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Martin Kelch aus Mücke ist sehbehindert und trotzt als Sportler seiner Einschränkung - Fotos: Tobias Herrling

LAUFSPORT Der Willensstarke

Der sehbehinderte Läufer Martin KELCH sucht Herausforderungen

21.09.16 - Sitzt man Martin Kelch gegenüber, sieht man einen jungen, sportlichen Mann. Seine dunkelbraunen Haare sind kurz frisiert. Blau-grüne Augen blicken einen an – sie wirken sympathisch. Martin Kelch aber kann seine Umgebung nur sehr eingeschränkt wahrnehmen. Denn der 37-Jährige aus Mücke (Vogelsbergkreis) ist sehbehindert. An einer Karriere als Sportler hindert ihn sein Handicap allerdings nicht. Am kommenden Samstag nimmt Kelch am Vogelsberger Vulkan-Trail teil.

Laut Gesetz ist Martin Kelch blind. Seit er sechs Jahre alt ist leidet der 37-Jährige, der im Mückener Ortsteil Atzenhain lebt, an einer Sehnerverkrankung, die mit fortlaufender Dauer immer schlechter wurde. „Ich sehe noch etwa zwei bis fünf Prozent“, erzählt Kelch, dem man sein Handicap nicht anmerkt. „Man gewöhnt sich daran, weil es ein fortlaufender Prozess ist. Man muss sich einfach damit arrangieren“, sagt er. Wie man sich sein Sehvermögen vorstellen muss? „Es ist schwer zu beschreiben. Im Prinzip sehe ich alles kleiner. Wenn jemand 100 Prozent Sehfähigkeit besitzt und er etwas auf 100 Meter Entfernung sehen kann, muss ich bis auf fünf Meter oder näher herangehen."

Am kommenden Samstag läuft der 37-Jährige beim Vogelsberger Vulkan-Trail mit ...

Mit 19 fing Kelch mit dem Kampfsport an ...

... später stieg der 37-Jährige auf Triathlon um, weil er immer schlechter sah ...

Sein Handicap erschwert natürlich auch seinen Alltag. Als Schüler musste er irgendwann aus der letzten Reihe nach ganz vorne, einen Führerschein konnte er nie machen. „Für kleine Dinge, wie mal eben schnell einkaufen gehen, brauche ich immer jemanden, der mir hilft“, sagt Kelch, der zudem auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen ist. Manchmal werde er – von Außenstehenden – schrägt angeschaut, wenn er so nah an sein Handy geht, dass er darin fast versinkt. Und auf der Arbeit hat er spezielle Bildschirme stehen, die ihm alles vergrößern. „Das sieht für andere natürlich ungewohnt aus, weil das schon sehr, sehr groß ist“, sagt Kelch und schmunzelt.

Dass sein Sehvermögen mit der Zeit immer schlechter wurde, war auch der Grund, warum Martin Kelch stets neue sportliche Herausforderungen suchen musste. Denn im Alter von 19 Jahren entdeckt der gelernte Industriekaufmann zunächst das Kickboxen und später das Thaiboxen für sich. „Ab da hat es Klick gemacht“, sagt der 37-Jährige, der mehr und mehr sportlichen Ehrgeiz entfacht. Sein Sport bringt ihn bis nach Thailand, dann arbeitet er auch als Box-Trainer in Grünberg. „Das Faszinierende bei Martin war, dass fast alle im Training nie eine Ahnung hatten, dass er weniger sieht“, erinnert sich sein damaliger Trainingskollege Antonius Tewes.

Vom Kampfsport zum Triathlon

Mit dem Kampfsport muss der zweifache Familienvater aber irgendwann aufhören. „Es ging einfach nicht mehr, weil ich immer weniger gesehen habe“, sagt der Sehbehinderte, der aber weiter sportlich aktiv bleiben möchte und sich für Ausdauersport entscheidet. Genau: Triathlon. Die Kombination aus Schwimmen, Radfahren und Laufen reizt ihn. Zunächst fängt er mit einem Volks-Triathlon an, dann werden die Distanzen größer. „Auf Rügen habe ich im letzten Jahr bei einem kleinen Ironman teilgenommen“, erzählt Martin Kelch.

Mittlerweile hat sich Martin Kelch auf das Laufen konzentriert, weil Radfahren zu ...

Aber auch den Triathlon muss Kelch aufgeben. „Ich bin immer wieder mal gestürzt, das wurde einfach zu gefährlich“, sagt der 37-Jährige, der sich fortan nur noch auf das Laufen konzentriert. „Ich bin da ja nicht so schnell unterwegs und kann besser reagieren“, so Kelch, der sich an anderen Läufern und Streckenposten orientiert. Am Samstag nimmt er beim Vogelsberger Vulkan-Trail teil, nachdem er im Januar bereits am Ultra-Marathon in Rodgau Start war. „Unter sieben Stunden möchte ich schon bleiben“, formuliert er sein Ziel für den 67,4 Kilometer langen Lauf von Schotten, über den Hoherodskopf, Grebenhain und zurück nach Schotten.

Sein Ziel: irgendwann den Halbmarathon in anderthalb Stunden laufen

Was ihn am Laufen fasziniert? „Es ist wirklich so, dass es fast etwas Meditatives hat, wenn man im Ziel angekommen ist. Es tut einem zwar alles weh, aber man ist glücklich“, erzählt Kelch, für den es vor allem darum geht, es sich selbst zu beweisen. „Ich will Grenzen ausloten und sehen, was trotz meiner Einschränkung möglich ist.“ Für die Zukunft will sich der 37-Jährige allerdings auf den Halbmarathon spezialisieren. „Wenn ich mal irgendwann unter anderthalb Stunden bleibe, wäre das schön“, sagt Kelch, der viermal pro Woche trainiert und für sein Hobby die volle Unterstützung seiner Frau Meike bekommt. Ob sie auch mal in den Laufsport einsteigt, ist unklar. Die gemeinsame Tochter Lia-Marie zeigt aber Talent und könnte in die Fußstapfen ihres Vaters treten. In die von Martin Kelch – einem beeindruckenden Sportler. (Tobias Herrling) +++


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