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BAD HERSFELD SEKRETÄRINNEN im Eichof

Ein kurzweiliger Abend ohne Worte und mit Tiefgang

10.07.14 - Der Alltag im Großraumbüro ist ein Universum, alles umfassend und unendlich zugleich, auch wenn dieser Alltag sich bloß um Sekretärinnen und den Büroboten dreht. Eine gleichförmige, in sich abgeschlossene Welt, so mag man meinen, zudem die sechs Grazien zunächst uniform in grau gekleidet die Bühne betreten. Bote Florian (Fabian Baumgarten) indessen sorgt von Anfang an für Brüche, kriecht aus dem Kopierer, in dem er übernachtet hat und den er zugleich als Kleiderschrank benutzt. Doch rasch wird klar, in diesem Stück dienen Klischees gewissermaßen als Kulisse, als virtuelles Bühnenbild, das sich bereits in den Köpfen der Zuschauer befindet und vor dem sich trefflich spielen lässt. Doch auch die reale Bühne und Requisite (Norbert Bellen) sind stilvoll klischeehaft gehalten, genau wie die Kostüme (Michaela Barth): vom stylischen Laptop über das uniforme Grau der Arbeitskleidung bis zur Platzierung der Chefetage im Off über der Bühne, aus der man stets nur die sonore Stimme des Alphamanns vernimmt. Dieser entspricht in seiner Wortkargheit und Position hoch über dem Bürouniversum beinahe dem göttlichen Klischee des bildlosen Bildes.

Klischees können ein wundervolles Stilmittel sein, und nach dem Erfolg von „Ewig jung“ in den letzten beiden Jahren hat man schon gewisse Erwartungen in dieser Richtung, denn auch hier gelang das befreiende Spiel mit Klischees meisterhaft. Doch noch auf anderer Ebene knüpft die diesjährige Eichhof-Inszenierung direkt an die Vorjahresproduktion an: die musikalische Leitung und Begleitung liegt wieder in den Händen von Thomas Mahn, der in diesem Jahr in die passende Frauenrolle der Sekretärin Thekla schlüpft, und an dem vor der Bühne positionierten Klavier zugleich in die Rolle des Dirigenten. Denn gesprochen wird wenig in diesem Stück, dessen Geschichte ausschließlich in Musik erzählt wird und das dennoch (genau wie „Ewig jung“) in keine Schublade des Musiktheaters passen will. Ob Musical oder Revue, Oper oder Liederabend: „Sekretärinnen“ bedient sich auch auf der musikalischen Ebene unerschrocken jeglicher Klischees, die Schlager oder Belcanto zu bieten haben. Quer durch das musikalische Universum geht die Reise, und doch wirken die Stücke, als seien sie den Charakteren auf den Leib geschrieben.
Klischees können befreiend wirken, wenn sie erlaubt sind, und wenn man nicht in ihnen verharrt.

Nichts im Leben ist ohne Tiefe. Wir können selbst entscheiden, wie tief wir unter die Oberfläche blicken. So gesehen ist jedes Klischee nichts anderes als ein Einladung, tiefer zu blicken oder zu lauschen und den Dingen auf den Grund zu gehen. So sind die spielerischen Möglichkeiten von Paula (Patrizia Margagliotta), Anke (Annette Lubosch), Jessica (Yara Hassan), Stella (Susanne Novosel) und Florian (Fabian Baumgarten) nahezu unbegrenzt, und sie verstehen es mit diesem umfangreichen Repertoire umzugehen. Thomas Mahn als Thekla führt sie dabei meisterhaft durch die musikalischen Dimensionen des Stücks. Wer hätte gedacht, dass selbst „Männer“ von Herbert Grönemeyer aus dem Mund einer Frau eine ganz eigene Authentizität erlangt und die notwendige Ironie durch das szenische Spiel hinzu gewinnt, oder dass ein ironisch inszeniertes Zitat des romantischen Kunstlieds „In einem kühlen Grunde“ dennoch tief und echt berührt und die anfänglichen Lacher im Publikum rasch verstummen lässt.

Mit „Sekretärinnen“ erlebt man einen kurzweiligen Abend ohne Worte und mit eben dem emotionalen Tiefgang, den man selbst gerne haben möchte. Ein Stück ganz im Stile der Eichhof-Inszenierungen in dessen Premiere bei etwas besserem Wetter sicher kein Platz frei geblieben wäre. (Klaus Scheuer) +++


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