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Richter Mazur
25.07.13 - HÜNFELD
Ein spektakulärer Unfall, der vor zwei Jahren für landesweite Schlagzeilen gesorgt hatte, fand am gestrigen Mittwoch vor dem Amtsgericht Hünfeld sein gerichtliches Nachspiel. Ein 59-jähriger Polizeibeamter aus Hanau war angeklagt, als Führer eines Dienst-Lkw der hessischen Polizei auf der B 27 zwischen den Ortschaften Rückers und Hünfeld unter „grober und bewusster Missachtung mehrerer Verkehrsvorschriften" nach links auf die B 27 in Richtung Fulda abgebogen zu sein, ohne auf die Vorfahrt eines aus Richtung Fulda kommenden Pkw des geachtet zu haben.
Allein wegen dieses gefährlichen Fahrmanövers des Angeklagten war es nach Ansicht des Gerichts zur Kollision der Fahrzeuge gekommen, bei der der Pkw-Fahrer schwerst verletzt wurde. Der Polizist wurde nach Anhörung zweier Zeugen und eines Sachverständigen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen á 90 Euro und Führerscheinentzug von drei Monaten verurteilt. Er muss auch die Kosten des Verfahrens tragen.
„Er hat wohl sieben Schutzengel gehabt, dass er das überlebt hat", sagt die Mutter über das Unfallopfer. Der damals 26-jährige Jahn Hendrik J. war in der Novembernacht mit seinem VW-Polo auf der B 27 von Fulda Richtung Hünfeld unterwegs gewesen, als er plötzlich „etwas großes Schwarzes" mitten auf seiner Fahrspur wahrnahm. Obwohl er geistesgegenwärtig gleichzeitig bremste und nach links lenkte, prallte er in das Hindernis, wurde in seinem Fahrzeug eingequetscht und erlitt schwerste Verletzungen.
"Etwas großes Schwarzes mitten auf der Fahrbahn"
Das „große Schwarze", das sich quer zur Fahrbahn befand, war ein Polizei-Lkw mit kleinem Lichtmast-Anhänger, der gerade verbotswidrig nach links aus dem "Parkplatz Rückers" herausgefahren war. Vermutlich um schneller nach Hause zu kommen, wollte der Polizeibeamte den Umweg Richtung Hünfeld vermeiden und wendete deshalb auf der Bundesstraße, wobei er die dort doppelt durchgezogene Linie überfuhr. Dabei hatte er kein Blaulicht eingeschaltet, denn es gab keinen Grund für ein so genanntes "Sonder- und Wegerecht". Der Lkw mit Anhänger gehörte zu einer Einheit der Bereitschaftspolizei Mühlheim, die an diesem Samstagabend stundenlang Verkehrskontrollen „beleuchtet" hatte. Obwohl der Polizist die verbotene Fahrweise also quasi noch im Dienst begangen hatte, spielte das vor Gericht keine Rolle. Wohl aber die Frage, ob es sich dabei um ein „Augenblicksversagen" des Fahrers gehandelt hatte oder um eine Rücksichtslosigkeit, die die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf nahm.
Der Angeklagte ließ seinen Verteidiger vor Gericht aussagen, er könne sich sein Verhalten nachträglich selbst überhaupt nicht mehr erklären. Nach Ende der Beweisaufnahme drückte er dem Unfallopfer sein tiefes Bedauern aus. „Es tut mit furchtbar leid, dass durch meinen Fehler jemand zu Schaden gekommen ist." Er sei nicht in Zeitdruck gewesen und wisse nicht, warum ihm damals „die Sicherung durchgebrannt sei", sagte der 59-Jährige.
Das Gericht folgte dem Gutachter insofern, als der eine Mitschuld – wenngleich eine geringe – bei dem Polofahrer ausgemacht hatte. Der sei mit rund 100 Stundenkilometern bei Nacht deutlich zu schnell gefahren. Es wurde spekuliert, dass der Unfall auch dann passiert wäre, wenn der Polizei-Lkw vorschriftsmäßig nach rechts auf die Bundesstraße aufgefahren wäre. „Dann hätte mein Mandant aber die Rücklichter des Lkw sehen können und eher gebremst", wandte der Nebenklagevertreter ein. Er verwies auf die bekannte Problematik, dass man eigentlich nachts auf Sicht fahren müsse – und das bedeute, nicht schneller, als rund 60 km/h zu fahren. Das tue aber niemand, solange der Gesetzgeber das nicht verbindlich vorschreibe, erklärte der Anwalt.
Für den Angeklagten sprach nach Ansicht von Strafrichter Szymon Mazur, dass der Angeklagte Reue gezeigt habe, in seiner über 40-jähriger Dienstzeit und auch als Privatmann„völlig unbescholten" sei und er ihm darüberhinaus glaube, dass dieser den Unfall nicht bewusst herbeigeführt habe – nach dem Motto: „Mir doch egal, wenn jetzt jemand zu Schaden kommt". Der Polofahrer, der heute als Nebenkläger und Zeuge vor Gericht auftrat, ist trotz seiner schwersten Verletzungen seit Anfang dieses Jahres wieder fast beschwerdefrei. Er ist sich durchaus bewusst, dass er ungeheures Glück gehabt hat. Eigentlich kann er am 13 November einen zweiten Geburtstag feiern.
Sehen Sie auch den ON-Bericht und das Video vom Unfall vom 13. 11. 2011.
http://osthessen-news.de/H/1205929/huenfeld-schwerer-crash-auf-der-b-27-mit-polizei-lkw-beim-wenden-neu--video.html +++ Carla Ihle-Becker
Hier am Amtsgericht Hünfeld fiel heute das Urteil
Der Amtsanwalt, der die Anklage am Amtsgericht Hünfeld vertrat
Von diesem Parkplatz darf man nur nach rechts abbiegen,
doch der Angeklagte schlug hier nach links ein...