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HILDERS Erste griechische Gastarbeiterin

Wiedersehen nach 51 Jahren: Katy Ntemiris reist zur früheren Arbeitsstätte

30.07.17 - Den Juni 1965 wird Katy Ntemiris, geborene Karamitrou, nie vergessen. Ein neuer Lebensabschnitt begann für die damals 21-jährige Griechin Katy Karamitrou. Sie verließ ihre Familie in Athen, um im fernen, unbekannten Deutschland Geld als Gastarbeiterin zu verdienen. Von der Hafenstadt Piräus fuhr sie mit der Fähre nach Italien, von dort aus mit dem Zug zunächst nach München, dann weiter nach Fulda.

Sie sprach kein Wort Deutsch, sie war aufgeregt, und bekam daher tagelang keinen Bissen runter, erinnert sich die heute 74-Jährige. In Fulda sei sie von Angestellten der Rhön-Leinenindustrie abgeholt worden. Dort in Batten bei Hilders in der Rhön sollte sie als Näherin tätig sein. Die Temperaturen waren bei ihrer Ankunft – entgegen ihrer Erwartungen, angenehm warm, die Menschen, die ihr begegneten, freundlich und warmherzig, erinnert sich Katy Ntemiris, die heute in Marburg lebt.

Die junge Frau aus der griechischen Hauptstadt bemerkte schnell, dass sie in einem kleinen Dorf gelandet war. „Es gab nicht viele Häuser, aber viele Milchkühe“, sagt sie. Was ihr vor allem in Erinnerung geblieben ist, ist ihre Arbeit in dem Familienunternehmen Rhön-Leinenindustrie. Dort arbeitete sie als Näherin in der Produktion der damals modernen Popeline-Mäntel und war eine der ersten drei griechischen Gastarbeiterinnen. „Wir drei wohnten in der oberen Wohnung im Haus der Firmeneigentümer. Von Anfang an wurden wir liebevoll umsorgt. Das habe ich bis heute nicht vergessen“, sagt Katy Ntemiris. Die Seniorchefin Rosl Nüdling habe die jungen Frauen mit Essen versorgt, sich regelmäßig nach ihrem Wohlbefinden erkundigt, ohne distanzlos zu sein, beschreibt sie. „Als mich einmal meine Schwester und mein Schwager besuchten, gab sie mir einen großen Wurstkorb für meine Gäste“, erzählt Katy Ntemiris. Die Südländer, in der Firma arbeiteten auch italienische Gastarbeiter, hielten untereinander Schwätzchen, gaben sich Tipps, versuchten, gegenseitig zu übersetzen. Von den Stoffresten nähten sich die modebewussten Frauen manchmal Röcke – und sie waren stolz, dass auch sie Popeline-Mäntel tragen konnten.

Die Arbeitstage vergingen schnell. An den Wochenenden erkundeten die drei Griechinnen die Gegend in der Rhön. „Wir waren jung, wir wollten etwas sehen. Wir waren viel zu Fuß unterwegs.“ Nachdem nach einem Jahr ihre beiden Kolleginnen und Mitbewohnerinnen aus privaten Gründen in eine andere Region zogen, wusste Katy Ntemiris, dass sie als junge Frau in dem kleinen Ort auf Dauer nicht glücklich werden könnte. „Mein Chef konnte das nachvollziehen. Obwohl er Arbeiterinnen brauchte, unterstützte er meine Pläne, in eine andere Region zu ziehen.“

Batten hatte sie bis heute nicht vergessen. Was wohl aus der Fabrik geschehen sei, was die Unternehmerfamilie - deren Namen sie vergessen hatte – wohl macht, hat sie sich in all den Jahren gefragt. „Warum fahren wir nicht einfach dorthin?“, fragte ihr Schwiegersohn Christoph Weirich. Die Reise in die Vergangenheit begann: Mit Schwiegersohn und Tochter Anna Ntemiris fuhr sie nach Batten. „Ich bin jetzt das 21-jährige Mädchen“, sagte die 74-Jährige, als die Familie in Batten ankam. Längst vergessene Szenen, Bilder, Namen kamen wieder hoch. Die Rentnerin wusste nach 51 Jahren noch genau, wo die frühere Fabrik zu finden war, auch wenn sie den Straßennamen vergessen hatte.

Die ehemalige Näherei steht nun leer. Katy weiß nch gneau, wo ihr Platz war. Der unternehersohn ...

Als sie ausstiegen, um das Firmengelände von früher zu besichtigen, hielt ein Auto. Und jetzt kam für Katy Ntemiris das Unfassbare: Der Fahrer, der freundlich fragte, ob die Ortsunkundigen etwas Bestimmtes suchen, war der Sohn des früheren Unternehmers. Katy Ntemiris zeigte Fotos von damals. „Das war meine Oma Rosl“, sagte Michael Nüdling. Er lud die Familie sofort ins Haus ein, dort traf Katy Ntemiris nach 51 Jahren auf ihre frühere Chefin, die Schwiegertochter der Frau auf dem Foto. Die 87-Jährige Margot Nüdling freute sich über den Überraschungsbesuch, holte ihr Fotoalbum von damals raus. Katy Ntemiris traf auf der Straße zufällig auch Erika, eine frühere Arbeiterin, die ebenfalls noch im Ort wohnt. „Katy Ntemiris hat durch ihre Arbeit auch dazu beigetragen - dass der Name Rhönuline Popeline Mäntel bundesweit ein Markenbegriff wurde und bei so renommierten Kaufhäusern wie Peek & Cloppenburg und C & A verkauft wurden“, erklärte Michael Nüdling.

Die Firma Rhön-Leinen-Industrie wurde im Jahr 1811 gegründet und gehöre heute zu den ältesten Unternehmen in Hessen, auch wenn sich aufgrund der Globalisierung das Geschäftsfeld geändert habe, sagt Michael Nüdling. Das Werksgebäude steht inzwischen leer, Textilien werden heute fast nur noch in Asien produziert. Nüdling möchte das Gelände und Haus verkaufen oder vermieten, berichtete er. +++


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