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Exponat aus der Schausammlung - Fotos:Margit Engelbertz

FULDA 1517 und der Aufbruch der Medien

Ausstellung in Hochschul-und Landesbibliothek - Vortrag von Prof. Dr. Füssel

26.05.17 - Gleich zwei Veranstaltungen in der Hochschul-und Landesbibliothek Fulda widmeten sich dem Reformationsjubiläum in diesem Jahr. Für den zweiten „Abend in der Bibliothek“ hatte der Verein der Freunde und Förderer der Hochschul-und Landesbibliothek Fulda (HLB) zu einer Ausstellungseröffnung und zu einem Vortrag eingeladen, die thematisch verknüpft waren: In der Sonderausstellung der HLB und im Vortrag von Professor Füssel (Direktor des „Gutenberg-Instituts für Weltliteratur und schriftorientierte Medien“) stand Martin Luther aber nicht als religionsgeschichtliche und gegenwärtig medial stilisierte Großfigur im Mittelpunkt.

Luther-Autograph

Der Abend in der HLB näherte sich der Reformationszeit unter anderen Aspekten: neben Informationen zur Epoche, zu der Person Luther und bedeutenden Persönlichkeiten in seinem Umfeld zeigt die Ausstellung die Bedeutung des Buchdrucks für die Verbreitung reformatorischer Ideen. Eine Schausammlung aus Beständen der HLB vermittelt einen Einblick in die Vielfalt der Druckerzeugnisse jener Zeit, z.B. mit antiken Autoren, die in der Epoche des Humanismus eine besondere Wertschätzung erfuhren, Flugschriften des Nürnberger und Leipziger Thesenanschlags (als Digitalisate) und zwei Lutherbriefen.

Referent Prof. Dr. Stephan Füssel

Professor Füssel, der Referent des Abends, ist durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zur Geschichte des Buchwesens, zu Johannes Gutenberg und dem Verleger Georg Joachim Göschen hervorgetreten; er ist Herausgeber und Mitautor der „Geschichte des deutschen Buchhandels“ und der Faksimile-Ausgabe der Lutherbibel. In ihrer Begrüßung wies Frau Dr. Elisabeth Ott, Vorsitzende der „Freunde und Förderer der Hochschul-und Landesbibliothek Fulda“, auf die herausragende Bedeutung der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg hin. Sie zitierte Professor Füssels Feststellung, die im Verlauf seines Vortrags mit zahlreichen Beiträgen in Wort und Bild belegt und veranschaulicht wurde: „Die Verbreitung der reformatorischen Ideen erfolgte durch den Buchdruck, und dessen Wirkung wurde durch die Verbreitung der Texte in der Predigt und im Gesang noch einmal potenziert.“

„Oh, wie schwer ist das Schreiben: es trübt die Augen, quetscht die Nieren. (…) Drei Finger schreiben, aber der ganze Körper leidet.“ Mit diesem Zitat aus dem Evangelistar Heinrichs III wies Professor Füssel auf die physischen Hindernisse bei der Verbreitung von Schriftgut vor der Erfindung des Buchdrucks hin. Auch der Zeitfaktor sei ein weiteres Hindernis gewesen, so Füssel: 2-3 Jahre habe das reine Abschreiben einer Bibel gedauert, weitere 1 ½ Jahre benötigte man für die Rubrizierung und Illuminierung. Eine Vervielfältigung und Verbreitung war unter diesen Voraussetzungen äußerst beschwerlich. Dagegen führte der Buchdruck zu einer Anzahl von 600 000 Bibeln allein zu Luthers Lebzeiten, europaweit sogar millionenfach. Auch die Rezeption und Funktion von Schriftgut allgemein veränderte sich durch Gutenbergs Erfindung: So erleichterten z.B. Textvorlagen mit großen Zeilenabständen den Studenten das Mitschreiben bei Vorlesungen und das Diktieren ganzer Texte entfiel. Frühe Formen von Ratgeberliteratur zur Verwendung von Kräutern und mit Darstellungen medizinischer Eingriffe – Beispiele sind in der Schausammlung vertreten – fanden Verbreitung und Paginierungen und Register erleichterten den Lesern die Orientierung.

Für die Verbreitung von Luthers reformatorischem Gedankengut war der Buchdruck auf verschiedene Weise von großer Bedeutung. Zu den Medien der Reformationszeit zählen neben Büchern auch Flugblätter und Flugschriften sowie „Newe Zeytungen“, die Produktion von volkssprachigen Texten wie Liedern erhöhte sich zwischen 1519 und 1522 um das 7-fache und Luthers Katechismus war in 500 000 Exemplaren verbreitet.

Professor Füssel wies aber auch auf zwei weitere Aspekte hin, die zu Luthers großer Wirkung beigetragen haben: Luther übersetzte die Bibel nicht Wort für Wort, sondern „Sinn aus Sinn“ in das Deutsche, und dies in einer spezifischen Luthersprache, die von großer Anschaulichkeit und Eindringlichkeit („Würzworte“ zur Verstärkung von Inhalten), von Wortneuschöpfungen und anschaulichen Sprachbildern (z.B. „seine Hände in Unschuld waschen“) geprägt war. Er zitierte Luthers Übersetzungstheorie aus dem „Sendbrief von Dolmetschen“ (Wittenberg 1530), die sprichwörtlich geworden ist: „Denn man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man deutsch reden soll, wie es die Esel tun, sondern die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt auf's Maul sehen..“

Publikum...

Auch nach 1 ½ Stunden dieses begeisternden und lebhaften Vortrags mit zahlreichen Veranschaulichungen war das Interesse der Anwe-senden im vollbesetzten Lesesaal noch so groß, dass sich eine Fragerunde mit Professor Füssel anschloss. Vor und nach dem Vor-trag bot sich die Gelegenheit, die Ausstellung „1517“ zu besichtigen. Eine Sonderführung ist am 24. Juni um 10 Uhr in der HLB. +++


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