Rückenschmerzen sind ein Volksleiden geworden und inzwischen einer der häufigsten Gründe für den Besuch beim Arzt. Die Fehlsteuerung der Patientenversorgung kostet Milliarden. In den letzten Jahren bemerken wir zunehmend, dass Rückenschmerz-Patienten direkt zum Chirurgen oder sogar direkt in die Kliniken sich einweisen bzw. einweisen lassen. Die Entwicklung hat viele Gründe, die u.a. am Versorgungssystem liegen. 81 Prozent der 284.000 Klinikfälle aufgrund von Rückenbeschwerden sind unnötig gewesen (Forschungsarbeit der Münchner Gesundheitsökonomin Professor Leonie Sundmacher) .

 

Rückenschmerzen sind lediglich Symptome einer noch zu definierenden Erkrankung (Diagnose). Man kann dieses Symptom natürlich im akuten Zustand zuerst symptomatisch (z.B. mit Schmerzmedikamenten) behandeln. Wichtig ist aber das Herausfinden der Ursachen, also die Diagnosestellung. Denn die Ursachen (Diagnosen) der Rückenschmerzen sind vielfältig und können viele medizinische Fachgebiete betreffen (Urologie, Gynäkologie, Neurologie, Gefäße- Herzerkrankung u.v.m.) Die Ursachen können relativ harmlos sein, wie Muskelverspannungen. Sie können aber auch ernsthafte, ja lebensbedrohlichen Krankheiten sein, wie Krebs oder Gefäßverschlüsse.

 

Ein Patient mit akuten Rückenschmerzen braucht schnelle und kompetente, ärztliche Konsultation. Der Arzt muss dann die Situation beurteilen und die Dringlichkeit der Diagnosestellung festlegen. Aus meiner beruflichen Erfahrung sind die ersten Anlaufstellen entweder der Hausarzt (er kennt den Patienten und seine Krankheitsgeschichte am besten) oder die Notaufnahme einer großen Klinik, mit Möglichkeiten der weiterführenden Diagnostik und interdisziplinären medizinischen Fachabteilungen.

 

Nach dieser Konsultation wird festgelegt, wie schnell die Diagnostik erfolgen soll. Nach Ausschluss von akuten Lähmungserscheinungen, Entzündungen, Gefäßverschlüssen oder Krebserkrankungen kann der behandelnde Arzt die akuten Schmerzen behandeln und die Diagnostik ambulant oder über Fachkollegen abklären lassen (z.B. Orthopäde, Neurochirurgen, Neurologen oder Internisten).

 

Bei akuten und frischen Lähmungserscheinungen wie z.B. Arm-, Bein- oder Fußschwächen, muss der behandelnde Arzt (in Klinik oder Praxis) unverzüglich die Diagnose abklären (z.B. mit MRI der Wirbelsäule etc.).

 

Wenn die Ursache der Lähmung erkannt wurde muss sofort gehandelt werden, hier häufig mit einer notfallmäßigen Operation. Diese Situationen treten ziemlich selten auf (max. 5% der Patienten).

 

Meine Empfehlung an alle Rückenschmerz-Patienten: Bitten Sie ihren behandelnden Arzt, ihnen eine Diagnose für Ihre Rückenschmerzen auszuarbeiten. Begriffe wie Lumbago oder Lumboischialgie sind keine Diagnosen. Sie beschreiben lediglich die Lokalisation der Rückenschmerzen.

 

Die Diagnosestellung bedeutet nicht automatisch eine operative Intervention. Nur in Einzelfällen ist eine akute, primäre Operation notwendig. Eine mehrwöchige, konservative Behandlung ist in den meisten Fällen erfolgreich. Erst wenn diese konservativen Therapien versagen, muss mit dem Wirbelsäulenchirurgen über Notwendigkeit, Art und Erfolgschancen einer Operation diskutiert werden.

 

 

Akute Rückenschmerzen: Wie soll ich vorgehen?

 

Während der Öffnungszeiten der Praxen (Niedergelassene KV-Ärzte) sollten sie zuerst beim Allgemeinarzt / Hausarzt anrufen. Er / sie entscheidet, ob eine weiterführende Diagnostik erforderlich ist oder eine direkte Vorstellung beim Facharzt notwendig ist. Der Niedergelassene Hausarzt / Facharzt kann bzw. muss aufgrund einer Notfallsituation den Patienten direkt in die Notaufnahme einer entsprechenden Klinik einweisen.

 

Außerhalb der Praxis-Öffnungszeiten kann sich der Patient an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der KV-Ärzte am Klinikum Fulda wenden. (Bitte nicht verwechseln mit der Notdienstzentrale des Klinikum Fulda)

 

Die Ärztliche Bereitschaftsdienst-Zentrale Fulda ist geöffnet:

 

Montag, Dienstag, Donnerstag von 19:00 Uhr - 7:00 Uhr

Mittwoch ab 14:00 Uhr bis zum nächsten Tag 7:00 Uhr

Wochenende: Freitag ab 14:00 Uhr bis Montag 7:00 Uhr sowie an Feier- und Brückentagen

 

Der ÄBD ist telefonisch zu erreichen unter 0661 - 1 92 92.

 

Eine direkte Vorstellung in die Notdienstzentrale einer Notfallklinik in Fulda muss klar indiziert und begründet sein. Meistens resultiert daraus eine stationäre Aufnahme und Behandlung.

 

So sollte die Versorgung der Rückenschmerzpatienten in Deutschland sein. Die Realität für den Patienten ist allerdings eine komplett andere: lange Wartezeiten in den Praxen, sehr häufige Vorstellung in den Notaufnahmen der Notfallkliniken.

 

Der stationäre Sektor (Kliniken) verlange seit langem, finanzielle Unterstützungen und die Möglichkeiten der ambulanten Versorgung in Form von Portal-Praxen in die Hand zu nehmen. Der ambulante Sektor (Kassenärztliche Vereinigungen KV) lehnt das ab. Er möchte diese Aufgabe nicht aus der Hand geben. Zwar erlaubt das neue Gesundheitsverstärkungsgesetzt die Errichtung von Portal-Praxen an den Kliniken, diese müssen aber von der KV genehmigt und finanziert werden. Also bleibt alles beim Alten und der Patient ist der Leidende in doppelter Hinsicht: einmal persönlich durch seine Beschwerden und zum anderen durch Bezahlen von Milliarden an die Krankenkassen für die Fehlversorgung.

 

Dr. Samir Al-Hami

(V.i.S.d.P.) +++

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