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Archäologie-Studenten der Uni Marburg bei der Arbeit - Fotos: Julian Batz

HOFBIEBER Großstadt mit 1.000 Einwohnern

Kelten-Ausgrabungen an Milseburg gehen in letzte Runde – „Eine Wundertüte“

11.08.17 - Gäbe es Zeitmaschinen, so müsste man glatt mal einen Abstecher zur vorchristlichen Milseburg machen. Denn da, wo der Rhön-Freund heute herrliche Wanderungen durch die bewaldeten Hänge unternehmen kann, stand von etwa 600 bis 50 v. Chr. so gut wie kein Baum. Stadtdessen erstreckte sich über den Berg eine keltische Großstadt mit 1.000 Einwohnern – strategisch gut gewählt, da sich die Bewohner durch die natürliche Beschaffenheit gut gegen Angreifer schützen konnten.

Lokaltermin an der Milseburg

Ein Gefäß aus der Keltenzeit

Kreisarchäologe Dr. Frank Verse

Ein Kesselaufhänger

Teil einer Axt

Es ist die vierte und letzte Saison, in der Archäologie-Studenten der Philipps-Universität Marburg unter der Leitung von Dr. Ulrike Söder das Fundament eines Gebäudes – seinerzeit aus Holz, Geäst und Lehm erbaut – freilegen. Akribisch wird dort Erdschicht für Erdschicht mit Feinstwerkzeug abgetragen, immer in der Hoffnung auf Relikte aus der Keltenzeit, die neue Erkenntnisse über die Lebensweise dieses geheimnisvollen indogermanischen Stammes liefern. Am Donnerstagmorgen haben Kreisarchäologe und Projektleiter Dr. Frank Verse und Torsten Raab vom Biosphärenreservat Rhön zum Lokaltermin geladen, um über den aktuellen Stand der Ausgrabung zu unterrichten. Vor Ort war auch der Bürgermeister der Gemeinde Hofbieber, Markus Röder.

Ein verbogener Schlüssel

Satelliten-Foto von der Milseburg

„Man weiß nicht viel über die Kelten“, berichtete Dr. Verse. „Da keine schriftlichen Quellen vorliegen, gibt es auch keine historischen Daten.“ Von einem einheitlichen Volk könne man ohnehin kaum sprechen, vielmehr sei die Alltagskultur identitätsstiftend gewesen. Fest steht, dass sie zur sogenannten Eisenzeit lebten, das Metall also für sich entdeckten, um zum Beispiel Waffen zu schmieden. Siedlungszentren waren Ostfrankreich und Süddeutschland. Dr. Verse: „Die Milseburg lag also an der Peripherie.“ Dass die Kelten irgendwann von der Landkarte verschwanden, begründet der Archäologe damit, dass sie vom Norden her von Germanen und vom Süden von den Römern quasi in die Zange genommen wurden und schließlich in deren Kulturen aufgingen.

Gedenkstein für Heimatforscher Joseph Vonderau

Von links: Hofbiebers Bürgermeister Markus Röder, Torsten Raab vom Biosphärenreservat ...

Fundstücke

Die Milseburg war damals terrassenförmig in sogenannten Podien angelegt, die Platz für Dutzende Häuser boten. Der Boden eines davon wurde in den letzten drei Jahren etwa einen dreiviertel Meter tief freigelegt. Und die Ausbeute kann sich sehen lassen. „Das ist wie eine Wundertüte: Man weiß nie, was kommt“, freut sich Dr. Verse und präsentiert einen verbogenen Schlüssel, der nahelegt, dass es schon damals Eigentum gab, eine Axt, einen Kesselaufhänger, Tongefäße und Becher. „Ich nenne es immer: den Blick in den Geschirrschrank“, schmunzelt der Projektleiter. Die Behälter sind freilich nicht in einem Stück, sondern aus vielen Einzelteilen mühsam zusammengepuzzelt. „Insgesamt haben wir bislang etwa 60 Kilo Scherben.“

Zwei Studenten präsentieren die Ausbeute des Vormittags.

Die wichtigste Erkenntnis der vierjährigen Forschung sei die Neu-Datierung der Milseburg-Siedlung. „Nach den ersten Ausgrabungen von Heimatforscher Joseph Vonderau vor über 100 Jahren war man bislang davon ausgegangen, dass die Kelten hier ab etwa 300 v. Chr. ansässig waren. Unsere Arbeit hat nun ans Licht gebracht, dass sie bereits ab 600 v. Chr. hier siedelten.“

Feinstwerkzeug

Schöner Blick

Die Fundstücke sollen wissenschaftlich aufbereitet werden und ein kleines Dokumentationszentrum in der Nähe der Milseburg entstehen. Wer solange nicht warten möchte, der hat am 1. September von 9 bis 12 Uhr beim „Tag der offenen Grabung“ die Möglichkeit, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen. Und eine Ausstellung in der Kunststation Kleinsassen ist auch in Vorbereitung. (Matthias Witzel) +++


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