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Der Bürgermeister von Ulrichstein, Erwin Horst - Archiv-Foto: Graulich
04.11.09 - ULRICHSTEIN
Empörung über hohe Wassergebührenbescheide - 400 Widersprüche
Von übler Abzocke und modernem Raubrittertum ist in Ulrichstein im Vogelsberg zu hören, seit die Stadt Vorausleistungsbescheide für die Abwasser- und Wasserbeiträge an alle Grundstückseigentümer verschickt hat. Von Bescheiden über 40.000 Euro an Privatpersonen ist die Rede, außerdem von "kalter Enteignung" und undurchsichtigen Machenschaften der Stadtverwaltung und des Bürgermeisters. Mittlerweile hat sich der Widerstand gegen die als behördliche Willkür empfundene Wasser- und Abwassersatzung formiert: Nach einer Bürgerversammlung im Ortsteil Feldkrücken, bei der rund 250 Ulrichsteiner ihrem Unmut lautstark Luft gemacht hatten, beschloss man, sich anwaltlich vertreten zu lassen und gegen die Gebührenbescheide Widerspruch einzulegen.
Eine Anwohnerin aus dem Ortsteil Kölzenhain, Helga Weigand kritisiert, niemand sei über das Zustandekommen der zum Teil horrenden Summen der Gebührenbescheide vorab informiert oder vorbereitet worden. Nirgends sei nachzulesen, für welche Maßnahmen die überhöhten Gebühren überhaupt erhoben würden. Die Kostenerhebung sei undurchsichtig und vielfach ungerecht. In Ulrichstein würden mit 6,30 Euro pro Kubikmeter nachweislich die höchsten Abwassergebühren in ganz Hessen erhoben - der Durchschnittstarif liege bei 1,97 Euro. Der jetzt berechnete Zeitraum belaufe sich von 2002 bis 2011. Was in dieser Zeit tatsächlich für Sanierungen am öffentlichen Kanalnetz vorgenommen worden seien, könne niemand überprüfen. Anwohner mit mehreren Grundstücken würden so sehr zur Kase gebeten, dass deren Existenz bedroht sei. Bei einer Forderung von 20.000 Euro, der ein Anwohner nicht nachkomme, drohe ihm schlimmstenfalls die Zwangsversteigerung, meint Helga Weigand.
Abhilfe verspricht man sich von prominenter juristischer Unterstützung: mit Hilfe des Fachanwaltes Prof. Dr. Lutz Eiding, der in Sinnttal und Rabenau erreicht habe, dass das Verwaltungsgericht die Bescheide wegen verschiedener Rechtsmängel aufgehoben habe, wolle man sich wehren. Prof. Eiding will sich in Ulrichstein über die Modalitäten informieren.
„Wasser- und Kanal-Leitungen fallen nicht vom Himmel“, entgegnete Erwin Horst auf die Vorwürfe angesprochen. Die Veranlagung sei gemäß der aktuelen Rechtsprechung erfolgt. Etwa 80 Prozent der Bescheide beliefen sich auf weniger als 1.500 Euro, sagte der Ulrichsteiner Bürgermeister gegenüber osthessen-news. Die jeweils festgestellte Summe sei über einen Zeitraum von vier Jahren zu zahlen. Das Problem besteht nach Darstellung des Rathaus-Chefs darin, dass die Landesregierung die Stadt Ulrichstein seinerzeit dazu verpflichtet habe, Kläranlagen zu bauen. Nun lasse das Land die Stadt mit den Kosten für die Anlagen allein. „Die Unterhaltung frisst uns tot“. Die Widersprüche, die bisher gegen die Gebührensatzung bei der Gemeinde eingegangen sind, hat er nicht gezählt. Der Rathauschef schätzt aber, dass es etwa 400 sind – bei 4.500 Bescheiden. Am kommenden Montag findet um 19:30 Uhr in der Ulrichsteiner Stadthalle eine Bürgerversammlung statt. Dann sollen „die Dinge gerade gerückt werden“, sagte Horst. +++