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Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind vielerorts stark überlastet und absolut unterfinanziert - auch am Klinikum Fulda. - Fotos: Christian P. Stadtfeld / Hendrik Urbin / BF Frankfurt

FULDA "Zwei Minuten reichen absolut nicht!"

Notaufnahme am Klinikum stark defizitär - Zoff mit Kassenärztlicher Vereinigung

22.05.17 - Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind vielerorts stark überlastet und absolut unterfinanziert. Sie werden immer stärker zum Lückenbüßer für die eigentlich zuständigen Bereitschaftsdienste der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Während am Klinikum Fulda 2013 noch 36.738 Patienten in der Notaufnahme behandelt wurden, waren es 2016 insgesamt 42.410 Patienten – ein Plus von über 15 Prozent (5.672 Patienten) in vier Jahren. Tendenz steigend. Noch mehr Schärfe bringt jetzt eine neue Vergütungsregelung, auf die Krankenhaus-Chefs nur mit Kopfschütteln reagieren.

O|N im Gespräch mit André Eydt, Dr. Petra Zahn und PD Dr. Thomas Menzel. ...

OSTHESSEN|NEWS hat mit den Klinikum-Vorständen, Priv.-Doz. Dr. Thomas Menzel und André Eydt sowie Dr. Petra Zahn, Direktorin der Zentralen Notaufnahme, über die umstrittene neue Vergütung und ihre Folgen gesprochen.

Erkältung, Rückenschmerzen oder Durchfall – Alltagsproblemchen, mit denen Patienten rund um die Uhr in die Notaufnahme kommen. Seit dem 1. April sollen Krankenhäuser genau diese Bagatellfälle zügiger an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst oder direkt in die Praxen schicken. Aber es gibt einen Haken. „In unserer Notaufnahme wird bei jedem Patienten eine Dringlichkeitseinschätzung vorgenommen“, erklärt Dr. Petra Zahn und berichtet: „Geht es nach der Kassenärztlichen Vereinigung werden für diesen so genannten "Erstkontakt" nur maximal zwei Minuten benötigt. Diese Zeit ist absolut nicht ausreichend und geht im Zweifel zu Lasten des Erkrankten.“

Dr. Thomas Menzel ergänzt: „Halten wir uns an die 2-Minuten-Vorgabe und übersehen dabei ein vielleicht schwerwiegendes gesundheitliches Problem des Patienten, verweisen ihn an den Bereitschaftsdienst oder einen niedergelassenen Kollegen und auf dem Weg dorthin passiert etwas, dann stehen wir allein in der Verantwortung. Damit werden wir dem Patientin nicht gerecht. Wir sind nicht bereit, dieses Risiko einzugehen. Wir setzen auf Qualität und die ist nicht in 2 Minuten zu haben."

2016 wurden in der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Fulda insgesamt 42.410 Patienten ...

Das Klinikum Fulda ist Krankenhaus der Maximalversorgung.

Jährliches Defizit für Notfallversorgung am Klinikum: 2,6 Mio. Euro

Für ambulante Patienten bekommen die Krankenhäuser wochentags eine Pauschale in Höhe von 4,74 Euro, am Wochenende sind es 8,42 Euro. Damit wächst das Defizit in der Notfallversorgung am Klinikum Fulda weiter. Bisher lag das pro Jahr bei ca. 2 Mio. Euro. Weitere 600.000 Euro kommen mit der Neuregelung hinzu, prognostiziert der kaufmännische Vorstand, André Eydt, und macht deutlich: „Wir haben als Krankenhaus der Maximalversorgung einen Sicherstellungsauftrag und damit auch eine große Verantwortung für die Bevölkerung in der Region. Für uns ist eines ganz klar: Wir werden keinen Patienten wegschicken, oder weniger gut behandeln, auch wenn wir dafür noch weniger Geld erhalten als bisher."

Die Unzufriedenheit der Krankenhäuser ist überall groß. Deshalb ist in Hessen ein Streit zwischen der KV, die die niedergelassenen Ärzte vertritt, und der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG) als Vertreterin der Kliniken entbrannt. Bei einer von der HKG in Auftrag gegebenen Umfrage, die im April veröffentlicht wurde, kam heraus: die Bürger haben großes Vertrauen in die medizinische Kompetenz der Notaufnahmen im Lande, der Ärztliche Bereitschaftsdienst wird kaum genutzt. „Das zeigt deutlich, dass der Ärztliche Bereitschaftsdienst der KV der Bevölkerung nicht sonderlich bekannt zu sein scheint“, sagt Rainer Greunke, Geschäftsführender Direktor der HKG.

Der Frankfurter Feuerwehr-Chef Reinhard Ries.

Auch die bundesweit einheitliche Rufnummer dieses Notdienstes 116117 stößt immer wieder auf Kritik. Dazu findet Prof. Reinhard Ries, Chef der Frankfurter Berufsfeuerwehr, deutliche Worte: „Die Notruf-Zentrale der Kassenärztlichen Vereinigung ist für die Notfallversorgung völlig unnütz. Der Ärztliche Bereitschaftsdienst muss an die Rettungsleitstellen angeschlossen werden. Das würde in der Organisation vieles einfacher machen und auch Rettungsdienst-Einsätze minimieren.“ Oft werde mit Blaulicht zu Bagatellfällen gefahren, die eigentlich etwas für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst wären.

Wie könnte das komplexe Problem nachhaltig gelöst werden? Diese Frage steht weiter im Raum. Gesundheitsexperten empfehlen, den Sicherstellungsauftrag der ambulanten Versorgung offiziell von der KV auf die Krankenhäuser zu übertragen, ebenso wie die von den Krankenkassen dafür bereitgestellten finanziellen Mittel. Damit gäbe es eine feste Anlaufstelle für alle Patienten, an 365 Tagen, rund um die Uhr und die Defizite würden deutlich minimiert. Es wird Zeit, dass die Politik dieses Thema zur Chefsache erklärt, denn die Interessen der einzelnen Parteien werden nie unter einem Dach vereinbar sein. (Christian P. Stadtfeld) +++


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