhard Werner, der souverän durch den Abend führte, warnte jedoch davor, sich angesichts dieses scheinbar weiten Zeitfensters zurückzulehnen. "Wir dürfen nicht erst wach werden, wenn es zu spät ist", appellierte er an die Anwesenden. Vor allem die so genannte Variante I steht im Fokus des sich formierenden Bürgerprotestes. Sie würde die gravierendsten baulichen Eingriffe ins mittlere Kinzigtal mit sich bringen. Eine Ahnung von dem Ausmaß der Bauwerke verschafften Grant Hummel und Baufachmann Walter Spahn den aufmerksamen Zuhörern. Demnach würde das gigantische Brückenbauwerk mit einer Rampe kurz hinter dem Bahnhof Gelnhausen starten, zwischen Bahnunterführung und Freibad würden die "schnellen" neuen Gleise die "langsamen" über eine Brücke überqueren und dann bei Höchst im Berg oder besser im Tunnel verschwinden.

"Damit die Gleise, auf denen schneller gefahren werden kann, über die bestehende Trasse geführt werden können, muss eine mindestens 8,30 Meter hohe Rampe entstehen. Das heißt: von der Himmelauer Mühle bis Höchst entsteht ein Bauwerk, das durchgängig so hoch ist wie ein Vier-Familien-Haus. Die Brücke steht dann etwa zwölf Meter über den jetzigen Gleisen, auf einer Länge von 1,5 bis 1,6 Kilometern. Das ist kein Spaß", sagte Hummel mit sehr ernster Stimme.  Die Betroffenheit drückte sich durch völlige Stille im Saal aus, die bei den Erläuterungen von Walter Spahn weiter anhielt. Er berichtete eindrucksvoll von vergleichbaren Bauvorhaben in anderen Regionen, zum Beispiel im Lahntal. Wenn in Gelnhausen eine Brücke aus Beton entstehen würde, wären dafür laut Spahn etwa 100.000 Kubikmeter Beton vonnöten und 50.000 Tonnen Stahl, die allein auf etwa 2000 Fahrzeugen herantransportiert werden müssten. 

Mobile Betonwerke könnten den Beton vor Ort produzieren, wegen der Temperaturvorgaben für die Verarbeitung des Baustoffes müsste gerade im Sommer mit Nachtarbeit gerechnet werden. Auch der Hochwassergefahr müsste das Ausmaß des Bauwerks Rechnung tragen. "Eine Monster-Brücke, die die Marienkirche als Wahrzeichen von Gelnhausen ablösen würde", versicherte Spahn. Auf einer Länge von 3,5 Kilometern würde sich der Tunnel durch den Berg fressen. Pro Kilometer Tunnel rechnet er mit einem Verbrauch von etwa 50.000 bis 60.000 Kubikmetern Beton, für dessen Herstellung wiederum etwa 525.000 Tonnen Rohstoffe benötigt würden, die etwa 21.000 Fahrzeuge anliefern müssten.  Spahn sprach außerdem von gigantischen Stahlmengen und Millionen Kubikmetern Erdaushub. "Man kann sich nicht vorstellen, was das für uns bedeuten würde."

Zum Flächenverbrauch für die eigentlichen Bauwerke käme laut Spahn natürlich auch noch der Flächenverbrauch für die Logistikzentren – Materiallagerung, Container für Arbeiter, An- und Abfahrtsstraßen für Tausende von Lkw. Die Bauarbeiten würden etwa fünf Jahre andauern. Alle Varianten hätten ihre Auswirkungen, aber die Variante I sei die "Horror-Variante" fürs mittlere Kinzigtal. Die Zuhörer machten sich in diesem Zusammenhang vor allem Sorgen um das vor Ort gewonnene Trinkwasser, die Landwirtschaft und die Natur. Im Flora-Fauna-Habitat in der Kinzigaue, an dem die Variante I nur knapp vorbeiführen würde, ist unter anderem die sehr seltene Helmazurjungfer als geschützte Libellenart zu Hause.

Reinhard Werner machte noch einmal deutlich, dass die Bürgerinitiative sich nicht gegen den Streckenausbau im Allgemeinen wende, sondern vor allem gegen die Variante I. "Eine Variante wird kommen, das ist klar. Aber wir müssen uns jetzt bewegen und an einer Stelle anfangen. Wir müssen jetzt für die Lebensqualität unserer Kinder und Enkelkinder kämpfen – und für Lärmschutz an der bestehenden Strecke." Das sahen die Anwesenden genauso. Per Handakklamation stellten sie sich hinter die neue Bürgerinitiative, viele trugen sich anschließend in entsprechende Listen ein. In kleineren Gruppen wird die Arbeit nun weitergehen. Die Frage, wie die neue BI heißen soll, konnte noch nicht abschließend geklärt werden. "Bürgerinitiative gegen Ausbauvariante I" war beispielsweise Ewald Desch nicht weitreichend genug, denn es müsse auch für einen ausreichenden Lärmschutz gekämpft werden. Um einen Namen werden sich nun die Arbeitsgruppen kümmern. (pm) +++


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