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06.07.09 - Ulrichstein

...da weht ein ganz anderer Wind - 98 % der Bürger sind für Windkraftanlagen

Ulrichstein ist nicht nur die höchste Stadt in Hessen. Der Luftkurort im Vogelsberg hat auch die größte Dichte an Windrädern in Hessen. 98 Prozent seiner 3.200 Bürger finden das gut, so Bürgermeister Erwin Horst. Der Fremdenverkehr habe wegen der vielen Windräder sogar zugenommen. Der Ulrichsteiner ist ein Pionier der Windkraft, der bereits frühzeitig das ökologische und ökonomische Potenzial der Windenergie erkannte. Bereits 1994 baute die Kommune hier die ersten vier 0,5-Megawatt-Anlagen in Hessen. Seit nunmehr vierzehn Jahren produzieren sie jährlich Strom für 1600 Haushalte. Das ist mehr Ökostrom als Ulrichstein mit seinen 1200 Haushalten im Jahr verbraucht. Inzwischen gibt es in Ulrichstein mehr als 50 Windkraft-Anlagen, davon 18 im kommunalen Besitz.

Der Verein Erneuerbare Energien für Schotten (EES) hatte zu einem Ortstermin in die Nachbargemeinde eingeladen. Die Gäste wollten wissen, wie dieses Modell realisiert wurde. Welche finanziellen und bürokratischen Hindernisse mussten überwunden werden? Gab es dagegen Widerstände aus der Bevölkerung? Eine so hohe Zustimmung sei doch sehr ungewöhnlich, meinte die Vereinsvorsitzende Dr. Jutta Kneißel, wo doch an vielen anderen Orten der Widerstand gegen Windräder wächst.

Der Bürgermeister erzählt, dass es Anfang der 1990er Jahre für die Errichtung von Windkrafträdern weder ein spezielles Baurecht gab und die vielen Gutachten vom Schallschutz bis zur Landschaftsbild-Analyse mussten ebenfalls nicht beigebracht werden. Die Zustimmung bei den Bürgern für die Windkraft war überall sehr hoch. Viele hätten damals die Potenziale der Windkraft völlig unterschätzt. Die Ulrichsteiner wurden zunächst belächelt. Als der Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung dann aber rasant anstieg, „verteufelten“ die Stromkonzerne in Kampagnen die Windkraft. Sie hatten den Einstieg in die Windenergieerzeugung verpasst und sahen ihre Monopolstellung auf dem Strommarkt bedroht. Das war durchaus realistisch. Windenergie deckt heute bereits ein Drittel der Nennleistung aller deutschen Atomkraftwerke. Diese Negativkampagnen veränderte aber die bis dahin positive Einstellung vieler Bürger zur Windkraft. Und die Politik erschwerte in der Folge den Bau von Windkraft-Anlagen weit über das baulich und landschaftlich gebotene Maß hinaus z.B. durch starke Einschränkungen in den Raumordnungsplänen.

Ulrichstein erwirtschaftet mit seinen eigenen Anlagen – betrieben durch einen kommunalen Eigenbetrieb – jährliche Überschüsse von 150 000 bis 350 000 Euro. Hinzu kommen Gewerbesteuereinnahmen der anderen Windkrafterzeuger auf der Ulrichsteiner Gemarkung. Dieses Geld kommt den Bürgern unmittelbar zugute. So werden die Verluste in der Wasserversorgung durch eine Quersubventionierung ausgeglichen, was einen Euro pro Kubikmeter Wasser ausmacht. Trotz umfangreicher Sanierungsarbeiten blieben auch die Kanalgebühren stabil. 2001 wurde der neue Bauhof mit den Erträgen aus der Windkraft gebaut. Außerdem entstanden zusätzliche Dauerarbeitsplätze in Ulrichstein bei den Wartungsfirmen für die Windkraftanlagen.

Das neue Rathaus auf dem alten Platz des Bauhofes ist ein weiteres Beispiel für Bürgernähe und erneuerbare Energien. Vor dem Rathaus steht ein senkrecht aufgestellter Windflügel als neues Symbol der Stadt. Es ist zugleich ein Bürgerhaus für Hochzeitsfeiern, hat ein Seminarzentrum für „Windkraft in Hessen“, Jugend- und Vereinsräume, beherbergt den Notarzt, die Feuerwehr und das Stadtarchiv. Auf dem Dach blinkt eine Photovoltaik-Anlage mit über 50 Kilowatt Spitzenleistung. Besonders stolz ist Bürgermeister Horst auf die Pelletheizung. Der teuerste Lagerraum für Pellets sei der Keller, während das Dachgeschoss oft leer stünde. Deshalb lagerten sie die Pellets direkt unter dem Dach neben der Heizung, was beim Neubau statisch berücksichtigt wurde. Die nahe gelegene Grundschule und der Kindergarten werden über ein Mininahwärmenetz gleich mit versorgt. Jährlich verbraucht die Heizung ca. 80 Tonnen Pellets anstatt 45.000 Liter Heizöl. Das spart der Gemeinde nicht nur Geld sondern verbessert zugleich die Kohlendioxydbilanz. Nach sechs Jahren hat sich die Anlage bereits amortisiert.

Ulrichstein bleibt am Wind. In den nächsten Jahren werden die alten durch leistungsfähigere Windkraft-Anlagen ersetzt. Sie werden durch ein Bürgerbeteilungsmodell finanziert. Obwohl eine neue Anlage zwischen 3,5 und 3,8 Millionen Euro kostet, ist die Finanzierung nach Aussage vor Erwin Horst kein Problem. Die Erfahrung habe gezeigt, dass mit Windkraftanlagen attraktive und sichere Renditen zu erwirtschaften sind. Die höchste Kommune Hessens nutzt so ihren Standortvorteil für die Umwelt und zum Wohle seiner Bürger. +++

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